Psychotherapeuten fehlen auf dem Land

Von
Psychotherapeuten fehlen auf dem Land. Symbolfoto: Marijan Murat/dpa Foto: red

Gibt es in Oberfranken zu wenig Psychotherapeuten und Psychiater? Ein Kulmbacher hat sich mit einer Petition an den Bundestag gewandt. Er fordert zudem eine bessere Integration von Menschen mit seelischen Krankheiten.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der Kulmbacher Tino Hahn ist seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Wegen einer schweren Depression ist es ihm nur möglich, in Teilzeit zu arbeiten. Seit Jahren ist er jedoch arbeitslos und gilt im Jobcenter als schwer vermittelbar. Das müsste vielleicht nicht so sein, wenn ihm rechtzeitig geholfen worden wäre. „In Oberfranken gibt es nicht nur zu wenig Selbsthilfegruppen. Es fehlen überhaupt Psychotherapeuten und Psychiater.“ Wer in Oberfranken lebe, werde vielfach mit seelischen Problemen allein gelassen.

Diskriminierung

Um für ein besseres Hilfsangebot zu kämpfen, wandte sich der 40-Jährige Ende August in einer Petition an den Bundestag. Er wünscht sich ein Gesetz, das Menschen mit Einschränkungen hilft. „Der Bundestag müsste ein Gesetz verabschieden, dass die Integration von psychisch Kranken Menschen in den Arbeitsmarkt verbessert“, schreibt er in seiner Petition. Psychisch Kranke würden von Unternehmen noch immer diskriminiert. Das Grundgesetz verbiete die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Doch die Ausgrenzung psychisch Kranker im Berufsleben sei keine Ausnahme, sondern vielmehr die Regel. „Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch, der noch ein Restleistungsvermögen hat, einen Arbeitsplatz bekommen sollte“, sagt Hahn. „Auch sozial Schwache und psychisch Kranke haben das Recht auf eine besseres Leben und brauchen eine Lebensperspektive.“ Doch noch immer landen sie viel zu häufig auf dem Abstellgleis.

Hauptursache für Krankmeldung

Dem jüngsten DAK-Psychoreport zufolge gehören psychische Erkrankungen mittlerweile zu den Hauptursachen für Krankmeldungen von Arbeitnehmern. 2014 wurde jeder 20. wegen einer Depression, Angststörung oder einem anderen psychischen Leiden krankgeschrieben. Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) bestehen in einigen Regionen tatsächlich Versorgungsengpässe. Psychisch erkrankte Menschen müssten viel zu lange warten, bis sie einen Termin bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten erhalten. Wie rasch die Betroffenen Hilfe fänden, hänge stark von ihrem Wohnort ab. Menschen in großen Städten und im Westen seien gegenüber der ländlichen Bevölkerung und der im Osten deutlich im Vorteil. Aufgrund der akuten Engpässe brauche es neue Versorgungsansätze, so die DGPPN-Präsidentin Iris Hauth, zum Beispie Online-Therapien.

Wie sieht es konkret im Raum Bayreuth und Kulmbach aus? Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) weist in ihrem Versorgungsatlas für Bayreuth 38 Fachärzte und Psychotherapeuten aus und 16 für den Kreis Kulmbach. In ganz Oberfranken gibt es demnach 51 ärztliche Psychotherapeuten, 150 psychologische Psychotherapeuten und 50 Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. „Laut Statistik ist die Versorgung ausreichend, also überall über hundert Prozent“, erklärt eine KVB-Sprecherin auf Anfrage. Der Versorgungsgrad wird über die Bundesbedarfsplanung und die Einwohnerzahl errechnet. Dass der Versorgungsbedarf wegen einer höheren Nachfrage dennoch steige, bildeten die statistischen Zahlen nicht ab. Deshalb trete die KVB für eine veränderte Bedarfsberechnung ein.

Jahreszeitliche Schwankung

Eine Stichprobe bei einer Ärztin für Psychiatrie in Bayreuth, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ergibt: Die Nachfrage in ihrer Praxis ist hoch, unterliege aber jahreszeitlichen Schwankungen. Auf ein Erstgespräch warte ein Patient bei ihr höchstens zwei Wochen. Bis zum Therapiebeginn ist derzeit bei ihr mit einer Wartezeit von fünf Monaten zu rechnen. Ist ein Problem akut, schiebt sie auch außerplanmäßig Termine ein: „Einer mehr geht immer.“ Oftmals seien psychiatrische und psychologische Praxen nicht die passenden Anlaufstellen. Der Patient sei dann besser im Bezirkskrankenhaus, in einer Tagesklinik oder einer Reha-Maßnahme aufgehoben.

Werden sich also bald auch die Abgeordneten damit beschäftigen, ob es zu wenig Ärzte für Psychiatrie und Psychologen gibt? „Uns liegen mehrfach Petitionen aus ganz Deutschland dazu vor, die sich bereits im parlamentarischen Verfahren befinden“, teilt der Petitionsausschuss auf Nachfrage mit. Der Ausschuss gibt in der Regel eine Empfehlung an den Bundestag, der dann darüber einen Beschluss fasst. Dafür müsste es die Petition zunächst auf die Tagesordnung des Ausschusses schaffen. Wann das soweit ist, kann die Sprecherin des Peititionsausschusses noch nicht genau sagen.

Lesen Sie auch: Ein Interview mit Manfred Wolfersdorf vom Bezirkskrankenhaus.

Und dazu: Wie Oliver Altendorf das Burnout-Syndrom überwunden hat.

Autor