Die böse Seite der Pferdesteuer-Debatte

Von Heike Hampl

Drohungen und Beleidigungen: Im Eckersdorfer Rathaus sind wegen der Debatte um die Pferdesteuer teils heftige Schreiben und Anrufe angekommen. Die Polizei sagt, so etwas muss sich niemand bieten lassen, auch nicht eine Bürgermeisterin.

 
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"Sehr verblödete Frau Pichl", steht im Kopf eines Briefes, den Bürgermeisterin Sybille Pichl bekam. Pichl schluckt. "Das wird noch schlimmer", sagt sie. Und entschuldigt sich schon im Vorfeld für das, was sie gleich vorlesen wird.

"Sind Sie noch bei Trost? Wie blöd darf man sein, um Bürgermeisterin und Gemeinderat zu werden? Sie Dreckspack. Man sollte euch vierteilen lassen von den Pferden in eurer eigenen Gemeinde."

"Schweine" und "Idioten"

Der oder die Absenderin bleibt anonym. Und Pichl ruhig. Zur Polizei ist sie nicht gegangen. Auch nicht, nachdem eine Frau im Rathaus angerufen hatte und sagte: "Ihr gehört aufgehängt". Im Internet nannten Pferdesteuer-Gegner Pichl und die Verwaltung "Schweine" und "Idioten".

Irgendwann ist Sybille Pichl einfach nicht mehr ins Internet gegangen. "Ich sage ja immer, dass ich diese Dinge nicht mit nach Hause nehme", sagt sie. Aber diesmal war es anders. "Ich war kurz davor, mein Konto bei Facebook zu löschen."

"Unter der Gürtellinie"

Sie hat sich dagegen entschieden, um weiter vernetzt zu bleiben. Aber eingeloggt hat sie sich seitdem nicht mehr. "Vieles ging unter die Gürtellinie. Und vieles war persönlich gemeint." Die Bürgermeisterin hat sich bemüht, die schlimmsten Briefe zu vergessen. Aber dass Menschen ihr Tierhass unterstellen, trifft sie. "Ich habe drei Kater. Und wenn ich Zeit hätte, hätte ich noch einen Hund dazu."

Auf eine böse Mail hat Pichl geantwortet. Ein Mann aus Baden-Württemberg hatte geschrieben: "Zu Optimierung Ihrer Prozesse könnten Sie im Rathaus einen Arbeitsplatz einsparen. Der Mitarbeiter wird nicht arbeitslos. Er kann sich auf einem Reiterhof bewerben, müsste dann aber seine Arbeitseinstellung gravierend umstellen." Heute ärgert sich Pichl, dass sie sich zu einer Antwort hat hinreißen lassen. "Das Klischee vom faulen Beamten hat mich geärgert", sagt sie.

Scharfer Ton

Auch Verwaltungsleiter Bernhard Brosig musste viel aushalten in den vergangenen Wochen. "Ich kann das absolut nicht verstehen", sagt er. Sogar seine Mutter, die in der Nähe von Bamberg wohnt, wurde auf der Straße darauf angesprochen, was ihr Sohn denn in Eckersdorf gerade tue. "Ich stelle mich Diskussionen gerne, auch privat. Aber die Schärfe des Tons war oft eine einzige Frechheit."

Brosig habe mit Gegenwind gerechnet, sagt er. "Aber auf sachlicher Ebene." Bösartige Briefe und Mails hat er deswegen einfach ignoriert. "Es bringt nichts, sich auf diese dummen Kommentare einzulassen." Seine Arbeit macht Brosig weiter wie bisher. Er sehe nicht ein, sagt der Verwaltungsleiter, sich zu verstecken, weil jemand Terror macht. Und es sei eben die Aufgabe des Gemeinderates, offen über das Thema Pferdesteuer zu reden - egal, wie der Rat sich am Ende entscheidet.

Das Recht gilt für alle

Die Polizei rät in solchen Fällen dazu, sich bei ihr zu melden. "Man muss als Lokalpolitiker kein dickeres Fell haben als andere. Jeder Mensch hat das gleiche Recht", sagt Sprecher Jürgen Stadter. Bedrohung, Nötigung und Beleidigung muss niemand hinnehmen, auch nicht in anonymen Schreiben oder im Internet. "Das Internet und die Anonymität in den sozialen Netzwerken haben das Problem verschärft", sagt Stadter. Das bestätigt auch der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel.

Bürgermeisterin Pichl aber hat sich entschieden, niemanden anzuzeigen. Sie wolle das Thema schnell vergessen und appelliert an die Pferdesteuer-Gegner, sich im Ton zu zügeln.

Auch andere Töne

Eine Pferdestallbetreiberin aus Eckersdorf hat sich vor Kurzem an die Bürgermeisterin gewandt. Und sich im Namen ihrer Zunft für Beleidigungen und Drohungen entschuldigt. "Dabei hat sie sich selbst immer völlig korrekt verhalten. Aber über dies Geste habe ich mich sehr gefreut", sagt Pichl.

Der Eckersdorfer Gemeinderat wird sich Zeit nehmen, bevor er das Thema wieder berät. Pichl hoffe, dass die Stimmung beim nächsten Mal nicht so hochkocht. "Ich lasse jedem seine Meinung. Und ich höre mir jedermanns Argumente an. Dann erwarte ich aber auch, dass man mir zuhört."

Das sagt der Bayreuther Medienwissenschaftler Jochen Koubek zum Thema:

Herr Koubek, warum reagieren die Menschen vor allem im Netz so hart?

Jochen Koubek: Wir nennen das den „Online Disinhibition Effect“, wonach Menschen sich in Online-Kommunikation enthemmter verhalten als in Gesprächssituationen von Angesicht zu Angesicht. 

Warum greifen viele zu so drastischen Worten und bringen ihre Argumente nicht sachlich vor?

Koubek: Weil man die Reaktion des Gegenüber nicht sieht und darauf reagieren kann, ist Online-Kommunikation für viele Menschen eine Art lautes Denken und da kann man sich so drastisch ausdrücken wie man will. Es fehlt dann die Einsicht, dass auf der anderen Seite auch ein Mensch sitzt. Hinzu kommt eine gefühlte Anonymität, aus der heraus sich ohne Angst vor persönlichen Konsequenzen handeln lässt.

Wie sollen Lokalpolitiker mit ihrem Facebook-Profil umgehen, wenn sie auf diesem Kanal permanent beschimpft werden?

Koubek: Für die eigene psychische Hygiene ist es wohl besser, die Kommentare entweder nicht zu lesen oder die Möglichkeit ganz abzuschalten. Kommentarfelder suggerieren vielleicht Bürgernähe, sind aber nicht der geeignete Ort für differenzierte Diskussion oder politische Willensbildung. 

Ist der Ton in solchen Auseinandersetzungen rauer geworden oder ist er wegen der sozialen Netzwerke nur sichtbarer?

Koubek: Beides. Äußerungen im Medium der Schriftlichkeit sind dauerhaft verfügbar und damit auch zitierbar. Das führt zu einer Überbietungslogik, bei der jede Äußerung stärker und härter sein will als die vorangehenden. Auf der anderen Seite kann man in dem vorliegenden Fall vielleicht auch beobachten, dass Online-Verhalten auf andere Kommunikationsformen abfärbt, wenn auch am Telefon oder gar persönlich mehr geschimpft wird als früher. Das bleibt zu beobachten.

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