Nach dem Bürgerentscheid über Bauland in der Gemeinde Der Tag nach dem Bürgerentscheid

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Die Neudrossenfelder haben mehrheitlich mit Ja gestimmt. Und eigentlich Nein gemeint: Sie sagten Nein zu den Plänen, bei Dreschenau ein Neubaugebiet zu entwickeln. Wird jetzt das Thema Bauland nach dem Bürgerentscheid ad acta gelegt? Wir haben uns unter den Gemeinderäten umgehört.

 
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"Es ist sehr schön, dass die Bürger das bestätigten, was auch unsere Meinung war", sagt Björn Sommer von der Gruppierung "Für unsere Gemeinde" (FuG). "Wir waren nicht generell gegen ein Baugebiet, nur gegen eines dort an dieser Stelle." Die FuG wolle dazu beitragen, dass nun forciert auf anderen Flächen nach Bauland gesucht werde. Alle seien aufgefordert, jetzt nach einer konstruktiven Lösung zu suchen.

Heftige Diskussionen

In den vergangenen Wochen war nicht nur in den Gemeinderatssitzungen heftig über Bauflächen in der Gemeinde diskutiert worden. Besonders das von der Verwaltung favorisierte 70 000 Quadratmeter große Neubaugebiet an der Dreschenauer Straße stieß auf Widerstand und rief eine Bürgerinitiative auf den Plan. Und es formierte sich eine Gruppe "Pro Baugebiet". Mit gut 60 Prozent der Wählerstimmen gewann die gegnerische Initiative den von ihr angestrebten Bürgerentscheid am Sonntag souverän.

"Lösung in 24 Monaten machbar"

"Ich bin mir sicher, dass in den nächsten 24 Monaten etwas erschlossen wird", gibt sich FuG-Sprecher Sommerer zuversichtlich. "Das ist ein machbares Ziel. Wir werden uns bemühen, den Bürgermeister bei der Suche nach einer Lösung zu unterstützen, wenngleich es nicht unsere Aufgabe ist, nach Flächen zu suchen."

Gesundes Wachstum

Wie die FuG war die SPD gegen ein Neubaugebiet zwischen Neudrossenfeld und dem Ortsteil Dreschenau. Rudi Bock, SPD-Gemeinderat, hat sich bereits vor einiger Zeit die Mühe gemacht, Baulücken und mögliche Bauplätze in den Außenorten zu ermitteln. "Ich habe 62 Bauplätze gefunden", sagt Bock, der sich für ein Wachstum der Ortsteile einsetzt. Selbst wenn noch technische Dinge zu klären wären, ist sich Bock sicher: "Mit einem gewissen guten Willen, könnten wir Bauplätze anbieten und einen Ersatz für das nun wegfallende Gebiet schaffen." Das seien zwar teils nur zwei bis acht Baugrundstücke. Doch damit würde die Gemeinde an ihren Rändern "gesund wachsen", sagt Bock.

Mehr Werbung für Bauland machen

Hinzu käme noch die Erweiterung des Baugebiets "Am Wald" und der Bereich "Jurablick". Zwar sei dort ein Grundstück nicht verkäuflich, doch andere Bauplätze ließen sich angrenzend schaffen. Die Gemeinde müsste aber mehr Werbung dafür machen und es nicht bei einem Aufruf im Gemeindeblatt bewenden lassen. Die "Immobilienbörse" auf der Internetseite der Gemeinde sei ein Anfang. Doch es fehle an einem Mitarbeiter, der sich regelmäßig darum kümmere.

"Ein Schaden für die Gemeinde"

Die Freien Wähler und die CSU sind enttäuscht von dem für sie ernüchternden Ergebnis. FW-Gemeinderat Peter Rösch sagt offen: "Ich befürchte, dass dieses Ergebnis der Gemeindeentwicklung schadet." Der Bürger habe entschieden, "wer mitgestalten will, muss auch zur Wahl gehen". Von den Befürwortern hätte er sich da mehr versprochen, so Rösch. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger, die sich gegen das Baugebiet ausgesprochen haben, das mit dem nötigen Weitblick getan haben. Wir haben nun einmal so viele Möglichkeiten nicht in Neudrossenfeld, allein die Bundesstraße und der Main stellen Begrenzungen dar." Natürlich wollten auch die Freien Wähler eine Lösung, die von allen angenommen werde. "Aber im Fall von Dreschenau haben wir eine Chance vertan." Neben Bauplätzen brauche Neudrossenfeld Mietwohnungen. Wo die künftig entstehen sollten, wisse er nicht, sagt Rösch.

"Nicht viele Grundstücke im Angebot"

Ähnlich sieht das CSU-Gemeinderat Georg Waldmann: "Das Ergebnis ist des Bürgers Wille und das akzeptiere ich, auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte." Familien wollten keine Baulücken, sondern suchen nach attraktiven Siedlungsgebieten. "Und so viele davon haben wir nicht." An den bisherigen habe sich aus guten Gründen wenig getan. Nord- und Südwestlage oder eine steile Hanglage wolle niemand. "Ich hoffe, dass wir neue Flächen finden, aber so schnell wird das nicht gehen. Schließlich sollte ein Baugebiet in greifbarer Nähe zu Neudrossenfeld liegen und möglichst eine gute Verkehrsanbindung haben." 

Zahlen und Fakten:

Beim ersten Bürgerentscheid in der Gemeinde Neudrossenfeld haben 1563 Männer und Frauen ihre Stimme abgegeben. 948 stimmten mit Ja (60,7 Prozent), 615 mit Nein (39,3 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 50,69 Prozent. In den sechs Wahllokalen wurde wie folgt gewählt (vorläufiges Endergebnis):

Rathaus: Ja-Stimmen: 362 (62,09 Prozent), Nein-Stimmen: 221 (37,91 Prozent), ungültige Stimmen: sechs

Waldau: Ja-Stimmen: 53 (59,55 Prozent), Nein-Stimmen: 36 (40,45 Prozent), ungültige Stimmen: keine

Langenstadt: Ja-Stimmen: 58 (49,57 Prozent), Nein-Stimmen: 59 (50,43 Prozent), ungültige Stimmen: keine

Pechgraben: Ja-Stimmen: 52 (52,00 Prozent),  Nein-Stimmen: 48 (48,00 Prozent), ungültige Stimmen: keine

Brücklein: Ja-Stimmen: 97 (61,78 Prozent), Nein-Stimmen: 60 (38,22 Prozent), ungültige Stimmen: keine

Altdrossenfeld: Ja-Stimmen: 127 (67,91 Prozent), Nein-Stimmen: 60 (32,09), ungültige Stimmen: keine

Briefwahl: Ja-Stimmen: 199 (60,30 Prozent), Nein-Stimmen: 131 (39,70), ungültige Stimmen: zehn

Interview mit Manfred Miosga, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Bayreuth

Warum polarisieren Projekte wie das bei Dreschenau geplante so stark?

Miosga: Weil es um eine Ortserweiterung außerhalb der geschlossenen Bebauung geht. Die Kritik entzündet sich hier an dem Landschaftsverbrauch. Es handelt sich um einen sensiblen Bereich in den Mainauen. Eine Bebebauung würde die Landschaft stark verändern. Das Vorhaben ist auch aus fachlichen Gründen strittig. Denn im Landesentwicklungsplan ist ausdrücklich von einem Anbindungsgebot die Rede, um der Zersiedelung von Landschaften vorzubeugen. Unsere Welt verändert sich dynamisch, darum will man wenigstens, dass im eigenen persönlichen Umfeld alles bleibt, wie es ist. Zugleich ist das Vertrauen in staatliche und politische Institutionen brüchig. Man ist sich nicht mehr sicher, ob diese tatsächlich das Gemeinwohl im Blick haben. Aus einer generellen Skepsis kann Protest werden, der sich dann gegen Windräder, Verkehrsprojekte und eben auch gegen Baugebiete richtet und die Dorfgemeinschaft spaltet.

Wie kann sich eine ländliche Gemeinde entwickeln, ohne zu viele Flächen zu verbrauchen und ohne ihren Charakter zu verlieren?

Miosga: Das ist in der Tat eine spannende Frage. Häufig sind ja Grundstücke vorhanden, die im Ort liegen, aber für die Kinder oder als Altersvorsorge freigehalten werden. Es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten, an diese heranzukommen. Wenn Flächenfraß verhindert werden soll, dann helfen nur mühsame Einzelgespräche und geduldige Verhandlungen, um die Grundstückseigentümer zur überzeugen. Hier ist ein professionelles Management nötig. Die Personalkosten dafür sind nicht zu hoch, wenn man sie mit den Kosten für die Erschließung neuer Bauplätze vergleicht. Ich halte es für einen Trugschluss zu meinen, man müsste Familien mindestens ein 1000 Quadratmeter Grundstück anbieten. Biografien funktionieren heutzutage anders, man will trotz Immobilie mobil bleiben. Alles auf eine Zielgruppe zuzuspitzen, ist der falsche Ansatz. Baugebiete, in denen Fertighäuser von der Stange stehen, stiften keine Identität.

Ist das ein Trend, dass Bürger bei der Bauleitplanung ein Wort mitreden wollen?

Misoga: Für mich ist das eine klassische plebiszitäre Entscheidung. Wer den Argumenten der Bürger nicht traut, hat ein Problem mit der Demokratie. Die Bürger sind nicht doof, aber es kann natürlich lästig sein, sie erst überzeugen zu müssen. Das ist auch sinnvoll, denn sie sind der Souverän. Im Grunde müsste eine Gemeinde eher eine Beteiligungsoffensive starten und die Bürger so früh wie möglich miteinbeziehen. Schließlich geht es um die Frage: Wie wollen wir leben? Darüber lässt sich durchaus produktiv diskutieren.

Zum Nachlesen: Die Ereignisse vom Sonntag in unserem Live-Ticker.

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