Erster Flüchtling studiert in Bayreuth

Von Norbert Heimbeck
Der Syrer Nasser Alshikh kam vor zwei Jahren nach Oberfranken, jetzt beginnt er ein Studium an der Universität Bayreuth. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Er hat viel Hilfe erfahren und ist nun selbst zum Helfer geworden: Nasser Alshikh (31) ist vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen, hat an der Universität Bayreuth einen Deutsch- und Integrationskurs gemacht und fängt nun als erster Flüchtling in Bayreuth ein Studium an. Wenn er nicht für die Uni lernt, hilft er anderen Flüchtlingen bei den Behörden.

 
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Am 3. Oktober ist er 31 Jahre alt geworden: "Am Einheitsfeiertag", sagt Nasser Alshikh und strahlt dabei. Er hat nicht nur die deutsche Sprache gelernt, seit er nach Oberfranken gekommen ist. In dem Kurs an der Universität haben die Flüchtlinge auch viele Informationen über ihre neue Heimat bekommen. Exkursionen haben sie zum Beispiel zur Landesgartenschau und nach Sanssouci geführt, zum NS-Dokumentationszentrum in Nürnberg und nach Dresden. "Das ist eine schöne Stadt, außer montags," sagt der Syrer. Er sei gegen jede Art von extremer Politik. Den beiden syrischen Flüchtlingen, die jetzt in Chemnitz einen Terrorverdächtigen gefasst haben, "drücke ich die Daumen. Ich verstehe nicht, warum einer so etwas macht. Das hat schlimme Auswirkungen auf alle Flüchtlinge." Nach dem Angriff von Ansbach hat er selbst per Facebook eine Nachricht bekommen, die lautete "Geh' wieder nach Syrien zurück!" Angst hat er deswegen nicht.

Aber zurück kann er auch nicht. Der inzwischen als Asylbewerber offiziell anerkannte Nasser Alshikh ist sunnitischer Muslim und stammt aus der Gegend um Damaskus: "Das ist ein Gebiet, in dem viel gekämpft wurde." Über Ägypten, das Meer und Italien verließ er 2014 seine Heimat. Er wurde zunächst in Eckersdorf in einer Asylbewerber-Unterkunft untergebacht und lebt jetzt in Bayreuth. Daheim hatte er Politikwissenschaften studiert und im Marketing gearbeitet. Nach dem Sprachkurs an der Uni will er jetzt Medienkultur und -wirtschaft studieren. Diese Kurse sind begehrt, sagt Helene Steigertahl, Flüchtlingsbeauftragte der Uni Bayreuth. Manche der Teilnehmer nehmen sogar zwei Stunden Fahrt am Tag auf sich, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Und das ist zugleich ein Problem, sagt Uni-Pressesprecherin Tanja Heinlein: "Die Fahrtkosten für die Flüchtlinge müssen bezahlt werden. Die Hochschulleitung hatte im Herbst 2015 zu Spenden aufgerufen, was überaus erfolgreich war. Innerhalb von gut drei Monaten waren mehr als 30 000 Euro auf dem Spendenkonto des Universitätsvereins eingegangen." Die Teilnehmer an den Kursen sind hoch motiviert. Jeweils zwei Unterrichtseinheiten am Vor- und am Nachmittag bilden die Theorie, zu den Exkursionen kommen noch weitere Punkte, die den Migranten helfen sollen, sich in Deutschland zurecht zu finden. In Nassers Kurs waren elf Flüchtlinge. Einer muss noch die Sprachprüfung machen, ehe er ebenfalls studieren darf. Einer hat eine Ausbildung im Hotelbereich begonnen. Eine Teilnehmerin hat sich um einen Studienplatz in Psychologie in Bamberg beworben, weil es den in Bayreuth nicht gibt. Bei zweien fehlen Papiere und bei einigen anderen hat es mit der Bewerbung um einen Studienplatz einfach nicht geklappt.

Für die aktuellen Kurse im neuen Semester sind 64 Flüchtlinge eingeschrieben, eine Warteliste existiert. Nasser Alshikh sagt: "Die Sprache ist der Schlüssel. Wenn man die Spache beherrscht, ist alles andere einfacher." Und weil er selbst jetzt das Deutsche gut beherrscht, möchte er anderen Flüchtlingen helfen: "Ich will hier nicht nur etwas für mich erreichen, ich möchte auch für andere etwas tun." Deshalb dolmetscht er für andere Flüchtlinge und unterstützt sie bei Behördengängen. Dabei arbeitet er mit dem städtischen Ehrenamtskoordinator Ikebun Koussumou zusammen. Die deutsche Bürokratie hat er auf seinem Weg zum Studium hinlänglich erlebt: "Aber anders als in Syrien bekommt man irgendwann mal eine Antwort, egal ob positiv der negativ. Bei uns schreibst Du einen Brief ans Amt und nichts passiert."

Im Gepräch mit dem Kurier zeigt sich Alshikh bestens informiert über die aktuelle politische Lage in Deutschland. Er verweist mehrmals auf die "heute-Show", eine Satiresendung des ZDF und zitiert am Ende sogar den bayerischen Ministerpräsidenten: "Für Horst Seehofer ist Bayern ein Stück vom Himmel. Für mich ist Bayreuth ein Stück vom Himmel."

Info: Unter dem Stichwort "Refugees welcome" gibt es im Wintersemester 2016/17 wieder Sprachkurse für Geflüchtete an der Universität Bayreuth. Außerdem wird das vom Studentenparlament initiierte Buddy-Programm fortgeführt, bei dem einheimische Studenten Partnerschaften für Migranten übernommen haben. Ansprechpartnerin ist Helene Steigertahl.

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