Mittelstufe Plus: Zoff unter Direktoren

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Franz Eisentraut erklärt seinen Austritt aus der Bayerischen Direktorenvereinigung. Das Schreiben, in dem die Direktorenvereinigung den Modellversuch Mittelstufe plus für gescheitert erklärt, hat bei ihm das Fass zum Überlaufen gebracht. Foto: Eric Waha Foto: red

Franz Eisentraut ist sauer. Der Direktor des Gymnasiums Christian-Ernestinum (GCE) kritisiert die Bayerische Direktorenvereinigung scharf für deren ablehnende Haltung zum Modellversuch Mittelstufe Plus, an dem das GCE als eine von sieben Schulen in Oberfranken teilnimmt. Und: Eisentraut tritt wegen des aktuellen Rundbriefs der Direktoren aus der Direktorenvereinigung aus.

 
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"Das Maß ist jetzt endgültig voll", sagt Eisentraut am Donnerstagmorgen im Kurier-Gespräch. Die Direktorenvereinigung, sagt Eisentraut, argumentiere "mit Halbwahrheiten", habe nicht das Wohl der Schüler im Blick. Und sie habe ganz offensichtlich auch nicht mit den Direktoren gesprochen, an deren Schulen der Modellversuch seit einem guten halben Jahr laufe.

Das am Mittwoch verschickte Schreiben der Direktoren, unterzeichnet von deren Landesvorsitzenden Karl-Heinz Bruckner, dem innerhalb kurzer Zeit eine Entgegnung des Kultusministeriums folgte, decke sich nicht mit den Erfahrungen, die an den Modellschulen gemacht werden, sagt Eisentraut. Der Start in die Pilotphase sei erfolgreich verlaufen. Jetzt schon Kassensturz zu machen, sei zu früh. Das schreibt Henning Gießen, stellvertretender Pressesprecher des Kultusministeriums. Das sagt auch Eisentraut.

"Sammelsurium an Halbwahrheiten"

Die Direktorenvereinigung lehne, heißt es in dem Brief, die flächendeckende Einführung der Mittelstufe plus ab und fordere eine Weichenstellung für "ein zukunftsfähiges bayerisches Gymnasium", also eine Entscheidung, ob das Gymnasium acht oder neun Jahre dauere. Die SPD im Landtag geht einen Schritt weiter: Sie fordert einen schnellen Wechsel zum neunjährigen Gymnasium.

"Jährlich wechselndes Wahlverhalten wird jegliche Kontinuität unmöglich machen", heißt es in dem Brief der Direktoren. "Doppel- und Mischstrukturen erhöhen drastisch die Schnittstellenproblematik". Die Mittelstufe plus sei für Eltern, Schüler und Schulleitungen "nicht berechenbar und nicht planbar". Und die "Mittelstufe plus nimmt dem bayerischen Gymnasium die Vielfalt". Eisentraut sagt nicht nur in Bezug auf den letzten Punkt: "Das ist Quatsch."

Genauso wie die von der Direktorenvereinigung verbreitete Aussage, dass wegen der Mittelstufe plus zusätzliche Klassen gebildet werden müssten: "Das dürfen wir gar nicht." Ebenso, sagt Eisentraut, sei ihm kein einziger Fall aus den 47 Modellschulen bekannt, an dem einem Schüler die Aufnahme in die Mittelstufe plus verwehrt worden sei. "Da wird mit einem Sammelsurium an Halbwahrheiten argumentiert."

"Die haben nicht mit uns geredet"

Was Eisentraut am meisten stinkt: "Die haben es nicht einmal für notwendig gehalten, mit den Schulen zu sprechen, die den Modellversuch umsetzen. Mich hat niemand angesprochen." Er gebe dem Schreiben der Direktorenkonferenz in einem Punkt Recht: "Die Mittelstufe plus ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber genau dafür gibt es ja den Modellversuch. Um herauszufinden, was machbar ist in der Fläche und was nicht. Und das kann man sicher nach einem halben Jahr noch nicht abschließend beurteilen." 

Erst Pilotphase abwarten

Das sagt auch Erhard Herrmann, der Direktor des Gymnasiums Fränkische Schweiz in Ebermannstadt. Man müsse die Pilotphase abwarten, dann könne man entscheiden. An seiner Schule wählen drei Viertel der Schüler den Plus-Zweig. Auch für das kommende Schuljahr wird er drei Plsu-Klassen und eine Regelklasse bilden. Herrmann sagt, dass das Modell "sicher nicht für alle Schulen geeignet ist". Gerade kleine Schulen oder Schulen mit einer geringen Zahl an Eingangsklassen könnten Probleme bekommen.

Aber: Der Zulauf der Schüler zeige, dass die Nachfrage nach individueller Lernzeit groß sei. "Ein großer Vorteil gerade für Schulen im ländlichen Bereich ist, dass in der Mittelstufe plus kein verpflichtender Nachmittagsunterricht nötig ist. Das macht es für die Schüler einfacher." Vor allem dann, wenn das Netz des öffentlichen Nahverkehrs dünn ist.   

"Realitätsverlust"

Eisentraut sagt, er habe vor einem Vierteljahr bereits ein längeres Gespräch mit dem Landesvorsitzenden Bruckner gehabt. Schon damals sei er zu der Erkenntnis gelangt: "Die Direktorenvereinigung hat den Modellversuch nicht nur kritisch begleitet, sondern von Anfang an abgelehnt." Er habe gehofft, dass "die Stimmung an den Schulen und die Abstimmung der Schüler mit den Füßen in der Direktorenvereinigung aufgenommen" werde, sagt Eisentraut. "Bei uns wählen 76 Prozent der nächsten Mittelstufenschüler die Mittelstufe plus. 54 gehen in den Modellversuch, 17 machen den Reghelzug." Das Schreiben jetzt zeige aber das Gegenteil: "Einen Realitätsverlust".

Alles planbar

Denn wenn er lesen müsse, dass die Mittelstufe plus dafür sorge, dass die Planung "nicht berechenbar" für die Schulen sei, dann müsse er sagen: "Das ist doch unser Alltagsgeschäft. Ich weiß nie, wie viele Kinder sich anmelden, wer Latein, wer Englisch, wer Spanisch wählt, welche Kurse zustande kommen. Durch die Mittelstufe plus kommt ein Parameter dazu. Dann muss ich halt noch ein bisschen besser planen. Na und?" Er verstehe sich als Anwalt der Schüler und sehe den Modellversuch als ein Instrument an, das den Kindern entgegenkomme. "Das zu organisieren erfordert eben Flexibilität", sagt Eisentraut.      

Das Schreiben, in dem Eisentraut nach sieben Jahren Mitgliedschaft den Austritt aus seinem Berufsverband erklärt, werde er am Donnerstag noch verschicken, sagt der Direktor des GCE. 

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