Untreueprozess: 3,7 Millionen Euro für „Sonderwissen“ Spionage für NKD in Asiens Fabriken

Von Manfred Scherer
Die Textilartikel in den geschäften des Bindlacher Discounters NKD stammen vielfach aus Asien. Dort will der wegen Untreue angeklagte Ex-Geschäftsführer Michael Krause mit Hilfe von Industriespionage die Preise gedrückt haben. Das Archivfoto stammt von der Eröffnung der NKD-Filiale in Heinersreuth am 25.03.2013. Foto: Wittek Foto: red

In den Textilfabriken Asiens werden – nach hiesigen Maßstäben – Hungerlöhne gezahlt. Den Arbeitern von NKD-Lieferanten ging es im Jahr 2013 vermutlich noch schlechter, denn: Der damalige NKD-Chef Michael Krause griff zum Mittel der Industriespionage, um die Gewinnmarge der Lieferanten an die Schmerzgrenze zu „quetschen“. Für das „Sonderwissen“ über diese Schmerzgrenze soll der Spion 3,7 Millionen Euro bekommen haben. Das erklärte der wegen Untreue angeklagte Krause am Donnerstag zu seiner Verteidigung im NKD-Prozess in Hof.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wie berichtet, hält die Staatsanwaltschaft den Geldfluss für ein Verbrechen und hat den 37-jährigen ehemaligen Geschäftsführer Krause sowie den damaligen kaufmännischen Leiter Uwe K. wegen schwerer Untreue angeklagt. Die 3,7 Millionen flossen im Jahr 2012 in vier Tranchen vom NKD-Konto über eine Firmentochter in Hongkong an eine Beratungsgesellschaft mit Sitz in Zypern. Chef der Beratungsfirma namens Zarando ist ein Jugendfreund von Krause, ein Michael J.

Seit die Ermittlungen im Frühjahr 2013 durch eine anonyme Anzeige ins Rollen kamen, jagt die Staatsanwaltschaft hinter den 3,7 Millionen her. Als Folge der möglichen Untreue wurden auch Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche eingeleitet, unter anderen gegen Krauses Hauptverteidiger Volker Beermann, aber auch gegen einen der reichsten Männer Deutschlands, einen Milliardär und väterlichen Freund Krauses. Der hatte nach Krauses Verhaftung eine sechsstellige Kaution vorgestreckt, das Geld wurde aber sehr zum Unmut Krauses in seiner Villa in Potsdam beschlagnahmt.

Am zehnten Prozesstag am Donnerstag erläuterte Krause, dass es aus seiner Sicht kein kriminelles Geheimnis um die 3,7 Millionen gebe, sondern nur ein vertraglich zugesichertes. Das „Sonderwissen“ über die Kalkulation der Hersteller war geheim: „Dieses Wissen ist gefährlich, sie klauen den Herstellern ihren Gewinn“. Krause will seine Unterlagen über die Spionage vernichtet haben. Einen Beweis für die Aktion glaubt Krause nicht zu brauchen: „Der Erfolg gibt mir recht.“ Die NKD habe mit dem „Sonderwissen“ den Ertrag um rund 37 Millionen gesteigert.

Krause hatte am Vortag geschildert, wie er mit firmeninternen Kostensenkungen gegen eine 70 bis 80 Millionen Euro-Ergebnislücke ankämpfte und rund 55 Millionen eingespart habe. Der Patient NKD war seiner Ansicht nach aber bei weitem nicht über den Berg: „Da habe ich mich zu diesem letzten verbliebenen Hebel entschlossen.“ Krause betonte, er habe fehlendes Kostenwissen immer als großes NKD-Manko angemahnt und auch den Firmeninhaber Claas Daun entgegen dessen Behauptungen stets detailliert über den Kauf des „Sonderwissens“ unterrichtet. Als Daun beim dem Thema später „Anflüge von Alzheimer“ zeigte, will Krause geschockt gewesen sein.

Krause sagte: „Das, was wir brauchten, können nur ganz wenige Menschen auf der Welt beschaffen.“ Er will während seiner Karriere einige wenige derartige Kontakte geknüpft haben. Er habe dort die Auskunft erhalten: Die Beschaffung sei möglich. Es sei um technische Unterlagen gegangen, um Maschinentypen in den Herstellerfabriken, um Materialqualität und -sorten, um Herstellungszeiten, um Standorte der Fabriken und viele andere Kriterien. Diese Kriterien musste der Spion auf die aufwendigen technischen Beschreibungen der vielen Hundert Artikel aus dem NKD-Sortiment anwenden. Der Austausch der Informationen lief wie in einem Agentenfilm: Krause erhielt zwei Internetadressen des Spions und schickte ihm die technischen Daten der NKD-Artikel. Auf dem gleichen Weg erhielt Krause Preis- und Kalkulationstabellen, mit denen er die Spanne bis zur Schmerzgrenze der Hersteller berechnete. Die NKD-Einkäufer bekamen für die Preisverhandlungen die Maßgabe „20 Prozent Abschlag vom bisherigen Einkaufspreis ist möglich, unter 15 Prozent geht nichts.“

Krause sagte, er habe für die Abwicklung der Aktion seinen Jugendfreund Michael J. als „Vertrauensperson“ eingesetzt. Die Aktion „Sonderwissen“ lief über die in Hongkong sitzende NKD-Tochter Sunfortune. Der Grund laut Krause: Sunfortune sollte Basis für eine große Einkaufsplattform der NKD in Asien werden – bestimmte Hersteller habe man auch mit der Aussicht zum Gewinnverzicht gelockt, für diese Plattform Premiumlieferant zu werden. Der Prozess wird im Juni fortgesetzt.

Bilder