Hübner: "So eine Wut gab es bisher nicht"

Von Thorsten Gütling
Zum Beginn des Jahres blickt Landrat Hermann Hübner voraus auf das, was da kommt: Die Einführung der gelben Tonne und den Ausbau der Elektromobilität im Kreis. Einiges aus dem Jahr 2016 hängt aber noch nach. Zum Beispiel scharfe Kritik an Mitarbeitern des Landratsamtes und die Erkenntnis, dass in Diskussionen mit Fakten oft nicht mehr viel zu holen ist. Foto: Andreas Harbach Foto: red

„Ich brauche keine absolute Mehrheit", sagt Landrat Hermann Hübner (CSU) im Interview. Dass andere Gemeinden im Fichtegebirge neidisch auf Bischofsgrün blicken, könne er nachvollziehen und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bayreuth sei schon einmal einfacher gewesen. Im ersten Teil des Interviews, geht es aber um die Herausforderungen, die auf den Landkreis zukommen und wie der Landrat reagiert, wenn Fakten in Diskussionen plötzlich nicht mehr zählen.

 
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Herr Hübner, welche Themen werden den Landkreis 2017 beschäftigen?
Hermann Hübner: Es gibt zwei Arten von Themen, die geplanten und die überraschenden. Überraschende kamen bisher jedes Jahr. Bei den geplanten werden uns die Flüchtlinge beschäftigen. Auch wenn die Zahl um 30 Prozent von 542 im Landkreis auf jetzt 374 zurückgegangen ist. Jetzt sind Bleibeberechtigung, Wohnungssuche und Sprachelernen aktuelle Themen. Die Vermieter bekommen weniger Geld, statt 25 Euro je Flüchtling wird jetzt eher in Mietpreisen gerechnet. Chefsache ist das Thema Klimaschutz. Ich lege Wert darauf, dass wir in Sachen Elektromobilität vorwärts kommen. Es gibt Geld für Elektrofahrzeuge und Ladestationen, auch für die Gemeinden, weil wir in einem Bundesprogramm sind. Wir wollen auch selbst ein oder mehrere weitere Elektroautos anschaffen. Stolz sind wir darauf, dass wir durch unser Mitwirken mittlerweile 57 Prozent des im Landkreis verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen. Das sind 63.000 Drei-Personen-Haushalte. In Oberfranken sind es 28 Prozent, in Bayern 39 Prozent. Ein weiteres Thema wird die Einführung der gelben Tonne sein. Ziel ist es, die gelbe Tonne gebührenneutral einzuführen.

Ist das realistisch?
Hübner: Es wird nicht ausgeschlossen. Zumindest, wenn es nicht automatisch eine Wertstofftonne bedeutet. Was passiert mit Kindersandschaufeln, den sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen, die bisher in der Restmülltonne landen und in Schwandorf schön brennen? Aus Umweltsicht sollten die auch recycelt werden, aber wer kümmert sich darum? Die Dualen Systeme, die für Verpackungen zuständig sind, sagen: „Wir zahlen das nicht“. Wenn wir sie aus der Restmülltonne raus haben wollen, bräuchten wir eigentlich noch eine weitere Tonne. Das werden die Leute aber nicht mittragen. Aber eine gelbe Tonne nur für Verpackungen ist im Bereich des Realistischen, ohne dass wir die Müllgebühren anheben müssen.

Was sind die weiteren Projekte?
Hübner: Die Sanierung der Realschule II wird aufgrund der Zuschüsse durch den Staat wahrscheinlich erst 2018 beginnen. Über die Zweckverbände beraten wir außerdem, wann und wie wir die Seilbahn am Ochsenkopf erneuern. Aktuell ist es gelungen, den bayerischen Jugendring zur Förderung der Jugendstätte Haidenaab zu bewegen. Für Kreisstraßen haben wir dieses Jahr 4,3 Millionen Euro im Topf, im Radwegenetzausbau wollen wir in diesem Jahr vorankommen, zum Beispiel zwischen Waischenfeld und Doos, zwischen Weidenberg und Warmensteinach und zwischen Bayreuth und Döhlau.

Wofür braucht der Landkreis 2017 mehr Geld als im Vorjahr?
Hübner: Weiter steil nach oben gehen die Kosten im Bereich der Sozial- und der Jugendhilfe. Bei der Sozialhilfe steigen die Ausgaben um 1,5 Millionen auf 15 Millionen Euro. Weil der Bund jetzt aber deutlich mehr bezuschusst, zahlen wir trotz des Anstiegs eine halbe Millionen Euro weniger. Bei der Jugendhilfe rechnen wir mit fast 13 Millionen Euro und damit 300.000 Euro mehr als im Vorjahr. Allenvoran für Personal zur Betreuung von Kindern.

Lassen Sie uns mal zurückblicken. Postfaktisch ist das Wort des Jahres 2016. Es steht dafür, dass gefühlte Wahrheiten mehr zählen als Fakten. Spüren Sie das auch?
Hübner: Ja, in vielen Dingen. Nicht nur am Stammtisch, sondern auch in fachlichen Gremien, in Ausschüssen und Gemeinderäten.

Sie denken an Glashütten?
Hübner: Die Glashüttener haben sich selbst in eine Ecke gedrängt. Das habe ich Bürgermeister Kaniewski auch gesagt. Er hat dazu beigetragen. Mit einigem an Frust und was er von sich gibt, das steckt andere an. Und wenn er als Regierungsbeamter anderen erzählt, dass es die Straßenausbaubeitragssatzung nicht braucht, wider besseres Wissen, dann ist das schon verwunderlich. Es wird fast nur noch emotional diskutiert und nicht mehr mit Fakten. Und wir merken, dass man da nicht mehr mit Argumenten dagegen ankommt. Ich sage dann oft, es bringt nichts, dass wir uns da einschalten, weil Fakten gar nicht mehr aufgenommen werden. Beispiel Sparkasse: Der Frust und die Wut war da und das hat ausgereicht, eine Diskussion war sinnlos. Als Bedingung stand im Vordergrund, dass es alles so bleiben muss, wie es war, andernfalls brauchen wir gar nicht reden. Aber was mich mehr geärgert hat, ist, wenn meine Mitarbeiter unsachlich attackiert worden sind.

 

 

Zum Beispiel?
Hübner: Wenn ich miterlebe, wie ein Kämmerer mit Wut angegangen wird, weil er angeblich bei der Ermittlung der Ausgaben unsauber gearbeitet hat, so etwas gab es bisher eigentlich nicht.

Der Kritiker war in diesem Fall Kreisrat Hans Hümmer von den Freien Wählern.
Hübner: Der Pottensteiner Bürgermeister Stefan Frühbeißer war nicht weit weg davon und Edmund Pirkelmann (Foto) aus Waischenfeld auch nicht. Dessen Äußerungen haben mich besonders geärgert.

Ist der Grund nicht auch der, dass die Freien Wähler merken, dass sie im Kreis machen können, was sie wollen, und mit ihren Vorschlägen doch nie durchkommen?
Hübner: Es wurde immer wieder gesagt, dass Themen zwar behandelt, aber von einer Mehrheit dann anders entschieden wurden. Man muss das dann einfach akzeptieren. Ich habe den Eindruck, dass man Mehrheitsentscheidungen nicht mehr so einfach akzeptiert.

Man kann sich bei den meisten Abstimmungen im Kreistag eben vorher ausrechnen, wie sie ausgehen. Das muss deprimierend sein für einen oppositionellen Fraktionssprecher, der das jahrelang mitmacht.
Hübner: Das ist das politische Geschäft. Ich kenne noch Zeiten, als sich die Freien Wähler anders beholfen haben. Durch Zusammenarbeit und Vorschläge. Ich habe im Haushalt auch keine Mehrheit. Die CSU hat 20 Stimmen und ich brauche 30 zur Mehrheit. Also ist es doch ganz normal, dass ich schauen muss, wie ich eine Mehrheit bekomme. Hätten wir die absolute Mehrheit, könnte ich den Ärger noch verstehen, aber dann würde ich doch die Probleme nur in die Fraktion verlagern. Die CSU im bayerischen Landtag ist doch ein Beispiel dafür. Also ich brauche keine absolute Mehrheit, mir ist es lieber, ich muss die anderen überzeugen.

Das Gespräch führte Thorsten Gütling

Info: Das Interview mit Landrat Hermann Hübner wird in drei Teilen fortgesetzt. In den nächsten Teilen spricht der Landrat unter anderem darüber, wie er mit Kritik an seiner Person umgeht, wie es um die Zukunft des Fichtelgebirges bestellt ist und wie es mit der Bargeldversorgung auf dem Land weitergeht.

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