Waldsassener Grenzpolizisten erinnern sich nach vier Jahren an einen Satz, der im V- Mann-Prozess wichtig werden könnte V-Mann-Affäre: Entlastung für das LKA

Von Manfred Scherer
Die Rockergruppe "Bandidos" sollte der V-Mann infiltrieren. Archivfoto: dpa Foto: red

Plötzliche Entlastung für das in der V-Mann-Affäre angeschlagene Landeskriminalamt: Zwei Grenzpolizisten haben am Montag als Zeugen vor dem Landgericht in Würzburg ein Zitat bezeugt, das den ehemaligen LKA-V-Mann Mario F. (48) schön blöd da stehen lässt.

 
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Die Aussage der Polizisten impliziert, dass Mario F. entgegen bisheriger Behauptungen seinem V-Mann-Führer nicht vorab von einem Drogenschmuggel über die Grenze bei Waldsassen am 23. November 2011 berichtet haben soll.

Rütteln an den Grundfesten der Verteidigung

Das würde an den Grundfesten des Verteidigung rütteln. Wie mehrfach berichtet, argumentieren Ex-V- Mann Mario F. und sein Wahlverteidiger Alexander Schmidtgall in dem Fall mit diesem Argument: Weil das LKA in Person des Führungsoffiziers stets über die Straftaten des V-Mann Mario F. Bescheid gewusst habe und weil der diese Straftaten während der vom LKA in Auftrag gegebenen Infiltration der kriminellen Rockergruppierung "Bandidos" begangen habe, könne Mario F. nicht bestraft werden.

Ein Untersuchungsausschuss droht

Der Fall des Ex-V-Manns hat Ermittlungen im Landeskriminalamt ausgelöst - sechs Beamte stehen nach den Erkenntnissen der Korruptionsabteilung der Nürnberger Kripo in Verdacht der Strafvereitelung im Amt - im Zusammenhang mit Straftaten des V-Manns. Mittlerweile droht in der Sache sogar ein Untersuchungsausschuss im Landtag - wegen politischer Verstrickungen: Die Ehefrau des Führungsoffiziers ist in Unterfranken eine Hoffnungsträgerin ihrer Partei. Innenstaatssekretär Gerhard Eck, der im ersten Prozess gegen Mario F. die Geheimhaltung der V-Mann-Akten verantwortet hatte, ist ihr gut bekannt.

Der Verdächtige fischt das Speed aus der Unterhose

Bei der Gerichtsverhandlung vor der 8. Strafkammer des Landgerichts in Würzburg geht es eigentlich "nur" um den scheinbar kleinsten der Fälle, die Mario F. auf dem Kerbholz hat: Eine Einfuhr von knapp zehn Gramm Crystal Speed aus Tschechien nach Deutschland. An jenem 23. November 2011 war Mario F. für die Schleierfahnder Stefan K. (42) und Jörg B. (43) zunächst ein Routinefall wie hunderte andere. Bei Mario F. war ein Drogenschnelltest positiv - immer noch Routine. Erst als Mario F. ein Päckchen mit zehn Gramm Crystal Speed aus der Unterhose fischte und erklärte, er sei V-Mann für das LKA, wich der Fall von der Routine ab.

Ein Einhandmesser wird entschärft

Während ein Beamter der Kripo aus Weiden im Anmarsch war, machte sich aus Nürnberg ein Hauptkommissar des LKA auf den Weg nach Waldsassen: Norbert K., der heute 51-jährige V-Mann-Führer von Mario F.

Wie berichtet steht Norbert K. Im Fokus der Ermittlungen im LKA. Er und andere Kollegen sollen die V-Mann-Akten von Mario F. gefälscht haben, um ihre eigene Haut zu retten.

Der Zehn-Gramm-Fall von Waldsassen ist Teil eines Urteils, das im August 2013 gegen Mario F. ergangen war: Insgesamt hatte die 5. Strafkammer des Landgerichts in Würzburg ihm sechs Jahre und zehn Monate aufgebrummt. Der Waldsassen-Fall - Einzelstrafe: drei Jahre und vier Monate - wurde jedoch vom Bundesgerichtshof zur Neuverhandlung nach Würzburg zurückverwiesen. Grund: Mario F. hatte damals ein Messer im Auto, das vielleicht eine Waffe sein könnte. Der Ex-V-Mann bekam es mit der Angst zu tun: Für bewaffnete Einfuhr von Drogen droht ein wesentlich höherer Strafrahmen.

"Ich hätte das dem Norbert sagen müssen"

Diese Sorge nahm ihm am Montag ein Waffenexperte des Landeskriminalamtes: das Einhandmesser sei einer Waffe nach dem Gesetz - also einem Fall- oder Springmesser - nicht gleichzusetzen. Und: Der V-Mann reklamiert einen nachvollziehbaren Grund, warum er es mit sich trug. Es wurde ihm verliehen, als er bei den"Bandidos" in der Hierarchie nach oben kletterte.

Entlastung für Mario F. also ausgerechnet durch einen LKA- Gutachter.

Doch dann kam das Zitat aus dem Mund von Grenzfahnder Stefan K.: Mario F. sei nach der Festnahme in der Waldsassener Dienststelle auf dem Holzbänkchen gesessen und habe gesagt: "Ich hätte das dem Norbert sagen müssen." Sein Kollege Jörg B. bestätigt: Er glaube, er habe das auch gehört, schränkt aber ein: "Soweit erinnerlich".

Ein Verteidiger nimmt seine Pflicht sehr ernst

Da schlägt die Stunde des Pflichtverteidigers Hans-Jochen Schrepfer. Schrepfer, der es vor dem Prozess hatte hinnehmen müssen, dass Mario F. ihm via Presseerklärung das Misstrauen ausgesprochen hatte, nimmt die zwei Grenzfahnder ins Verhör. Hält ihnen vor, im ersten Prozess vor der 5. Strafkammer sei von einem solchen Zitat nicht die Rede gewesen. Da müssen beide Zeugen einräumen, dass sie sich erst bei der Autofahrt zu dem Gerichtstermin am Montagmorgen an das Zitat erinnert hätten. Müssen einräumen, dass sie sich über die Vorwürfe gegen die LKA- Kollegen unterhalten hätten. "Das war ja groß in allen Medien, worum es da geht." Und was dabei nun wichtig sei: "Dass das LKA Bescheid gewusst haben soll." Mit im Auto auf dem Weg nach Würzburg war ein Kollege, der das etwas anders beschreibt: "Der eine hat es spontan gesagt. Der andere hat sich nicht daran erinnert."

Kann das Gericht den Grenzfahndern den plötzlichen Erinnnerungsschub glauben, oder war das eine Aussage nach dem Motto "wir sind doch die Guten" - eingeschlossen das LKA?

Eine entlastende E-Mail kann nicht vorgelegt werden

Mario F. selbst konnte in dem Prozess wider seine Ankündigung keine Punkte machen: Am ersten Prozesstermin vor drei Wochen hatte er angekündigt, er habe in den Ermittlungsakten seine E-Mail gefunden, mit der er am Tag vor dem 23. November den Waldsassen-Drogenschmuggel seinem Führungsoffizier angekündigt habe. Nun musste er bekennen: "Ich habe mich getäuscht. Ich habe die Mail nicht gefunden." Auch hier stellt sich die Frage: War der Wunsch der Vater des Gedankens?

Der Prozess wird fortgesetzt.

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Kommentar: Kontrollverlust 

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