Schweinezüchter unter Druck

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Für oberfränkische Verhältnisse ist ein Mastbetrieb mit 1000 Schweinen schon groß. Das ist meilenweit entfernt von den Betriebsgrößen in Niedersachsen (wo dieses Bild entstand) . Dort werden Tausende von Schweinen in Großbetrieben für die Fleischproduktion gezüchtet und gemästet. Foto: Ingo Wagner/dpa Foto: red

Der Tod von 500 Schweinen in einem Mastbetrieb in Himmelkron erschüttert. Doch lautwerdende Vorwürfe gegen Massentierhaltung weisen Fachleute zurück. „Wer beim Discounter Billigst-Fleisch kauft, darf den Landwirten keine Vorwürfe machen“, sagt Guido Winter, Chef des Amts für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in Kulmbach.

 
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Die Nachricht von der technischen Panne in dem Schweinemastbetrieb löste eine Welle von Reaktionen in den sozialen Netzwerken aus. Tiere würden nur noch als Ware betrachtet, die Billig-Fleisch liefern sollen, lautet einer der Vorwürfe. Andere fragen sich: Warum hat es keine Fenster gegeben? Warum sind so viele Tiere in einem Raum eingezwängt worden? Warum werden sie nicht im Freien gehalten?

Kein Zurück zur Hüttenhaltung

Das sind grundsätzliche Fragen, die mit dem Unfall nur bedingt zu tun haben. So sieht es jedenfalls Thomas Schwarzmann vom Fleischerzeugerring Oberfranken. „Wir können nicht zur Hüttenhaltung zurückkehren.“ Der Himmelkroner Hof, auf dem 500 Schweine starben, sei „ein gut geführter Betrieb“ und einer der größten in Oberfranken.

Ein Schwein erlöst 20 Euro

Pro Schwein verdiene ein Bauer im Durchschnitt 15 bis 20 Euro. Davon sind die Kosten für die Arbeit und den Stall noch abzuziehen. „Ein Tier kostet pro Quadratmeter 700 Euro“, sagt Schwarzmann. Im Jahr könne der Bauer auf einem Platz im Schnitt 2,5 Schweine erzeugen. Damit verdient er im Höchstfall 50 Euro. Die komplette betriebswirtschaftliche Kalkulation ist aber noch viel komplizierter. „Wenn der Markt übersättigt ist, sinken die Preise“, erklärt Schwarzmann. „Außerdem sind die Konzeren niedrige Preise gewöhnt.“ Für ein Kilo Schweinefleisch würden aktuell 1,52 Euro gezahlt. Vor vier Wochen seien es noch 1,75 Euro gewesen. „In vier Wochen ist der Preis um 20 Cent verfallen.“ Die Ausgaben und die Betriebsstruktur bleiben allerdings gleich.

Größte Mastbetriebe sitzen im Norden

Theoretisch hätte ein Ausfall der Belüftungsanlage auch in einem kleineren Betrieb passieren können. „Tatsache ist, je größer der Stall und die Anzahl der Tiere, desto höher ist der Sauerstoffverbrauch.“ Ein oberfränkischer Mastbetrieb durchschnittlicher Größe halte 350 bis 400 Schweine. Selbst 1000 Schweine sind aber im Vergleich zu den Ställen in Norddeutschland und Niederbayern noch wenig: Dort werden Schwarzmann zufolge 5000- 10.000 Schweine von einem Betreiber gehalten.

Zwangsbelüftung ist Pflicht

Das Emmissionsschutzgesetz schreibt für Großställe Abluftreinigungsanlagen vor. Die Zwangsbelüftung der Ställe sei Pflicht. Die verbrauchte Luft werde abgesaugt und frische Zuluft angesaugt und verteilt. Wenn der Endlüfter ausfalle, bleibe die verbrauchte Luft stehen. Der Sauerstoffgehalt werde immer weniger, der Ammoniak-Anteil steige. „Üblicherweise sichern Sicherheitsmechanismen mehrfach ab, dass das nicht passiert“, sagt Schwarzmann. „Dass die Technik nicht hundertprozentig funktioniert, erleben wir selten.“ Sie sei erprobt und normalerweise sicher. Dass außerdem die Alarmierung ausgefiel, sei ungewöhnlich. In der Regel bekomme der Landwirt eine Nachricht auf sein Handy, wenn etwas nicht stimme. Warum die Ventilation und der Alarm in dem Himmelkroner Mastbetrieb gleichzeitig versagten, soll jetzt ein Gutachten klären.

Preise unterliegen starken Schwankungen

Grundsätzlich spielt die Schweinemast im Landkreis Kulmbach eher eine untergeordnete Rolle. Dort halten 19 Betriebe über 100 Schweine, im Durchschnitt sind es 280, 6700 Mastschweine ingesamt. „Für unsere Verhältnisse ist der betroffene Stall ein relativ großer“, sagt der Kulmbacher ALEF-Leiter. Aber selbst 800 Schweine seien fast zu wenig, um die Existenz eines Betriebes zu sichern. „Die Preissituation ist zwar wieder etwas besser, trotzdem unterliegt sie starken Schwankungen.“

Wegen des Preisdrucks durch die Discounter seien Landwirte gezwungen, billig zu produzieren. Selbstverständlich seien kleinere Einheiten denkbar, aber die Produktionskosten seien dann höher. „Es kommt immer darauf an, was die Leute bereit sind, für ihr Essen auszugeben.“

Schweine sind anspruchsvoll und stressanfällig

Schweine gelten als relativ anspruchsvolle Tiere, was Temperatur und Luft angehe. Nach oben offene Buchten, ein bestimmter Tageslichtanteil, das sei alles in der Nutztierverordnung vorgeschrieben. Schweine seien zwar stressanfällig, doch in dem Fall des Unglücks dürften sie umgefallen und eingeschlafen sein, so Winter. Dass sie im Schlaf erstickt sind, dürften sie nicht gespürt haben.

Diese Einschätzung traf auch Veterinär Andreas Koller vom Kulmbacher Landratsamt. Das Ergebnis des Gutachtens, das Sachverständige am Freitag erstellten, liege noch nicht vor, sagte Koller auf Anfrage. Die 500 toten Schweine, die am Mittwochmorgen gefunden worden waren, wurden inzwischen alle in Walsdorf entsorgt. „Der Lkw-Ladungen waren für den Transport notwendig“, sagt Koller. Das Gesamtgewicht habe bei etwas weniger als 50 Tonnen gelegen. Die Betreiberfamilie lehnte eine Stellungnahme zu dem Tierdrama ab.

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