Nach Debatte um Wenning-Ehrung: Polizei soll nach dem Verräter suchen Stadträte stellen Anzeige gegen Unbekannt

Von Frank Schmälzle
Der scheidende Regierungspräsident Wilhelm Wenning wird den Goldenen Ehrenring der Stadt bekommen. Dass der Disput in nichtöffentlicher Stadtratssitzung an die Öffentlichkeit gelangte, hat jetzt ein Nachspiel. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Harte Entscheidung: Polizei und Staatsanwalt sollen das schwarze Schaf im Stadtrat suchen, das aus nichtöffentlicher Sitzung geplaudert hatte. Dabei war es um eine umstrittene Ehrung für den scheidenden Regierungspräsidenten Wilhelm Wenning gegangen. Warum stellen die Stadträte jetzt Anzeige gegen Mr. X, der nur aus ihren eigenen Reihen kommen kann?

 
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Dieser Tropfen, sagt CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Specht, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Einen Kurier-Bericht über eine kontroverse Diskussion in nichtöffentlicher Stadtratssitzung am 27. Januar, bei der es um die Verleihung des Goldenen Ehrenrings der Stadt an den scheidenden Regierungspräsidenten Wilhelm Wenning ging, nimmt Specht jetzt zum Anlass, nach Konsequenzen zu rufen. Die Konsequenz ist: Die Stadt wird Anzeige gegen Unbekannt stellen. Gegen den Unbekannten, der die heikle Debatte öffentlich gemacht hatte. Jetzt sind Polizei und Staatsanwalt am Zug.

Was die Bayreuther nie hätte erfahren sollen

Als der Stadtrat Ende Januar hinter verschlossenen Türen tagte, hatten sich 15 von 41 anwesenden Räten dafür ausgesprochen, die Ehrung Wennings auszusetzen. So lange, bis sich der scheidende Regierungspräsident bei den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern des Vereins "Bunt statt braun" entschuldigt. Vorangegangen war eine Auseinandersetzung zwischen "Bunt statt braun" und dem Chef der  Regierung von Oberfranken. Der Verein hatte der Regierung "institutionellen Rassismus" vorgeworfen. Der Regierungspräsident konterte: "Bunt statt braun" rede viel und tue weniger. Zuvor hatten alle Regierungspräsidenten, die in den Ruhestand gingen, den goldenen Ehrenring der Stadt erhalten. Er wird Persönlichkeiten verliehen, die sich "durch treues und fruchtbares Wirken für das Wohl der Stadt hohe Verdienste erworben haben“.

Was die Grünen Wenning vorwerfen

Hat Wenning nicht, meinen die Grünen im Stadtrat. „Lediglich seinen Job zu machen, reicht bei weitem nicht aus, um eine derartige Ehrung zu empfangen", sagte Fraktionsvorsitzende Sabine Steininger nach der nichtöffentlichen Stadtratssitzung auf Kurier-Anfrage. Steininger und ihr Fraktions-Vize Stefan Schlags werfen Wenning Fehlverhalten vor. Der Regierungspräsident habe sich in der Diskussion über die Errichtung der Erstaufnahmeeinrichtung und den Vertragsbruch bei der Kostenübernahme durch den Freistaat Bayern kläglich versagt. Er hätte sich dafür einsetzen müssen, dass die Erstaufnahme an der Herzogmühle wie vertraglich vereinbart, errichtet worden wäre. Und als es dann zur öffentlichen Auseinandersetzung zwischen "Bunt statt Braun" und Wennig gekommen war, hatten die Grünen den Antrag gestellt: Die Ehrung der Stadt soll ausgesetzt werden, bis sich Wenning entschuldigt. „Jemand, der nicht die Größe hat, ehrenamtliches Engagement zu würdigen, und es stattdessen klein redet und die Aktiven diffamiert, hat den Goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth nicht verdient,“ sagten Steininger und Schlags nach der nichtöffentlichen Stadtratssitzung im Januar auf Kurier-Anfrage.

Die Grünen sagen: Wir waren es nicht

Ob es die Grünen waren, die geheime Debatte in die Öffentlichkeit brachten? Nein. "Als der Kurier bei mir anrief, wusste der Reporter bereits Bescheid", sagt Steininger jetzt im Hauptausschuss. Die Grünen seien also nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Aber: "Wir hatten eine Positionierung vorbereitet", sagt Steininger jetzt im Hauptausschuss. Die habe sie zur Veröffentlichung freigegeben.

Dem CSU-Fraktionsvorsitzenden reicht's

Stefan Specht sagt, er ist entsetzt. Solche ungehörigen und ehrenrührigen Entgleisungen seien schon in einer nichtöffentlichen Stadtratssitzung kaum hinzunehmen. Wenn sie dann aber auch noch öffentlich werden, "sind sie dazu geeignet, das Ansehen des Stadtrates insgesamt zu diskreditieren". Specht spricht von einem "eklatanten Vertrauensbruch". Er frage sich, wie künftig eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Stadtrat noch möglich sein soll. Und fordert deshalb: Wer da geplaudert hat, soll 250 Euro Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen das Verschwiegenheitsgebots zahlen, so wie es die Geschäftsordnung des Stadtrats vorsieht. Und die Stadtverwaltung solle darüber hinaus strafrechtliche Schritte prüfen. Specht reicht's. Auch weil zuletzt immer häufiger Informationen durchsickerten. Beispiele: der Kauf der Schloßgalerie durch die Stadt, die Ansiedlung der Firma Rehau, die Ehrung des OB von Annecy, Jean-Luc Rigaut.

Rechtsreferent sagt: Die Indiskretionen haben eine neue Qualität

Rechtliche Schritte prüfen - das will Specht, und genau das hat Rechtsreferent Ulrich Pfeifer getan. Er sagt: "Eine Strafanzeige oder einen Strafantrag gegen Unbekannt zu stellen, ist weiß Gott nicht jenseits von Gut und Böse." Im Paragraf 203 des Strafgesetzbuches sei der Tatsbestand des Verletztens von Geheimnissen beschrieben. In der Vergangenheit seien immer wieder Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen des Stadtrats durchgedrungen. Dass jetzt aber auch konkrete Abstimmungsergebnisse öffentlich würden, habe eine neue Qualität. Die sieht auch SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Bauske erreicht: "Wo sonst sollen wir uns offen über sensible Themen austauschen, wenn nicht in nichtöffentlicher Sitzung?" Und: "Nichtöffentlich ist nichtöffentlich. Da ist es egal, ob man hinterher angerufen wird." Oder wie Specht es formuliert: "Einfach mal die Klappe halten."

Und was sollen die Bürger davon halten?

Thomas Hacker (FDP) stellt die Frage nach der Außenwirkung: Vor Beginn der aktuellen Stadtratsperiode hatten alle Parteien und Gruppierungen erklärt, ihnen sei an einem besseren, sachlicheren und offenerem Umgang untereinander gelegen. "Glauben wir wirklich, das wir mit einem Beschluss, eine Anzeige gegen Unbekannt zu stellen, den Eindruck in der Öffentlichkeit verbessern? Ich halte gar nichts davon, strafrechtlich gegen Einzelne aus diesem Gremium vorzugehen und damit alle unter Generalverdacht zu stellen ." Karsten Schieseck (BG) schlägt eine Ethikkommission für den Stadtrat vor, die über das Einhalten der Spielregeln wachen soll. Und zieht seinen Antrag wenig später zurück, weil es eine solche Kommission schon einmal gab. Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe will es bei einer letzten Ermahnung belassen.

Zu spät: 14 von 17 Stadträten im Hauptauschuss geben der Verwaltung den Auftrag zu handeln, also Strafanzeige oder Strafantrag zu stellen. Jetzt sind also Polizei und Staatsanwalt dran, den Unbekannten zu finden.Übrigens: Auch die Grünen sind für die Anzeige gegen Unbekannt.

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