"Psychiater haben einen schlechten Ruf"

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Prof. Manfred Wolfersdorf, Ärztlicher Direktor am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth, hält die Versorgung für ausreichend. Archivoto: Andreas Harbach Foto: red

Manfred Wolfersdorf, Chefarzt am Bezirkskrankenhaus Bayreuth über Probleme, die Ärzte und Patienten teilen, die Versorgung in Oberfranken und lange Wartezeiten.

 
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Halten Sie die Versorgung in Oberfranken für unzureichend (ambulant und stationär)?

Manfred Wolfersdorf: Im ambulanten Bereich ist die Versorgung mit Psychotherapeuten und Psychiatern in den letzten zwei Jahren verbessert worden. Aufgrund eines neuen Berechnungsverfahrens wurden mehr Kassenarztstellen ausgewiesen. In Bayreuth haben wir keine Überzahl, aber die Versorgungsdichte mit niedergelassenen Fachärzten ist noch hinreichend. In Bayreuth werden wir die stationäre Versorgung ausbauen und 18 neue Plätze für eine zweite Psychosomatikstation bekommen. Es wäre auch eine psychiatrisch-psychosomatische Station am Klinikum Bayreuth wünschenswert, zum Beispiel für ein Kriseninterventionsteam. Das Stadt-Land-Gefälle ist relativ groß. Im ländlichen Raum wäre das Angebot durchaus noch zu verbessern.

Warum ergeben sich so lange Wartezeiten bei den einzelnen Praxen?

Wolfersdorf: Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Die Therapierichtlinien bei der Richtlinienpsychotherapie schreiben vor, dass mindestens 50 Minuten pro Patient anzusetzen sind. Bei durchschnittlich viereinhalb Behandlungstagen in der Woche kommt da pro Therapeut einiges an Zeit für wenig Psychotherapie-Patienten im Vergleich zur psychiatrisch-nervenärztlichen Versorgung zusammen. Aber auch die Zahl derjenigen, die Hilfe in Anspruch nehmen, hat zugenommen. Heute ist die Bereitschaft viel höher, eine Diagnose aus dem Bereich der psychischen Erkrankungen anzunehmen. Die Diagnose Depression wird bei Männern heute viel stärker gestellt. Früher wurden Rückenschmerzen festgestellt oder ein Erschöpfungszustand.

Leidet der Beruf unter einem schlechten Image in der Bevölkerung und bei Studenten?

Wolfersdorf: In der Tat genießt der Beruf des Psychiaters in der Gesellschaft kein hohes Ansehen. Bei Psychotherapeuten ist das noch ein wenig besser. Der Psychiater könnte mir ja gefährlich werden, weil er mich einweisen lassen kann. In den 1975er Jahren war Psychiater ein Traumberuf. Das war eine psycho-soziale Ära, da wollte man etwas tun für diejenigen, die sozial benachteiligt sind. Heute ist der Beruf in der Beliebtheitsskala ganz unten. Ein Image, das wir mit unseren Patienten teilen.

Wenn es zu wenig Psychotherapeuten und Psychiater gibt, müssten die Berufsaussichten für Nachwuchskräfte doch sehr gut sein.

Wolfersdorf: Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) legt eine Obergrenze für Niederlassungen fest. Der Frauenanteil ist dabei relativ hoch unter den ärztlichen und den psychologischen Psychotherapeuten. Die Wartezeiten im ambulanten Bereich schätze ich auf ein Vierteljahr oder länger. Manche niedergelassen Fachärzte bieten Notfallsprechstunden an, das weiß ich von ehemaligen Kollegen. In akuten Fällen kann man sich an die Institutsambulanz des Bezirkskrankenhauses und die diensthabenden Ärzte wenden.

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