Hauptkommissar hätte ein Aussageverweigerungsrecht Wiedersehen mit dem V-Mann-Führer

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Im V-Mann-Prozess in Würzburg steht ein pikantes Wiedersehen an. Als Zeuge geladen ist Norbert K., Kriminalhauptkommissar des Landeskriminalamtes. Der 50-Jährige war V-Mann-Führer von Mario F., dem Mann, der im Auftrag des LKA die Rockergang „Bandidos“ in Regensburg infiltrierte und der die V-Mann-Affäre im LKA ausgelöst hat. In der Affäre, in der gegen mehrere LKA-Beamte unter anderem wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt wird, gilt Norbert K. als Hauptbeschuldigter.

 
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Zwei Männer, scheinbar völlig unterschiedlich: Einerseits der große, blonde, gut aussehende LKA-Mann, der seine Familie und das gute Leben in Mainfranken liebt. Andererseits der gedrungene, glatzköpfige Mario F. Ein Mann mit krimineller Karriere. Einer, der Prostituierte an kriminelle Rocker vermittelte, Diebstähle beging, Drogen schmuggelte und selbst Drogen konsumierte. Ein klarer Fall, wer der bessere, der glaubwürdigere Mann von beiden ist. Auf der ersten Blick.

Der V-Mann berichtet früh über einen Totschlagsversuch

Am 27. Juli 2011 schrieb Mario F. an seinen V-Mann-Führer Norbert K. an dessen getarnte E-Mail-Adresse. Schilderte einen extrem brutalen Vorfall wenige Tage zuvor. Berichtete, wie ein „Bandido“-Rocker einen anderen wegen dessen Wechselabsichten zu einem anderen Rockerclub zusammengeschlagen haben soll. Nannte Namen, Einzelheiten des Tathergangs, den Tatort und berichtete, dass der mutmaßliche Täter sich zwei Tage später brüstete, das Opfer werde keine Anzeige erstatten – „da er sonst tot ist.“

Vier Jahre lang in Todesgefahr?

Am 14. Oktober 2015 sagte Mario F. bei der Kripo in Regensburg aus. Schilderte den Vorfall vom Juli 2011. Laut Innenministerium wird deshalb nun wegen versuchten Totschlags ermittelt. Und Mario F. wurde für die Aussage unter Zeugenschutz gestellt – mehr als vier Jahre nach der E-Mail an seinen V-Mann-Führer. Und weil nur jemand in den Genuss von Zeugenschutz kommt, dessen Leben aufgrund von belastenden Aussagen in Gefahr ist, kommentiert Alexander Schmidtgall, der Verteidiger von Mario F. die lange Zeitverzögerung mit sarkastischen Worten: „Das LKA hat meinen Mandanten über vier Jahre in Todesgefahr belassen.“ Tatsächlich wittert Schmidtgall ein „Theater, das nichts mit dem Schutz meines Mandanten zu tun hat.“

Zeugenschutz zum Schutz vor Negativschlagzeilen?

Was er damit meint, übersetzt die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote: „Es ist schon merkwürdig, dass der Zeugenschutz erst nach so langer Zeit angeordnet wurde. Ich habe den Verdacht, dass der Zeugenschutz für Mario F. jetzt dazu benutzt werden könnte, ihn und seinen Anwalt auszubremsen.“ Der Hintergrund: Die LKA-Affäre kam erst richtig ins Rollen, nachdem Mario F. sich über seinen Verteidiger an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Die Folge waren negative Schlagzeilen für das LKA. Die Opposition im Landtag stellte Dringlichkeitsanträge im Landtag. Darin geht es im Kern um die Frage, ob Ex-V-Mann Mario F. als Kronzeuge für mögliche Straftaten von LKA-Beamten diskreditiert und ausgeschaltet werden sollte.

Akten als Geheimsache unter Verschluss

Mario F. behauptet, er habe als V-Mann bei den „Bandidos“ mit Wissen und im Auftrag seines V-Mann-Führers Straftaten begangen – auch jene, für die er zurzeit ein zweites Mal vor Gericht steht: Das Einschmuggeln von zehn Gramm Crystal Speed am 23. November 2011. Mario F. behauptet, sein V-Mann-Führer sei eingeweiht gewesen. Für das LKA sei der Schmuggel deshalb wichtig gewesen, weil das Rauschgift für ein Rockertreffen zwischen „Bandidos“ und „Hell Angels“ als Partydroge dienen sollte. Das Treffen soll vom Landeskriminalamt observiert worden sein. Mario F. war in einem ersten Prozess in Würzburg zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt worden – möglicherweise auch deshalb, weil die mutmaßlichen Machenschaften des LKA in der Affäre nicht bekannt waren. Die für eine Entlastung von Mario F. notwendigen Unterlagen – die V-Mann-Akten – hatte das Innenministerium damals als Geheimsache unter Verschluss gehalten. Mittlerweile ist ein Großteil der Akten freigegeben, bei den Ermittlungen gegen die verstrickten LKA-Beamten hat sich unter anderem der Verdacht ergeben, dass die V-Mann-Akten manipuliert worden sein könnten, um Verdachtsmomente gegen LKA-Leute zu vertuschen.

LKA wollte ein „positives Signal“ an den Verteidiger

Im Landtag ist die Opposition auch deshalb verärgert, weil Mario F. in einer Petition an den Landtag um Hilfe gewandt hatte. Er hatte im Jahr 2014 vergeblich versucht, vor Gericht Zeugenschutz einzuklagen. In einer Stellungnahme des Innenministeriums an den Landtag war der Ex-V-Mann als unglaubwürdig eingestuft worden, seine gegen das LKA gerichteten Behauptungen als Lügen dargestellt worden. Aufgrund der nun wegen der Ermittlungen gegen die in die Affäre Mario F. verstrickten LKA-Beamten bekannt gewordenen Vorwürfe, hegen vor allem Oppositionsabgeordnete den Verdacht, dass der Landtag belogen worden sei. Und Anwalt Schmidtgall liegt ein LKA-internes Schreiben vom Mai 2014 vor, dem zufolge das Amt auf die Verwaltungsgerichtsklage seines Mandanten um Zeugenschutz Einfluss genommen haben könnte. Darin heißt es: Die Polizei in Regensburg lehne Mario F.’s Begehr um Aufnahme in den Zeugenschutz nach wie vor ab. Dennoch wolle man dem Anwalt des Ex-V-Manns „ein positives Signal“ geben und habe einen Erörterungstermin mit dem zuständigen Verwaltungsgericht in Regensburg angesetzt.

Opposition will Affäre politisch nutzen

Die Opposition im Landtag möchte die Affäre auch politisch ausschlachten: Die Ehefrau des V-Mann-Führers Norbert K. ist eine unterfränkische CSU-Bezirksabgeordnete. Sie galt als Nachwuchshoffnung in ihrer Partei. Sie soll sich wegen der Anschuldigungen von Mario F. gegen ihren Ehemann an Parteifreunde gewandt haben.

Norbert K. selbst hat sich bislang einmal offiziell geäußert – über seinen Anwalt Jan Bockemühl, der Anfang November 2015 auf Anfrage erklärt hatte, dass die Vorwürfe gegen Norbert K. „aus der Luft gegriffen“ seien, er habe die Einstellung des Verfahrens beantragt.

Weil Bockemühls Mandant aber nach wie vor als Beschuldigter in dem Ermittlungsverfahren gegen mehrere LKA-Beamte geführt wird, hätte Norbert K. am Dienstag (2. Februar) als Zeuge ein Aussageverweigerungsrecht. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung von Fragen muss sich nämlich niemand selbst belasten.

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