Was haben die Menschen bei BAT alles aushalten müssen in den letzten sieben Wochen. Natürlich: Gerüchte, dass sich in ihrer Firma etwas tut, hielten sich hartnäckig seit zwei Jahren. Jedoch: Mit Fatalismus und dem tiefen Glauben, so schlimm werde es schon nicht werden, gingen die 1300 Mitarbeiter Tag für Tag in ihre Arbeit. An ihre Maschine, in ihre Schicht, in ihr Büro. Bis der 14. Juli 2016 kam. Es war ein Schock für alle. 950 werden ihre Arbeit verlieren. Im Sozialplan heißt es nun: Einige können mit 55 Jahren in den Vorruhestand gehen. Und das ruft die Sozial-Neider auf den Plan.
Zwischen Schock, Wut, Ohnmacht und Angst bewegten sich die 950. Die anderen reagierten naturgemäß erst erleichtert, aber sofort voller Mitgefühl und Solidarität für die, die es erwischt hat. Sie einte auch die Wut, dass in dem profitablen Unternehmen die Gier regiert.
Von den anderen, den vermeintlich Glücklichen, beteiligten sich auch viele an der Mahnwache, die acht Tage und Nächte vor der BAT aushielt. Sie blieben an der Seite derer, die sich dort auch die Augen aus dem Kopf weinten. Die unter Gleichen von ihrer Angst vor dem Leben nach der BAT berichteten; von ihrer Angst, nicht zu wissen, ob sie das Studium fürs Kind noch zahlen können; von ihrer Angst, der neuen Situation nicht Herr zu werden; von ihrer Angst, gesellschaftlich aufs Abstellgleis geschoben zu werden, weil ihnen fehlt, was die anderen haben – eine Arbeit.
Die Solidarität unter den 1300 scheint nicht einen Tag gewackelt zu haben. Die Girlande aus Handabdrücken rund ums große Gebäude ist ein Symbol dafür. Sie soll hängen bleiben, bis der letzte, der gegangen ist, seine Hand abgenommen hat.
Gegen Ende werden nur noch wenige Hände dort hängen. Und wie sich herausgestellt hat, werden einige in einen großzügigen Vorruhestand gehen können. Mit 55 Jahren, das haben Gewerkschaft und Betriebsrat erkämpft.
Es sei ihnen gegönnt. Die meisten sind auf BAT spezialisiert, ihre Tätigkeiten dort haben nichts mehr gemein mit ihren einst erlernten Berufen. Diese Menschen haben mit 55 Jahren keine realistische Chance auf dem Arbeitsmarkt. Und wer sich jetzt in den sozialen Netzwerken darüber auskotzt, dass BAT-Mitarbeiter „Jahrzehntelang weit über dem Durchschnitt entlohnt worden und jetzt noch den Arsch vergoldet“ bekommen – nachzulesen auf der Facebook-Seite des Kuriers – der hat nicht kapiert, was es heißt, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Und er hat auch nicht kapiert, dass auch um Solidarität mit denen geht, die es jetzt mit der Vorruhestandsregelung vermeintlich besser getroffen haben. Das stimmt nämlich nur auf den ersten Blick. Denn mit der Arbeit fallen Struktur, Aufgabe, Sozialkontakte, Gemeinschaft und Wertschätzung weg. Vom familiären Gefühl, das die BAT-ler immer beschreiben, ganz zu schweigen.
Susanne.Will@Nordbayerischer-Kurier.de
Zum Hintergrund:
Hier lesen Sie das Minutenprotokoll zur Verkündigung Donnerstagmittag.
BAT muss keine Subventionen zurückzahlen
BAT: Mehr als 1000 Hände protestieren
Handwerk will BAT-Mitarbeitern helfen
Ringen um Transfergesellschaft
Staatsregierung: Aktionsplan für BAT