Heimlichkeiten ohne Rechtsgrundlage

Von Andrea Pauly
Streitpunkt: Soll der Sprungturm des Freibades Kulmbach, von dem am 25.07.2015 zwei jungen Männer ins leere Becken sprangen, abgerissen werden? Und wieso wurde diees Thema in der Stadtratssitzung am Donnerstag in den nicht-öffenltichen Teil gelegt? Archivfoto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Das Schwimmbad, in dem Ende Juli zwei junge Männer in den Tod sprangen, war Thema im Kulmbacher Stadtrat: Mit Hilfe eines Förderprogramms könnte es saniert werden. Bei der Entscheidung über den Antrag wollte der Stadtrat keine Zuhörer haben und schloss die Öffentlichkeit aus. Nun räumt Oberbürgermeister Henry Schramm ein, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gab.

 
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Es gibt Themen, die politische Gremien unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutieren und entscheiden dürfen, sogar müssen. Als es im Kulmbacher Stadtrat um einen Förderantrag für das Schwimmbad ging, durfte kein Außenstehender zuhören. Das wäre heute anders, räumt Oberbürgermeister Henry Schramm auf Nachfrage des Kuriers ein: „Wir hätten das öffentlich tun können. Wenn das noch mal wäre, würde ich es tun.“ Er betont mehrfach: „Wir haben nichts zu verheimlichen. Da steckt nichts dahinter.“

Nicht öffentlich, nicht hinterfragt

Warum dann die Nichtöffentlichkeit? Die habe er schlicht nicht hinterfragt: „Es war so vorgeschlagen und niemand hat was dagegen gesagt.“ Zudem sei das Thema „ganz kurzfristig“ gekommen. „Das würde ich jetzt anders machen.“

Die Beratung sei keine „Sprungturm-Debatte“ gewesen, sagt Schramm. „Es ging nur um die Frage, ob wir uns an einem Förderprogramm beteiligen oder nicht.“ Dass die Entscheidung, im nichtöffentlichen Kreis zu tagen, im Zusammenhang mit der tragischen Bekanntheit des Ortes und dem daraus resultierenden Interesse der Öffentlichkeit stand, dementiert der Oberbürgermeister jedoch nicht. Ein undemokratisches Verhalten weist er aber weit von sich: „Demokratisch ist, wenn ich einen Mehrheitsbeschluss einbringe, und das haben wir gemacht.“ Die Beratung sei außerdem problemlos gewesen.

Zwei Gründe für Ausschluss von Zuschauern

Wann ein Ausschluss der Öffentlichkeit rechtens ist, regelt Artikel 52 der bayerischen Gemeindeordnung. Es gibt nur zwei Gründe: „Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit“ und „berechtigte Ansprüche Einzelner“. Unter das Wohl der Allgemeinheit fällt alles, was die Sicherheit des Landes betrifft, sagt Achim Geier, Sachgebietsleiter für Kommunales im Landratsamt in Kulmbach. Auch Nachteile für die Stadt, wenn Details aus Vertragsverhandlungen bekannt werden, seien ein triftiger Grund.

Bei den „berechtigten Ansprüchen Einzelner“ geht es um Persönlichkeitsrechte. Deshalb sind alle Beratungen, die Bedienstete oder finanzielle Details von Privatpersonen betreffen, nichtöffentlich.

Zweifelsfrei muss nicht sein

Ob die heimliche Beratung in Kulmbach rechtens war, will er nicht bewerten. „Ich erachte das als möglich, wenn es um Förderprogramme geht.“ Der Sachgebietsleiter hat aber die Erfahrung gemacht, dass Kommunen öfter Themen in geheimer Runde behandeln, bei denen nicht immer eine nachvollziehbare Begründung vorliegt. Ob eines der beiden Kriterien aus der Gemeindeordnung erfüllt ist, „muss nicht unbedingt zweifelsfrei vorher hieb- und stichfest sein“, sagt Geier. „Es reicht die hinreichend konkretisierte Möglichkeit, dass es um Persönliches gehen könnte“, sagt er und ergänzt: „Was aber kein Freibrief ist.“ Außerdem gibt es Alternativen: „Man kann auch über einzelne Aspekte nichtöffentlich sprechen.“

Beschluss für ungültig erklärt

Doch was, wenn der Ausschluss von Zuhörern nicht rechtens war? „Bei einer reinen Beratung hat das keine Konsequenzen“, sagt er. „Das ist vom Verfahren her unglücklich.“ Wenn Beschlüsse gefallen sind, könnten diese „im schlimmsten Fall“ von höherer Instanz rückgängig gemacht werden. Speziell Satzungen dürfen nicht in nichtöffentlicher Sitzung verabschiedet werden. „Da hat das Verwaltungsgericht Bayreuth schon einmal einen Beschluss als ungültig erklärt.“

Unbegründete Nichtöffentlichkeit werde nicht verfolgt, wenn nicht jemand Beschwerde einlege, sagt Geier – auch, wenn die Rechtsaufsicht „eigentlich in der Pflicht“ sei. Im Klartext heißt das: Die Gemeinde- und Stadträte können theoretisch alle Themen im Geheimen beraten, bei denen sie kein Publikum wollen, so lange sie eine Begründung konstruieren können – sei sie auch weit her geholt. „In der Praxis ist das so“, gibt Geier zu, „wenn man es einigermaßen geschickt anstellt.“ Aber es gebe auch Punkte, bei denen Nichtöffentlichkeit sinnvoll sei, schiebt er nach.

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