BAT: Vorruhestand mit 55

Von Katharina Wojczenko

Um kurz nach 12.30 Uhr ist Paul Walberer fertig. Zumindest so weit mit den Verhandlungen, dass er eine Einigung bekannt geben konnte. Aber auch körperlich. Die vergangenen sieben Wochen sitzen ihm in den Knochen. „Ich komme nicht mehr zur Ruhe“, sagt er. Und widmet sich wieder den Sorgen seiner BAT-ler. Der Betriebsratschef kann noch nicht locker lassen. Noch ist der Sozialplan nicht unterschrieben. Aber er kann sagen: „Was wir versprochen haben, haben wir geschafft.“

 
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Als Walberer kurz vor 12 Uhr am Donnerstag das BAT-Gebäude verlässt, ist der Vorplatz bereits gut gefüllt von der Frühschicht. Die Männer und Frauen sind gekommen, um von ihm persönlich eine Nachricht zu hören: dass es eine Einigung zwischen dem Unternehmen und dem Betriebsrat und der Gewerkschaft gegeben hat. Das war bis dahin bekannt. Bis tief in die Nacht, seit 14. Juli, hatten sie verhandelt und um Abfindungen, Vorruhestand und die Transfergesellschaft gerungen.

Dank für die Solidarität

Acht Tage und Nächte hielten Mitarbeiter eine Mahnwache samt Feuertonne und Mahnglocke vor dem Gebäude. Walberer schlägt die Glocke, dann spricht er. „Das Feuer wurde gelöscht. Doch es heißt nicht, dass man es nicht wieder entzünden kann.“ Er dankt den Menschen, die 192 Stunden ausgeharrt haben, für ihre Solidarität. Die müsse noch länger anhalten, denn: Auch wenn es einen Sozialplan gibt, sagt er, auch wenn er und die Gewerkschaft zufrieden sind über das, was sie in Punkto Vorruhestandsregelung und Abfindungen herausgeholt haben – der Sozialplan muss erst umgesetzt werden.

 

 

"Gut wäre, 950 Arbeitsplätze zu erhalten"

Über Inhalte darf er noch nicht reden, die Unterschriften sind noch nicht gemacht. Am Donnerstag, 8. September, werden die Details hinter verschlossenen Türen bei einer Betriebsversammlung den Mitarbeiter beigebracht. Auch wenn ein „befriedigendes“ Ergebnis erzielt worden sei – „gut ist das nicht. Gut wäre gewesen, 950 Arbeitsplätze zu erhalten“. Als er wiederholt die Profitgier der Manager des profitablen Werkes geißelt, applaudieren die Menschen, die ernst zuhören.

Azubis dürfen bleiben

Beinahe grotesk muss die Situation gestern vor dem Werk für eine Gruppe Azubis angemutet haben: Die jungen Leute hatten ihren ersten Arbeitstag als Lehrlinge bei dem Werk, das 950 Menschen auf die Straße setzt. Allerdings wurden die Verträge noch vor dem 14. Juli unterzeichnet, als BAT die Einschnitte verkündete. Und doch wird es für die Azubis am 8. September gute Nachrichten geben: Sie können in Bayreuth bleiben.

Stephan Müller (BG) ist der einzige Stadtrat, der sich zu den BAT-lern gesellt hat. „Wenn Walberer zufrieden ist, wird es gut sein. Ich freue mich, dass der Betriebsrat seine Ziele durchgesetzt hat.“

Hauptforderungen erfüllt

Auch Michael Grundl, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, betritt das Podium: „Über das Verhandlungsergebnis kann ich mich nicht so richtig freuen. Aber wichtig ist, dass die drei Hauptforderungen Sozialplan, Vorruhestand und Transfergesellschaft erfüllt worden sind.“

Dass es keine Details gibt, macht manchem zu schaffen: „Eine konkrete Ansage wäre mir lieber gewesen. Jetzt geht das Warten leider weiter. Aber was Michael Grundl über den Sozialplan gesagt hat, klang zumindest nicht schlecht“, sagt eine Mitarbeiterin aus der Produktion.

Die Menschen, die nun Schulter an Schulter vor dem Gelände stehen, bereiten sich teilweise dennoch auf schlechte Nachrichten am Donnerstag in einer Woche vor. Eine 52-Jährige: „Ich habe zwölf Jahre bei BAT gearbeitet, dann meine Kinder bekommen und erzogen, anschließend neun Jahre wieder für BAT malocht. Das heißt für mich: Ich habe keine ausreichend lange Betriebszugehörigkeit am Stück, um in den Vorruhestand zu gehen. Für mich bleibt nur die Arbeitslosigkeit.“

Was da noch hoffnungslos klingt, könnte sich am Donnerstag umkehren. Betriebsratschef Paul Walberer sagt, man habe versucht, auf alle Einzelfälle einzugehen. Und dabei seien Möglichkeiten entstanden, an die die Mitarbeiter momentan nicht denken könnten – und über die er noch nicht reden darf.

Mit 55 Jahren in Vorruhestand

Auch was die Grenze des Vorruhestandes angeht. Momentan liegt die bei 60,5 Jahren. Doch wie der Kurier erfahren hat, können die BATler dank des Verhandlungsgeschickes von Betriebsrat und Gewerkschaft nun schon mit 55 Jahren in den Vorruhestand gehen.

BAT werden "bluten"

Ob der Konzern bluten muss? Michael Grundl: „Natürlich werden die bluten. Einen solchen Sozialplan kannte die BAT bislang nicht.“ Wird der Sozialplan BAT weh tun? BAT-Geschäftsführer Leif Lümkemann antwortet nicht auf die Frage. Erst als alles vorbei ist, geht er vor die Tür. Er spricht von „sehr intensiven und nicht immer einfachen Gesprächen“ und sagt: „Wichtig ist, dass wir faire Lösungen gefunden haben, die den Leuten helfen, neue Jobs zu finden.“

Paul Walberer sagt, es sei viel gelungen. Und er nennt Beispiele: „Wir wollten Zeit für die Kollegen gewinnen, dass sie nicht hektisch sofort einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen, da ist die Transfergesellschaft eine gute Regelung.“ Dazu komme, dass die Härtefälle intern geprüft wurden. „Ich rede von kinderreichen Familien, von Schwerbehinderten, von Alleinerziehenden, von Menschen mit niedrigen Einkünften, die nicht benachteiligt werden dürfen.“ Seinem Gesicht nach zu urteilen ist es ihnen tatsächlich gelungen.

Donnerstag Betriebsversammlung

Michael Grundl und Paul Walberer können sich noch nicht ausruhen. Am Nachmittag geht es weiter in den Verhandlungen des Interessenausgleichs. Am Freitag checken Anwälte die Papiere. Spätestens am Dienstag sollen die unterzeichnet sein. Und am Donnerstag erfahren die BAT-Mitarbeiter die Details des Sozialplans. Sie werden bewerten, wie gut der gelungen ist.

Bis dahin wird eine Tonne die Mahnwache ersetzen. Befeuert wird die nicht, sie brennt künstlich. Auch wenn Walberer sagte, das Feuer könne jederzeit wieder entzündet werden, so sagt er später: „Ich möchte keinen Streik haben. Es muss möglich sein zu verhandeln.“ Dann geht er rein. Und verhandelt weiter.

Hier lesen Sie das Minutenprotokoll zur Verkündigung Donnerstagmittag.

Die Vorgeschichte:

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