Warum der Schuldspruch von Hof längst nicht das Ende des Wirtschaftskrimis um die verschwundenen NKD-Millionen ist Das NKD-Urteil: Sechs Jahre Haft und eine Ohrfeige

Von Manfred Scherer
Nach über 13 Monaten Prozessdauer ist am 28. April 2015 das Urteil im Verfahren um die verschwundenen NKD-Millionen ergangen.Foto: Archiv Foto: red

13 Monate Verfahrensdauer, 61 Prozesstage: Sechs Jahre verhängt das Landgericht in Hof gegen Ex-NKD-Chef Michael Krause und spricht ihn der Untreue schuldig. Schuldig, mit einem erfundenen Geschäft 3,7 Millionen Euro aus der NKD herausgeschleust und sich sogar persönlich bereichert zu haben. Ganz am Ende gibt es eine verbale Ohrfeige für die  Verteidiger. Das Urteil ist längst nicht das Ende des Wirtschaftskrimis um die NKD-Millionen.

 
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Entschieden wird die Schuldfrage nämlich nicht in Hof, sondern in Karlsruhe - beim Bundesgerichtshof: Dort werden die Verteidiger von Krause, die in ihrem Abschlussplädoyer Freispruch beantragt hatten, in Revision gehen. Das Verschwinden der 3,7 Millionen Euro von Konten einer Auslandstochter der NKD zieht zudem zwei weitere Prozesse nach sich: In Bayreuth klagt die NKD gegen Krause vor einem Zivilgericht auf Schadenersatz in Höhe von 3,7 Millionen. Und in Hof steht der Ex-Manager ab kommenden Montag vor dem Schwurgericht: Während des Untreueverfahrens soll der 38-jährige Krause die Entführung und Ermordung des Vorsitzenden Richters der für den Untreueprozess zuständigen 3. Wirtschaftsstrafkammer geplant haben. Das angebliche Komplott zur Freipressung von Krause flog auf.

"3,7 Millionen sind kein Pappenstiel"

Das mögliche Entführungsopfer Siegbert Übelmesser las in der Urteilsbegründung im Untreueverfahren dem ehemaligen Nachwuchsstar der deutschen Managergilde die Leviten: Krause habe in der NKD eine von ihm erfundene und konstruierte Legende von einem Geheimgeschäft angewendet, um die 3,7 Millionen aus dem Unternehmen hinauszuschleusen: "3,7 Millionen sind kein Pappenstiel".  Krause habe das Geld in einem Konstrukt von Scheinfirmen versickern lassen. Mindestens 600 000 Euro der vereuntreuten Millionen seien beim Angeklagten direkt gelandet. 1,2 Millionen wurden für den Kauf einer Villa in Berlin aufgewendet. Der Kauf der Immobilie sei aber rückabgewickelt worden, nachdem Krause NKD-intern wegen des Geldabflusses unter Druck geriet.

Die 3,7 Millionen waren im Jahr 2012 erst von NKD-Konten auf die einer Auslandstochter in Hongkong und von dort an eine im Frühjahr 2012 gegründete Beratungsfirma in Zypern gegangen. Hinter der Beratungsfirma steckte ein Freund Krauses.

Unplausible Schutzbehauptungen und Kassiber aus dem Knast

Die Verteidigungsstrategie des Managers bezeichnete die Strafkammer als Schutzbehauptung. Krause hatte im Untreueverfahren stets darauf beharrt, mit den 3,7 Millionen Euro seien geheime Hersteller-, Preis- und Kosteninformationen eingekauft worden. Laut Richter Übelmesser sei kein Beweis gefunden worden, dass die von Krause behaupteten Gegenleistungen je existiert haben: "Kein Zeuge hat derartige Listen je gesehen." Krauses Bericht, wie er höchstpersönlich mit einem unbekannten Informationsbeschaffer via Skype kommuniziert und  nächtelang Daten ausgetauscht haben will, sei für sich genommen "unplausibel". Krause hatte aus dem Gefängnis heraus einen Kassiber schmuggeln lassen, in dem er einer anderen Person die Rolle des Verbindungsmanns zuschob. Dieser Umstand spreche als Indiz negativen Nachtatverhaltens gegen die "Legende" des Angeklagten. In dem Kassiber sei zudem deutlich geworden, dass der ehemalige NKD-Chef versuchen wollte, Zeugen zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Absage an ein Konzern-internes Komplott

Auch an das von Krause behauptete NKD-interne Komplott glaubte die Strafkammer nicht: Die Geschäftsführerin der NKD-Auslandstochter in Hongkong sei ein erhebliches persönliches Risiko eingegangen, als sie sich wegen der Geldtransfers nach Zypern Anfang Dezember  2012 an den damaligen NKD-Eigentümer Claas Daun wandte. Tatsächlich seien nach diesem Zeitpunkt im Unternehmen Listen aufgetaucht, die die von Krause behauptete Gegenleistung für die 3,7 Millionen Euro hätten sein können, aber: Diese Unterlagen waren im Nachhinein erstellt, genau wie jene, die die Krause-Verteidigung während des Prozesses vorgelegt hatte.

Ein Mann, der seinen Willen durchsetzt

Der Geldabfluss ging nach Überzeugung der Richter auf eine Anweisung des Geschäftsführers zurück. Die Behauptung des Angeklagten, er habe der Geschäftsführerin der Auslandstochter in Hongkong freigestellt zu zahlen, sei widerlegt: Krause sei ein Mann, der seinen Willen durchzusetzen vermocht habe. Die Strafkammer sprach Krause deshalb der Untreue schuldig.

Das Gericht attestiert dem Angeklagten einen "krassen Absturz"

Das wesentliche, rechtliche Argument der Verteidigung, ein für den Tatbestand der Untreue notwendiger Schaden bei der NKD liege nicht vor, zieht in den Augen der Wirtschaftsstrafkammer nicht: Die Auslandstochter in Hongkong sei eine wirtschaftlich abhängige, nahezu hundertprozentige Tochter der NKD gewesen. Die Verrechnung der 3,7 Millionen auf Provisionsforderungen der Auslandstochter könne nicht mit Verbindlichkeiten gegen Dritte verglichen werden: Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei das Konto der NKD vermindert worden, um die Scheinrechnungen aus Zypern zu bezahlen. Somit liege der Schaden bei der NKD.

Übelmesser attestierte dem seit 11. Juli 2013 in Untersuchungshaft sitzenden Krause einen "krassen Absturz vom erfolgreichen Manager auf die Anklagebank".

Die Ohrfeige kommt ganz am Schluss

Die Strafkammer ordnete an, aus Krauses im Zivilverfahren beschlagnahmten Vermögen von rund 4 Millionen Euro 150 000 Euro für die Staatskasse einzubehalten - so sollen die Verfahrenskosten des Prozesses bezahlt werden. Über den von zahlreichen juristischen Grabenkämpfen, Schuldvorwürfen und vier Befangenheitsanträgen geprägten Prozess sagte Übelmesser: "Das war ein ungewöhnlicher Prozess, geprägt von dysfunktionalem Verteidigerverhalten. Mir persönlich bleibt nur der Dank an die ehrenamtlichen Richter, dass sie das durchgehalten haben."

Der Prozess gegen den ehemaligen NKD-Manager ist einer der größten Wirtschaftsprozesse der Region. Seit März 2014 wurde verhandelt – nachlesen können Sie den Verlauf im Dossier auf unserer Website.

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