Urteil im Verwaltungsgericht: Der Landkreis interpretiert die Geschäftsordnung falsch Gericht: Rechtswidrigkeit im Kreistag

Von Thorsten Gütling
Kreisrat Hans Hümmer hat geklagt und das Verwaltungsgericht Bayreuth entschieden: Der Landkreis hat seine Geschäftsordnung falsch angewendet. Archivfoto: Daniel Karmann dpa/lby Foto: red

Dass der Landkreis seine Geschäftsordnung nicht richtig lesen kann, hat ihm heuer möglicherweise mehr Geld beschert.

 
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Kreisrat Hans Hümmer (Freie Wähler) aus Trockau hat gegen den Landkreis geklagt. Weil Landrat Hermann Hübner (CSU) einen seiner Anträge weder im Kreisausschuss noch im Kreistag zur Abstimmung gestellt hat. Und weil der Landrat damit verhindert habe, dass die Gemeinden in diesem Jahr weniger Geld an den Landkreis überweisen müssen. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat jetzt einen Beschluss des Kreistages als rechtswidrig eingestuft – und Hümmer damit Recht gegeben.

Die Vorgeschichte:

Im Januar stellte der Kämmerer des Landkreises, Horst Hager, den Fraktionen des Kreistages seinen Haushaltsentwurf vor. Schon damals sah der Vorschlag der Verwaltung die Absenkung der sogenannten Kreisumlage, also des Betrages, den die Gemeinden an den Landkreis überweisen müssen, um einen Prozentpunkt auf 45 Prozent vor.

Einen Monat später, beriet der Kreisausschuss über den Haushalt. Während der Sitzung stellte der Fraktionssprecher der Freien Wähler, Hans Hümmer, seinen Antrag auf Absenkung der Umlage auf 43,7 Prozent. Zeitgleich stellt die SPD einen Antrag auf Absenkung der Umlage auf 44 Prozent und die CSU auf Beibehaltung des Verwaltungsvorschlags. Landrat Hermann Hübner (CSU) bezeichnet den Antrag der CSU als den weitestgehenden, verweist auf die Geschäftsordnung, und stellt ihn zuerst zur Abstimmung. Der Kreisausschuss stimmt mit sieben zu sechs Stimmen dafür. Die Anträge von Hümmer und Stephan Unglaub (SPD) werden nicht abgestimmt.

Wenige Tage später im Kreistag das gleiche Spiel. Wieder verweist Hübner auf die Geschäftsordnung, wonach die Empfehlung des Kreisausschusses vor weiteren Anträgen abgestimmt werden müsse. Die Mitglieder des Kreistags nehmen die Empfehlung des Kreisausschusses mit 30 zu 23 Stimmen an und die Kreisumlage wird auf 45 Prozent festgesetzt. Weil sein Antrag wieder nicht zur Abstimmung kommt, fühlt sich Hümmer in seinem Antragsrecht verletzt. Die Regierung von Oberfranken weist seine Beschwerde noch als unbegründet zurück. Der Präsident des Verwaltungsgerichts, Thomas Boese sieht das anders.

Das Urteil:

„Die Beschlussfassung im Kreistag ist fehlerhaft“, sagt der Präsident des Verwaltungsgerichts, Thomas Boese. Denn der Kreistag habe über eine Empfehlung abgestimmt, die zuvor schon im Kreisausschuss unter rechtswidrigen Umständen zustande gekommen sei. Boese und die vier anderen Richter der fünften Kammer sind der Überzeugung, dass der weitestgehende Antrag der von Hümmer war.

Die Begründung:

Boese zitiert die Geschäftsordnung, die für den Kreistag und den Kreisausschuss gleichermaßen gilt. Darin heißt es: Weitergehende Anträge sind die, die „einen größeren Aufwand oder eine stärker einschneidende Maßnahme zum Gegenstand haben“. Die Auffassung von Regierungsdirektorin Ingrid Gleißner-Klein, die den Landkreis gemeinsam mit Kämmerer Horst Hager vertritt, teilt Boese nicht. Gleißner-Klein sagt vor Gericht: In der Geschäftsordnung stehe schließlich nicht, für wen die Maßnahme die stärker einschneidende sein müsse. Der Landkreis habe das auf die Gemeinden bezogen, die bei einer Kreisumlage von 45 Prozent mehr zahlen müssten als bei einer Umlage von 43,7 Prozent. Gleißner-Klein sagt außerdem, Hümmer hätte schon früher die Empfehlung des Kreisausschusses angreifen müssen und nicht warten dürfen, bis der Kreistag auf dessen Grundlage einen Beschluss fasst.

Volker Hampel, Hümmers Rechtsanwalt, bezweifelt, dass eine Empfehlung, bevor sie vollzogen ist, überhaupt angegriffen werden kann. Und Richter Boese sagt: „Das hier ist kein Verwaltungsakt.“ Und die Geschäftsordnung müsste selbstverständlich aus Sicht des Landkreises und nicht aus Sicht der Gemeinden verstanden werden. Und Boese sagt auch: „Wir haben ein ganz grundlegendes Problem mit der Vorgehensweise. Weil über den Antrag des Klägers nie abgestimmt worden ist.“

Die Folge:

Grundsätzlich hätte das Gericht mit seinem Urteil den Haushalt des Landkreises kassieren können. Gleich zu Beginn der Verhandlung machte Hümmer aber klar, dass das nicht sein Ziel sei. Rechtsanwalt Hampel sagt: „Das ist realistisch nicht durchführbar.“ Es genüge die Feststellung eines Fehlers und die Klärung der Vorgehensweise für die Zukunft. Dass das Gericht den Haushalt des Kreises kassiert, fordert Hümmer auch deshalb nicht, weil der Kreistag im Dezember beschlossen hat, die Gemeinden im nächsten Jahr um mindestens 2,5 Millionen Euro zu entlasten.

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