Vanessas Mutter will Antworten

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Wer war Schuld am Tod des Mädchens? Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine Betreuerin des TSV Himmelkron und die Badeaufsicht im Schwimmbad. Anwalt Gert Lowack spricht von einem schuldhaften Versagen auf mehreren Ebenen. Foto: privat Foto: red

Ein Badeausflug mit der Mädchenturngruppe des TSV Himmelkron beendete ihr Leben. Vanessa Koska starb im Alter von acht Jahren, nachdem sie mehrere Tage im Koma gelegen hatte. Sie trieb vermutlich zehn Minuten bewusstlos im Wasser, bis sie entdeckt wurde. Ihre Mutter und deren Anwalt verwerfen der Gemeinde und ihrer Badeaufsicht und einer Betreuerin schuldhaftes Versagen vor.

 
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Ruslana Koska ist müde. Sie holt sich einen Kaffee, schlägt die Beine übereinander, zündet sich eine Zigarette an. Hinter ihr an der Wand hängen Erinnerungen. Ihre Tochter ist auf den Fotos, ein hübsches Mädchen mit langen, hellbrauen Haaren, blauen Augen und einem Lächeln auf den Lippen. Vanessa wäre am 28. Februar 2016 zehn Jahre alt. Sie wurde aber nur acht Jahre und fünf Monate. Ein gesundes, freundliches Mädchen, sagt ihre Mutter, die sich nicht mit ihrem Tod abfinden will.

Ein Tag im Juli, der alles veränderte

Der 22. Juli veränderte alles. "Ich wollte meine Tochter abholen, vom Parkplatz aus habe ich den Hubschrauber gesehen", schildert sie den Tag, der zu Vanessas allzu frühem Tod führen sollte, wie einen Film, den sie noch einmal vor ihrem inneren Auge abspult. Auf einer Trage ein Kind mit einer Maske vorm Gesicht, die Haare fallen seitlich herab. Erst da begreift sie: "Das ist meine Tochter! Ich hatte ja keine Ahnung!" Sie hatte ihr Kind zum Mädchenturnen gegeben. Die Kinderturngruppe des TSV Himmelkron plante an dem heißen Sommertag einen Freibadbesuch. 45 Minuten habe sie ihre Tochter zwei Betreuerinnen anvertraut. 45 Minuten, die das Mädchen das Leben kosteten und das Leben der Mutter zerstörten. Ruslana Koska lässt ihre roten Haare nach vorne fallen, sie versucht, ihre Tränen zu verdecken.

Die Hoffnung schwand

Die Medien, auch der Nordbayerische Kurier, hatten über den schrecklichen Unfall im Freibad berichtet. Dass das Kind plötzlich bewusstlos im Wasser trieb, mit dem Krankenwagen ins Bayreuther Klinikum gefahren wurde und im Koma lag, weil ihr Körper zu lange ohne Sauerstoffzufuhr war. "Zuerst hatten wir noch Hoffnung", schildert die 39-Jährige, deren Ehe inzwischen auseinandergebrochen ist. "Sie sollte zur Reha, um wieder sprechen und laufen zu lernen." Aber ihr Zustand verschlechterte sich und nach einigen Tagen entschieden die Eltern, die Maschinen abstellen zu lassen.

Fehlte professionelle Hilfe?

Doch mit dem Tod ihrers Kindes will und kann sie sich nicht abfinden. "Hätte Vanessa professionelle Hilfe gehabt, dann würde sie heute noch leben." Sie ist erleichert, dass das Oberlandesgericht in Bamberg im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft Bayreuth eine Strafbarkeit gegeben sieht. Wie berichtet, ist sie nun aufgefordert, die Vorgänge erneut zu untersuchen. "Jetzt müssen sie, ob sie wollen oder nicht", ist Ruslana Koska erleichtert.

Ihr Mann, die Gemeinde Himmelkron, alle sagten, es sei "ein schrecklicher Unfall" gewesen. Die in der Ukraine geborene Frau und ihr Anwalt Gert Lowack sind der Ansicht, dass der Unfall hätte verhindert werden können. Wenn sich der Verein bei den Eltern über die Schwimmfähigkeit des Kindes informiert hätte. Vanessa hatte keine Schwimmflügel dabei, sondern nur ein Luftkissen. Schwimmen konnte die Achtjährige trotzdem noch nicht, sagt die Mutter. Vanessa hätte niemals in den tiefen Beckenbereich gedurft. Und die zweite Betreuerin hätte nicht einfach Eis holen gehen dürfen. Der Bademeister habe Zeitung gelesen.

Wie qualifiziert ist die Badeaufsicht?

Dabei hat die Gemeinde Himmelkron streng genommen überhaupt keinen Bademeister. Korrekt müsste die Bezeichnung sowieso Schwimmmeister heißen, wie der Bundesverband der Deutschen Schwimmmeister das festgelegt hat. Ein Schwimmmeister ist ein Meister für Bäderbetriebe, der zuvor eine dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe gemacht haben muss. Dieser muss Kenntnisse in Erster Hilfe haben und mindestens ein Rettungsschwimmabzeichen in Silber, das nicht älter als drei Jahre ist.

Sparen an der falschen Stelle?

In Himmelkron sind Bürgermeister Gerhard Schneider zufolge eine Betriebsaufsicht und eine Badewasseraufsicht für das Freibad zuständig. Sie seien außerhalb der Badesaison bei der Gemeinde angestellt. Das Problem: Wenn Kommunen sparen müssen, tun sie das oftmals bei den Freibädern. Bedenklich wird das spätestens, wenn die Sicherheit darunter leidet. "Die Gemeinde spart und wir bezahlen dafür. Es kostet mein Leben und das Leben meiner Tochter", sagt die 39-Jährige verbittert. "Wie viele Kinder müssen noch sterben, bis sie reagieren?"

"Als wäre nur eine Katze ertrunken"

Denn die Badeaufsicht habe nach dem Unfall weiter gemacht, als wäre nichts geschehen. "Die Gemeinde tut, als wäre nur eine Katze ertrunken." Ob der Mann tatsächlich seine Pflichten verletzt hat, muss jetzt das Gericht klären. Zu einer Stellungnahme ist er auf Anfrage nicht bereit. Er hat sich inzwischen einen Anwalt genommen. Auch die Betreuerin des Turnvereins, die ihre Sorgfalts- und Aufsichtspflicht verletzt haben soll, ist immer noch für die Kinderturngruppe zuständig. Nach Angaben Schneiders sei sie von anderen Eltern dazu ermutigt worden, weiterzumachen.

Das Schmerzensgeld, das der Verein und die Gemeinde bezahlen wollen, habe sie noch nicht bekommen, sagt Ruslana Koska. Außerdem gehe davon ein Großteil für die Anwaltskosten weg. Warum blieb das Kind solange unbemerkt bewusstlos im Wasser, obwohl es nur zwölf Kinder waren? Warum scheiterten die Rettungsversuche? Wenn sie ihre Kind weggebe, dann müsse sie sicher sein können, dass nonstop aufgepasst werde. "Ich will Antworten", sagt die Mutter. "Wenn ich Vanessa nicht helfe, tut es keiner. Und ich will Gerechtigkeit für meine Tochter."

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