Gymnasium: Die Neun muss stehen

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Die Direktoren, Lehrer und auch die Eltern fordern vom Kultusministerium einen klaren Plan fürs Gymnasium. Mit neun Jahren Lernzeit. Foto: Archiv/Armin Weigel, dpa Foto: red

Es geht um eine Zahl. Das Kultusministerium nennt die Acht. Lehrer, Direktoren und nicht zuletzt die Eltern von Gymnasiasten bevorzugen mehrheitlich die Neun. Neun Jahre Lernzeit statt der aktuellen acht. Bis Anfang des kommenden Jahres läuft ein Dialogprozess in Bayern. Für die Direktoren der Bayreuther Gymnasien, und nicht nur für die, ist der aber schon so gut wie abgeschlossen. Denn sie wollen Klarheit, wie es weitergeht. Und zwar jetzt.

 
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Der Pilotversuch der Mittelstufe plus war der Anfang. 47 Modellschulen in Bayern, davon sieben in Oberfranken können ihren Schülern ab der siebten Klasse ein Jahr mehr Lernzeit geben. Die deutliche Mehrheit der Schüler, die in der sechsten Klasse vor der Entscheidung stehen, ob sie in acht oder neun Jahren zum Abitur kommen, entscheiden sich für den Plus-Zug, den in Bayreuth nur das Gymnasium Christian-Ernestinum (GCE) anbietet.

Jetzt geht es um das, was der Kultusminister Ludwig Spaenle den "Dialog zur Weiterentwicklung des Gymnasiums" nennt. Der Lehrplan plus aus den Grundschulen kommt im neuen Schuljahr an den Gymnasien an. Bis zum Jahresende soll eine Entscheidung her, um "auf Basis der Erfahrungen mit dem Pilotversuch Mittelstufe plus ein langfristig tragfähiges Modell für die Zukunft des bayerischen Gymnasiums zu entwickeln", wie Spaenle sagt.

Schulen stellen Antrag, Kultusministerium entscheidet

Das Ergebnis wäre, verkürzt ausgedrückt: Die Schulen müssen sich - mit der ganzen Schulfamilie - entscheiden, ob sie künftig in acht oder in neun Jahren zum Abitur kommen wollen. Dann muss ein Antrag gestellt werden, über den das Kultusministerium entscheidet. Die Direktoren der Bayreuther Gymnasien sind sich einig, wie sie am Freitag in einem Gespräch mit dem Kurier sagen. Sie wollen eine klare Entscheidung, und zwar nicht von der Schulfamilie. Sondern ein Bekenntnis vom Kultusministerium: zu neun Jahren Gymnasialzeit.

"Wir wünschen eine schnelle Entscheidung, die für alle Gymnasien einheitlich ist", sagt Ursula Graf, die Direktorin des Richard-Wagner-Gymnasiums (RWG). "Weil sich ganz deutlich zeigt: Die Mehrheit wünscht eine längere Lernzeit." Hans-Dieter Sippel, Direktor des Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasiums (WWG), nennt eine Zahl: "Wir sprechen von rund 80 Prozent der Schüler. Die Verlängerung hat einen ungeheuren Zulauf." 

Mehr als zwei Drittel wollen neun Jahre

Niemand weiß das so gut wie Franz Eisentraut, der Direktor der Pilotschule GCE. Deutlich mehr als zwei Drittel eines Jahrgangs entscheiden sich bei ihm für die Mittelstufe plus. Für die Kinder wäre eine grundsätzliche politische Entscheidung für eine "besser, weil sie sich um die Geschichte keine Gedanken mehr machen müssen. Sie müssen ja jetzt in der fünften Klasse Farbe bekennen", sagt Eisentraut. Wenn man, wie im neuen Lehrplan vorgesehen, die Individualisierung der Persönlichkeit wolle, dann funktioniere das am besten: "Mit mehr Zeit."

Lange Kette der Entscheider

Es steckten zu viele Unwägbarkeiten in der langen Kette der Entscheider - von der Schulfamilie über die Sachaufwandsträger bis zum Kultusministerium - und letztendlich gehe es auch immer ums Geld: Denn bei einer Vorgabe von acht Jahren Regelschulzeit, die das Kultusministerium laut Spaenle vorgibt, müssen auch die Sachaufwandsträger ins Boot geholt werden und einer Verlängerung zustimmen. "Das ist in vielen Fällen die Stadt", sagt Elisabeth Götz, die Direktorin des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums (MWG). Oder der Freistaat selber, wie am MWG.

Schulen wollen Vergleichbarkeit

Den Schulen geht es auch um die Vergleichbarkeit: "Es kann nicht sein, dass es unterschiedliche Angebote gibt, was die Ausbildungsrichtung angeht", sagt Götz. Die künftigen Bayreuther Gymnasiasten müssten die Möglichkeit haben, nach Neigung zu entscheiden, auf welche Schule sie gehen. Nicht nach dem Angebot der Lernzeit. "Die Lösung ist für uns: Man geht grundsätzlich auf neun Jahre und macht denen, die das Gymnasium in acht Jahren durchlaufen möchten, individuelle Angebote", sagt Eisentraut.

"Wenn man die Individualisierung will, dann kann man keine andere sachlogische Entscheidung treffen." Die fünf Bayreuther Gymnasien, sagt Eisentraut, hätten da in Oberfranken keine Sonderstellung. Das sei erst in den vergangenen Tagen bei der oberfränkischen Direktorentagung mehr als deutlich geworden.

"Niemand will Verantwortung übernehmen"

Ähnlich formulieren es Eltern, wie die MWG-Elternbeiratsvorsitzende Cigdem Sattran: "Niemand will da offensichtlich Verantwortung übernehmen. Deshalb soll die Schulfamilie entscheiden", sagt  Sattran. "Es weiß keiner, ob es Sinn hat, sich für die neun Jahre auzusprechen, weil die letzte Entscheidung beim Kultusministerium liegt. Viele Eltern fühlen sich im Stich gelassen." Der neue Lehrplan, der ab dem kommenden Schuljahr greift, setze auf Stärkung der Kompetenzen der Kinder, "dazu gehört auch die zeitliche Variable".

Kultusministerium: Dialogprozess ist sinnvoll

Der Dialogprozess, der bis Ende des Jahres läuft, sei sinnvoll, sagt Ludwig Unger, der Pressesprecher des Kultusministeriums, auf Anfrage: "Weil die Erfahrungen aus der Mittelstufe plus gezeigt haben, dass sich eben nicht alle für die neun Jahre entscheiden. Rund ein Drittel der Schüler hält das G8 für brauchbar und sinnvoll." Ende des Jahres sollen die Argumente in einem Gespräch mit den Interessenvertretern in der Staatskanzlei gesammelt werden. "Dann wird die Vorlage geschnürt, die man dem Landtag vorlegen kann." Dass die Eltern und Schulen Klärung wollen, kann Unger nachvollziehen. Aber: "Wir wollen kein Hauruck-Verfahren."  

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