Klinikstreit: Sozialministerium soll Deal zwischen Stadt und DRV prüfen Stadt gibt Boden für einen Euro ab

Von Frank Schmälzle
Aus der Vogelperspektive: Rund um die Lohengrin-Therme ist genug Platz für eine neue Rehaklinik der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern. Das Gelände ist voll erschlossen und baureif. Aber: War die Stadt bei ihrem Grundstücksangebot zu großzügig? Das soll jetzt geprüft werden. Foto: Markus Künzel Foto: red

Die Stadt hat der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern im Standortwettbewerb mit Bischofsgrün um das Rehabilitationszentrum ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnte. Die DRV bekommt für den Neubau ein Grundstück an der Lohengrin-Therme. Wo sie es braucht, so groß sie es braucht. Und zu einem Vorzugspreis. Aber war das rechtens?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Hinter vorgehaltener Hand war der Deal in den vergangenen Wochen immer wieder Thema. Jetzt bestätigt es DRV-Nordbayern-Chef Werner Krempl in einem Schreiben an Anette Kramme, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Die Stadt überlässt der DRV ein Grundstück per Erbpacht für einen Euro pro Quadrameter und Jahr. "Dies ist ein günstiges Angebot", stellt Krempl in dem Schreiben, das dem Kurier vorliegt, fest. Und weiter: "Die DRV Nordbayern ist verpflichtet, mit Beitragsgeldern wirtschaftlich umzugehen. Hätten wir das Angebot der Stadt Bayreuth außer Acht gelassen, so wäre das mit der Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht vereinbar gewesen." Zu dem Angebotspaket der Stadt gehört neben dem Grundstück eine intensivere Zusammenarbeit der Rehaklinik mit dem Klinikum Bayreuth, der Lohengrin-Therme und den Stadtwerken. 

Bischofsgrüner Bürgermeister: "Ein unmoralisches Angebot"

Der Bischofsgrüner Bürgermeister Stephan Unglaub hatte die Offerte der Stadt bereits einmal ein "unmoralisches Angebot" genannt. Siegfried Hanzelka sieht das anders: "Das ist völlig legitim und keineswegs unanständig", sagt der Abteilungsleiter für Gesundheit und Teilhabe bei der DRV Nordbayern, zu dessen Verantwortungsbereich auch die acht Reha-Kliniken des Rentenversicherungsträgers in Nordbayern gehören. Die Stadt habe ein "berechtigtes vitales, städtebauliches Interesse", sagt Hanzelka. Sie wolle das Umfeld der Lohengrin-Therme beleben - ein Vorhaben, das seit Jahren auf der Agenda stehe, aber über die Absichtserklärung noch nicht hinausgekommen sei. Und die DRV müsse zuallererst die Interessen ihrer Versicherten im Auge haben. Dazu gehörten neben der Wirtschaftlichkeit eine gute Anbindung an Aktukrankenhäuser und die Möglichkeit, ganztägigen ambulanten Betrieb in der Rehaklinik anzubieten.

DRV braucht etwa 40.000 Quadratmeter

Einen Vertrag zwischen Stadt und DRV zu der Grundstücksüberlassung gibt es noch nicht. "Die Gespräche sind offen und partnerschaftlich", sagt Hanzelka. Die DRV, die sich von dem Umbau der bisherigen Klinik in Bayreuth verabschiedet hat, plane jetzt den Neubau. Wenn der Flächenbedarf feststeht, soll der passende Ort an der Lohengrin-Therme gefunden werden. Derzeit geht die DRV davon aus, dass sie etwa die Hälfte dessen braucht, was ihr an ihrem jetzigen Standort an der Herzoghöhe zur Verfügung steht. Das wären etwa 40000 Quadratmeter. Für den Rentenversicherungsträger ist es ein einfaches Rechenexempel: Wenn sie ihr Grundstück an der Herzoghöhe verkauft und das Angebot der Stadt annimmt, macht sie ein Geschäft.

Das steht in der Gemeindeordnung

Wenn es tatsächlich darum geht, wäre Bischofsgrün das bessere Geschäft, sagt Bürgermeister Stephan Unglaub. "Dann hätte die DRV ihr Bayreuther Grundstück verkaufen und in ihr eigene Klinik in Bischofsgrün investieren sollen." Ob der Ein-Euro-Deal zwischen Stadt Bayreuth und DRV Nordbayern rechtens ist? Die Frage stellt sich Unglaub auch, aber er will sie selbst nicht juristisch prüfen lassen. "Dazu sind unsere Beziehungen zu Bayreuth zu gut." Wenn andere dies tun, etwa das Bayerische Sozialministerium oder der Bundesrechnungshof, habe er nichts dagegen. "Das Ministerium ist ja über die Landtagsabgeordneten informiert."  Und in Paragraf 75 der Bayerischen Gemeindeordnung heißt es: "Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden."

Das genau sei der Paragraf, der zu prüfen wäre, sagt Thomas Wich, stellvertretender Pressesprecher der Regierung von Oberfranken. Wenn die Regierung, genauer die Abteilung für Kommunale Angelegenheiten,  denn "ein Schreiben, eine Beschwerde oder eine Anregung" hätte. Hat sie nicht. Also prüft sie nicht. Aber Wich sagt: Grundsätzlich müsse bei Verpachtungen der marktübliche Zins berechnet werden. Staatssekretärin Anette Kramme hat nach Angaben ihres Büros den Sachverhalt dem Bayerischen Sozialministerium mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt. Das Sozialministerium trifft die letzte Entscheidung, ob es zu einem Klinikneubau in Bayreuth kommt.

47 Fragen an die Entscheider

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Erbpacht-Vereinbarung ist eine von exakt 47, die Unglaub an die DRV gerichtet hat. Dass ihm DRV-Geschäftsführer Krempl in dem Schreiben an Kramme bescheinigt, er beschreite eher den Weg der Konfrontation als der Kooperation weist Unglaub zurück. Tatsächlich habe die DRV ein Gespräch darüber angeboten, wie die Höhenklinik nach Ablauf der Übergangsfrist von sieben bis acht Jahren weiter genutzt werden könne. Unglaub will jetzt aber nicht über eine Nachnutzung sprechen und sich damit der Entscheidung für Bayreuth und gegen Bischofsgrün fügen. Auf den Internetseiten der Gemeinde schaut Unglaub allerdings bereits voraus: "Wenn sich die DRV aus Bischofsgrün wirklich verabschiedet, muss in der Einrichtung weiter Betrieb stattfinden, Betrieb der uns Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung nachhaltig sichert. Es darf keinen, auch nur teilweisen oder zeitweisen Leerstand geben", schreibt Unglaub. "Die Mitarbeiter, der Ort und die Region haben es mehr als verdient, dass man für sie kämpft."

Hintergrund: So kam es zu der Entscheidung

Die Höhenklinik in Bischofsgrün wird geschlossen, in Bayreuth wird neben der Lohengrin-Therme für etwa 60 Millionen Euro ein Reha-Zentrum mit 300 Betten neu gebaut. Er soll etwa 2025 in Betrieb gehen. Das hat der Vorstand der DRV Nordbayern im März bekanntgegeben. Hauptgründe für die Entscheidung: die gute Lage in Bayreuth, die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sowie die Wirtschaftlichkeit einer neuen Klinik. Ein Neubau sei, so Vorstand Stephan Doll, sei sowohl wirtschaftlicher als auch längerfristig besser am Markt zu behaupten. Dies sei die bessere Lösung, als an der älteren Klinik in Bischofsgrün festzuhalten. Mit dieser Entscheidung ging nach fast einem Jahr das Tauziehen der beiden Reha-Standorte Bayreuth und Bischofsgrün zu Ende, in das sich auch die Politik eingemischt hatte. Der bayerische Landtag hatte sich einstimmig für den Erhalt beider Kliniken eingesetzt. Auslöser der Angelegenheit: Der Bundesrechnungshof hatte die Bettenzahl der DRV Nordbayern in ihren insgesamt acht Reha-Kliniken gerügt, die 400 über dem Soll liege. In der Reha-Klinik, die die DRV derzeit in Bayreuth betreibt, sind 181 Mitarbeiter beschäftigt.

Mehr dazu:

Höhenklinik Bischofsgrün wird geschlossen

Kliniken: Landtag will beide erhalten

Klinikstreit: Stadt bietet Grundstück an

Kreistag kämpft um die Höhenklinik

Kreis verärgert über Klinik-Pläne der Stadt

Klinik-Streit: Stadt bietet Grundstück an

Kommentar zum Thema

Stadt kämpft um Klinik Herzoghöhe

Klinik-Kampf trifft Rentenversicherung

Klinik-Landschaft: Bayreuth droht herber Schlag

Bilder