Stadthalle: 100.000 Euro für die Erben

Von Andrea Pauly
Stadthalle am 25.02.2016. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Es wird keine Klage gegen die große Sanierungslösung für die Stadthalle geben. Das ist das Ergebnis eines siebenstündigen Gesprächsmarathons zwischen der Stadt und den Erben des Architekten. Laut Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe ist diese Lösung "endgültig". Damit die Erben auf einen Rechtsstreit verzichten, zahlt die Stadt 100.000 Euro. 

 
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"Das Urheberrecht, das den Erben des Architekten Hans C. Reissinger zusteht, wird zu keinerlei Verzögerung beim Umbau und der Sanierung der Stadthalle führen", teilte die Oberbürgermeisterin am Montagmorgen mit. "Eine Klage der Erben wird es nicht geben."  Das sei das Ergebnis "mehrerer intensiv geführten Besprechungen" zwischen der Stadt und den Nachfahren. Die vom Stadtrat beschlossene Planung der Architekten Knerer & Lang könne umgesetzt werden. 

Anwalt der Stadt: "Äußerst günstig"

Diesen Kompromiss lassen sich die Erben bezahlen: 100.000 Euro beträgt der Ausgleich, den sie  erhalten. Diese Summe entspricht  0,18 Prozent der Baukosten von rund 55 Millionen Euro. "Äußerst günstig", sagt der Anwalt der Stadt, Thomas Mronz. Durch die gütliche Einigung habe die Stadt ein eventuelles kostenintensives gerichtliches Verfahren vermieden. Auch Brigitte Merk-Erbe zeigt sich erleichtert: „Es war immer meine Überzeugung, dass wir eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden sollten und vor allem auch vermeiden können."

Kein Prozess, aber eine Dokumentation

Im Einzelnen vereinbarten die Stadt und die Erbin des Architekten am Freitag Folgendes: Die Erben werden nicht gerichtlich gegen die Stadt vorgehen. Eine Dauerausstellung in der Stadthalle wird mit Fotos deren bauliche Entwicklung von den 1960er Jahren bis zum Stand nach Umbau und Sanierung zeigen. "Dabei geht es einzig und allein um eine Baudokumentation", heißt es in der Mitteilung der Stadt.

Über die Form entscheidet der Stadtrat

Ob und wie die Person des Architekten und seine Bezüge zum Nationalsozialismus in dieser Ausstellung thematisiert werden, ist noch offen. "Was eine eventuelle Problematisierung weiterer Thematiken anlangt, so bleibt dies selbstverständlich einer Entscheidung des Stadtrats vorbehalten", teilt die Stadt auf Nachfrage des Kuriers mit.

Mehr als sieben Stunden Gespräch

Das Gespräch mit der Erbin und ihren Rechtsanwälten am Freitag habe sich über mehr als sieben Stunden erstreckt, vor der Einigung gab es eine Besichtigung der Stadthalle. Für die Stadt nahmen daran neben der Oberbürgermeisterin Stadtdirektor Ulrich Pfeifer, Rechtsdirektorin Ruth Fichtner, Stadtbaudirektor Hans-Dieter Striedl sowie Anwalt Thomas Mronz teil. Die Stadt Bayreuth habe dabei ihre Auffassung bekräftigt, dass die Eigentümerrechte im Zweifel den Urheberrechten vorgehen, teilt die Stadt mit.

Merk-Erbe: Hindernis ausgeräumt

"Nach der Zusage zusätzlicher Fördermittel durch Finanzminister Dr. Markus Söder ist nun ein weiteres eventuell bestehendes Hindernis für den Fortgang der Sanierungsarbeiten ausgeräumt", sagte die Oberbürgermeisterin.

 

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Die Reaktionen

Stefan Specht, Fraktionschef der CSU, sieht in der Zahlung von 100.000 Euro eine "vertretbare Größenordnung". Sie sei zwar schmerzlich, im Verhältnis zu den Gesamtkosten aber verschwindend gering. Für ihn besteht Redebedarf über die Dokumentation. "Man muss im Sinne der historischen und architektonischen Redlichkeit sagen, dass es auch einen anderen Reissinger gab", kommentiert Specht. "Wir wissen, dass er nicht nur für die Ludwig-Siebert-Festhalle, sondern auch für das Gauforum Bayreuth verantwortlich zeichnete. Ich hielte es für sinnvoll, auch auf diesen Teil der Vergangenheit hinzuweisen." Dies solle aber nicht dazu führen, dass das Verhandlungspaket zwischen Stadt und Erben wieder aufgeschnürt werde.

Überraschung über finanzielle Auswirkung

Thomas Hacker, FDP-Fraktionsvorsitzender, nannte die Summe "einen durchaus nennenswerten Betrag". Er sei bisher davon ausgegangen, dass die Interessen der Erben "keine finanziellen sind, sondern sich auf die Architektur beziehen." Deshalb überrasche ihn die Zahlung. "Aber es ist gut, dass man die Planungssicherheit zurückgewinnt." Die Dokumentation, die ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen war, sei eine Auseinandersetzung mit der eigenen Historie, die von allen Seiten beleuchtet werden müsse. 

Lob für die Oberbürgermeisterin

Stephan Müller, Vorsitzender der BG-Fraktion, lobt die Oberbürgermeisterin und nennt die Einigung "hervorragend. Sie hat das Beste aus der Sache gemacht, das Ergebnis ist erheblich günstiger als ein Prozess." Gerade vor dem Hintergrund der "mehr als problematischen" Äußerungen des CSU- Stadtrates Michael Hohl, der dadurch erhebliche Verzögerungen befürchtet hatte, könne dieses Ergebnis nicht positiv genug eingeschätzt werden.Bei der Dokumentation fordert Müller gründliche Überlegungen: Wenn das Nachkriegswerk herausgerissen wird, "darf das dargestellt werden, aber eine Glorifizierung des Architekten darf nicht geschehen."

"Ruhe und Nerven bewahrt"

Lob gibt es auch von Sabine Steininger, Fraktionschefin der Grünen: "Ich gratuliere der Oberbürgermeisterin dazu, dass sie die Ruhe und die Nerven bewahrt hat und immer das Gespräch gesucht und Beharrlichkeit gezeigt hat." Die Zahlung von 100.000 Euro sei schmerzhaft, aber vertretbar "in Anbetracht dessen, dass wir einen Prozess und weitere Verzögerungen vermieden haben." Ihre Fraktion erhoffe sich für die Stadthalle eine "Abkehr vom Geist Reissingers". Eine Vorher-Nachher-Dokumentation sei legitim: "Das ist ein Haus mit besonderer Geschichte, die es aufzuarbeiten gilt."

"Noch offene Fragen"

Iris Jahn, Vorsitzende der Fraktion Junges Bayreuth, sieht "keinen riesengroßen Erfolg" in der Absprache. "Es ist ja schön, dass es jetzt erstmal weitergeht und ein Prozess aus der Welt geschafft ist. Aber da sind noch einige offene Fragen." Dass über die Form der Dokumentation der Stadtrat entscheiden soll, kritisiert Jahn: "Da muss auch mal die Verwaltungsspitze eine Meinung abgeben und nicht nur die Entscheidung an den Stadtrat weiterreichen. Ich erwarte, dass die Spitze mal sagt, was sie will." Sie fühle sich immer noch nicht ausreichend darüber informiert, wann Merk-Erbe wusste, dass das Urheberrecht zum Problem werden könnte. "Da fühle ich mich übergangen. Dass da noch etwas im Raum stehen könnte, ist eine wichtige Information. Sie hätte vielleicht manche Entscheidungen anders ausgehen lassen."

Problematik nicht unter den Teppich kehren

Thomas Bauske, SPD-Fraktionschef, nennt die 100.000 Euro "eine stolze Summe". Aber sie sei angebracht, "damit wir irgendwie vorwärtskommen". Die Stadt stehe mit dem Rücken zur Wand. "Jede Verzögerung ist kontraproduktiv." Deshalb müsse man die Zahlung schlucken. "Gefallen tut's mir trotzdem nicht." Bei der Dokumentation dürfe keine "Beweihräucherung" des Architekten erfolgen. "Durch das, was er im Dritten Reich gebaut hat, ist eine Problematik vorhanden. Das werden wir nicht unter den Teppich kehren."

Hier geht es zur Mitteilung der Stadt.

 

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