Gesees und seine Wohlfühl-Mitte

Ulrike Sommerer

Der Mittelpunkt der Gemeinde Gesees liegt in der Weinbergstraße 5. Ein großes Haus. Mehrere Wohnungen. Studenten leben hier und Ursula Schmidt. Deren Vater, das berichtet Kreisheimatpfleger Rüdiger Bauriedel, war der Leichenwäscher von Gesees und hatte das Haus gebaut.

 
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Der Mittelpunkt von Gesees liegt an einer historisch bedeutsamen Stelle, weiß Bauriedel. An der Altstraße, die von Nürnberg weiter Richtung Osten führte. „Eigentlich die alte Ortsdurchfahrt von Gesees.“

Rüdiger Bauriedel weiß viel über Gesees. Dabei ist er gar kein Geseeser, geboren wurde er in Bayreuth. „Aber wenn man 50 Jahre hier lebt, da kann man schon sagen, ich bin ein Geseeser.“ Er war Lehrer hier, an der Schule. Er leitet den Chor. Er ist Heimatpfleger.

Die Mitte zu finden, wird schwieriger

Was der Mittelpunkt der Heimat ist, diese Frage bringt ihn ins Grübeln. Als damals der Mittelpunkt Oberfrankens berechnet wurde, hat auch Bauriedel geknobelt und sich mit dem Umriss des Regierungsbezirks und einem Zirkel versucht. „Das kam mir aber wenig wissenschaftlich vor“, erinnert er sich. Für ihn, als Heimatforscher, sei ohnehin nicht so sehr der geografische Mittelpunkt entscheidend. Für ihn ist die Mitte eines Ortes dort, wo Menschen zusammen kommen. Doch „das wird in unseren Dörfern immer schwieriger“.

Auch in Gesees hat das letzte Wirtshaus schon lange geschlossen. Nur im Schützen- und im Sportheim könne man sich noch treffen. Dabei sei eine Mitte für das Dorf, ob sie nun mittig liegt oder nicht, sehr wichtig. „Ganz gleich, ob es um Örtlichkeiten geht oder zum Beispiel um Sprache.“ Denn: Nicht nur Orte der Mitte, wie Wirtshäuser, verschwinden. Auch die sprachliche, die heimatkundliche Mitte gehe mehr und mehr verloren. Wer weiß denn noch um alte Flurnamen oder die Hausnamen, die die Geschichte eines Dorfes erzählen können?

Eine Mitte zu finden, setzt Wissen voraus

Eine Mitte haben – dafür muss man sich auskennen Der Mittelpunkt, sagt Bauriedel, „kann nur dort sein, wo ich mich wohlfühle“. Und wohlfühlen, sagt er weiter, könne man sich nur dort, wo man sich auskennt. Wohlfühlen setzt Wissen über die Heimat voraus. Das Problem, das nun besteht, sieht Bauriedel in den Baugebieten. Durch sie wachsen Orte, doch die Menschen, die in diese Orte ziehen, würden sich nicht mit ihnen und ihrer Geschichte identifizieren. „Viele haben kein Interesse daran, wo sie gebaut haben, und wie es hier früher war. Der Ort wird größer und die Menschen rücken nicht zusammen sondern auseinander.“

Vor einigen Jahren hat Bauriedel deshalb öffentlich Fotos gezeigt. Fotos, wie Gesees jetzt aussieht und wie es an diesen Stellen früher aussah. Sitzweil hat er das genannt, bezugnehmend auf einen Begriff aus der Landwirtschaft. Es war ein Begriff für das Zusammensitzen und zur Ruhe kommen nach getaner Arbeit. Bauriedel lud also ein, der Saal war voll. Aber kaum ein Neubürger war gekommen. Um das Wissen um einen Ort, wenn man so will, die historische Mitte, nicht ganz verloren zu geben, gibt es den Hummelgauer Heimatboten, für den Bauriedel schreibt. Dann könne man später zumindest nachlesen, was war. „Es ist ein Unterschied, ob ich nur für meinen eigenen Bauch lebe, oder ob ich auch für das Ganze Verständnis habe, und nicht nur für den kleinen Ausschnitt meines Lebens.“

Daten aus Gesees:

Einwohner: 1370.

Fläche: 9,9 Quadratkilometer.

Ortsteile: sieben.

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