Generalbundesanwalt ermittelt zu Attentat

Die Glasscheibe eines Schaukastens eines Fotostudios in der Altstadt von Ansbach ging bei dem Anschlag kaputt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: red

Ein Rucksackbomber in Ansbach schockt Deutschland. Es spricht viel dafür, dass der 27-jährige Flüchtling aus Syrien ein Islamist war. Der Generalbundesanwalt untersucht nun, ob der Attentäter im Auftrag der Terrormiliz IS handelte.

 
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Das Bombenattentat in Ansbach war nach Erkenntnissen der Behörden der lange befürchtete erste islamistische Selbstmordanschlag in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft prüft den Verdacht, dass der 27-jährige Täter aus Syrien Mitglied in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war. Einen radikal-islamischen Hintergrund der Bluttat mit 15 Verletzten in der fränkischen Stadt sieht auch die Landesregierung in München. Es sei ein Bekennervideo auf dem Handy des Flüchtlings gefunden worden, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag.

Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen - unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Das IS-Sprachrohr Amak behauptete, der Attentäter sei «Soldat des Islamischen Staates».

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich am Nachmittag allerdings vorsichtiger: «Ein Bezug zum internationalen Terrorismus des sogenannten Islamischen Staates ist aus meiner Sicht ebenso wenig auszuschließen wie das Vorliegen einer besonderen Labilität dieser Persönlichkeit oder eine Kombination von beidem.»

Minister: Flüchtline sind "weder Heilige noch Sünder"

Es war die dritte Bluttat in Bayern innerhalb einer Woche. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nannte die Sicherheitslage «ernst und bedrohlich». Es helfe nicht, an der Realität vorbei zu diskutieren, sagte er dem «Münchner Merkur». «Bei uns leben viele Flüchtlinge, die ein schweres Schicksal haben und denen wir helfen sollten. Aber unter ihnen gibt es leider Menschen mit einem erschreckenden Gewaltpotenzial.»

De Maizière sagte, er verstehe Sorgen der Bevölkerung. Er mahnte zugleich Besonnenheit an und warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. «Wir wissen, dass Flüchtlinge weder Heilige noch Sünder sind», sagte der Minister am Montagabend im ZDF. Man könne nicht sagen, dass von ihnen eine besondere hohe Gefahr ausgehe. Er empfehle den Bürgern deshalb, Flüchtlingen freundlich, aufgeschlossen, nicht misstrauend, aber auch nicht naiv gegenüberzutreten. Es gebe zwar Verunsicherung. Aber: «Ich kann nicht erkennen, dass unsere deutsche Bevölkerung voller Angst ist.»

Kontakt zum IS?

Herrmann sagte zu einem Bekennervideo des 27-jährigen Flüchtlings aus Aleppo: ‎«Die Polizei hat bei der Auswertung der Handys, die bei dem Täter gefunden worden sind, unter ‎anderem eine Videoaufnahme entdeckt, in der sich der Täter klar zum islamistischen Kampf ‎bekennt und auch ankündigt, dass er mit einem Anschlag sich an Deutschen rächen will.»

Es sei für ihn «klar, dass es ein Anschlag mit islamistischem Hintergrund ist. Ob der Täter selbst einen ‎unmittelbaren Kontakt zum IS hatte, das ist noch Gegenstand der Ermittlungen.»‎

Der mutmaßliche Täter hatte am Sonntagabend bei einem Musikfestival einen Sprengsatz gezündet und sich damit selbst getötet. Er habe die Bombe mit scharfkantigen Metallteilen in seinem Rucksack bei dem Fest mit etwa 2500 Besuchern zünden wollen. Eine erste Auswertung habe ergeben, dass der Mann Gewaltvideos mit islamistischer Ausrichtung und salafistischem Inhalt hatte, sagte Herrmann. Bei der Durchsuchung seiner Asylunterkunft sei eine Fülle von Materialien gefunden worden, die zum Bau weiterer Bomben geeignet gewesen wären.

Abschiebung nach Bulgarien angeordnet

Der Syrer war bereits vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Er hatte ab Februar 2015 eine Duldung erhalten, die mehrfach verlängert wurde. Im August 2014 hatte der Syrer den Angaben zufolge einen Asylantrag gestellt. Im Verfahren seien Registrierungen in anderen EU-Staaten festgestellt worden: Es habe eine Antrag in Bulgarien gegeben und später in Österreich, sagte de Maizière. Bulgarien habe mitgeteilt, dass der Mann dort Flüchtlingsschutz hatte. In Deutschland sei mit Bescheid vom 2. Dezember 2014 der Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet worden.

Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens seien medizinische Atteste vorgelegt worden, die die psychische Labilität des Mannes untermauert hätten. Die Abschiebeandrohung sei zunächst aufgehoben und am 13. Juli dieses Jahres wieder aufgenommen worden. Laut Herrmann war der Mann vor kurzem erneut aufgefordert worden, Deutschland innerhalb von 30 Tagen Richtung Bulgarien zu verlassen.

Bundespolizei will Präsenz verstärken

De Maizière versicherte, der Rechtsstaat sei stark und bleibe stark. Die Sicherheitsbehörden würden alles tun, damit sich solche schrecklichen Taten nicht wiederholen. «Eine absolute Sicherheit dafür gibt es aber nicht», sagte de Maizière. Die Bundespolizei werde ihre Präsenz an Flughäfen und Bahnhöfen sichtbar verstärken, im Grenzbereich werde die Schleierfahndung angewandt.

Union und SPD in Berlin streiten erneut über einen Einsatz der Bundeswehr im Inland. De Maizière sagte: «Für eine Änderung des Grundgesetzes sehe ich keine parlamentarische Mehrheit.» Aktuell komme es darauf an, auf Basis der geltenden Rechtslage zu handeln. Dazu gehöre ein möglicher Bundeswehreinsatz bei besonders schwierigen, andauernden Terrorlagen.

Am Montag vergangener Woche hatte ein afghanischer Flüchtling in einer Regionalbahn in Würzburg Menschen mit einer Axt angegriffen. Der IS beansprucht die Tat für sich.

Am Freitag war ein 18-Jähriger in München Amok gelaufen - einen politischen Hintergrund gab es wohl nicht. Dabei starben neun Menschen, etliche wurden verletzt. Ein mutmaßlicher Mitwisser des Amokschützen wurde nach seiner Festnahme vom Sonntagabend wieder auf freiem Fuß gesetzt. Gegen den 16-Jährigen wird wegen des «Nichtanzeigens einer Straftat» ermittelt, weil er möglicherweise von dem geplanten Amoklauf wusste.

dpa

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