Regierung, Polizei: Wir schaffen das

Von Katharina Wojczenko
Diese Männer sind zwischen 18 und 30 Jahre alt und kommen aus Eritrea (von links): Salin Siraj, Grmay Hagos, Biniyam Yard, Robel Werede, Behaylu Muligita und Heluf Niguse. Sie wohnen derzeit in der Erstaufnahme in der Wilhelm-Busch-Straße 2. Die Regierung macht daraus demnächst eine Gemeinschaftsunterkunft. Dann bleiben die Bewohner länger dort, kochen selbst und bekommen mehr Platz in den Zimmern als jetzt. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Mehr als 10 600 Flüchtlinge sind seit September 2015 nach Bayreuth gekommen. Ein Jahr nach Angela Merkels „Wir schaffen das“, sagen Stadt, Regierung von Oberfranken und Polizei: Ja, wir schaffen das. Das sind die Gründe.

 
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Das sagt die Stadt:

In Spitzenzeiten waren in Bayreuth rund 900 Menschen untergebracht, derzeit sind es rund 440 Asylbewerber. Das Sozialamt hat seit September 2015 rund 10 600 Flüchtlinge versorgt. Hinzu kommen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge und Volljährige, die in Obhut des Stadtjugendamts waren.

„Der Stadt Bayreuth ist es in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberfranken, der Caritas, dem Verein Bunt statt Braun und den vielen weiteren ehrenamtlichen Helfern gelungen, die ankommenden Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen“, sagt Pressesprecher Joachim Oppold.

3,4 Millionen Euro Kosten

Allein für die erwachsenen Asylbewerber habe dies bis August 2016 etwa 3,4 Millionen Euro gekostet. Bis auf die Personal- und Sachkosten hat der Freistaat diese Summe aber in voller Höhe erstattet.

Außerdem erhielt die Stadt einen Zuschuss, um den Posten des Asylkoordinators für Ehrenamtliche einzurichten. Was von den 7 Milliarden Euro, die der Bund bis 2018 zur Integration einsetzen will, in Bayreuth ankommt, sei derzeit unbekannt.

83 Asylbewerber wurden anerkannt

Seit September wurden drei Menschen abgeschoben, 83 erhielten eine Anerkennung. Der Rest ist in der Warteschleife, wird geduldet oder hat Bayreuth freiwillig verlassen.

Bayreuth ist "gut gerüstet"

Eine Integration sei in der Kürze der Zeit nur in Ausnahmefällen möglich gewesen. „Dies wird für die meisten Flüchtlinge mit Bleiberecht ein längerer Prozess werden. Bayreuth ist hierfür grundsätzlich gut gerüstet.“

Die ehrenamtlichen Helfer blieben ein unverzichtbarer Bestandteil der Integrationsarbeit. Pflichtaufgaben der Stadt haben sie aber nie übernommen.

Das sagt die Regierung:

„Jedem Asylbewerber, der in Oberfranken ankam, konnten wir eine Unterkunft anbieten“, sagt Pressesprecher Oliver Hempfling. „Jeder wurde versorgt.“

Die vielen Unterstützer hätten alles in ihren Kräften Stehende geleistet, „damit diese riesige Herausforderung angemessen bewältigt werden konnte“.

Unterstützung kam von der Staatsregierung: Allein der Lenkungsstab sei seit Ende 2014 mehr als 70 Mal zusammengekommen.

Künftig Gemeinschaftsunterkunft statt dezentral

Der Freistaat wird Asylbewerber künftig vor allem in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen. Das soll Städte, Gemeinden und Landkreise entlasten, die über Monate Flüchtlinge dezentral unterbringen mussten.

„Diese Unterkünfte können künftig zumindest zum Teil als Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge dienen“, sagt Hempfling.

Bauamt baut in Bayreuth

Auch der Wohnungspakt Bayern soll dabei helfen. In Bayreuth baut das Staatliche Bauamt mit 2,5 Millionen Euro in der Röntgenstraße 17 Appartments für 66 Menschen.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayreuth und Bamberg wurden von September bis heute 20 855 Menschen aufgenommen. 1146 Menschen wurden in Oberfranken abgeschoben, die meisten aus dem Abschiebelager in Bamberg; freiwillig reisten 1667 aus.

Das sagt die Polizei:

Ist Bayreuth wegen der Flüchtlinge unsicherer geworden? „Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind die Zuwanderer nicht besonders auffällig“, sagt Polizeisprecher Alexander Czech.

Viel mehr Zuwanderer, wenig mehr Straftaten

2015 stieg die Zahl der Straftaten in Oberfranken um 1,9 Prozent an. Zieht man die ausländerrechtlichen Fälle ab, bleibt ein Minus von 5 Prozent.

Die Polizei gab jedoch zu bedenken, dass die Zahl der Zuwanderer gleichzeitig deutlich anstieg. Die meisten Gewalttaten passierten in den Unterkünften. Mehr zu dieser Frage lesen Sie hier.

Zahlen für 2016 gibt es erst Anfang 2017.

Polizei "gut vorbereitet"

Nach den Attentaten in den vergangen Wochen mit etlichen Toten und Verletzten lasse sich bei Großveranstaltungen und Festen in Oberfranken „eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung erkennen“, sagt Czech.

Der Polizei lägen aber „keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdungssituation“ vor. „Die oberfränkische Polizei sieht sich gut vorbereitet.“

 

Zum Jahrestag der „Wir schaffen das!“-Rede der Bundeskanzlerin hat die Kurier-Redaktion mit Menschen in Oberfranken gesprochen, die täglich mit der Flüchtlingskrise zu tun haben. Aus ihren Geschichten ergibt sich ein komplexes Bild der Situation.

 

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