"Ein Schaden für die Gemeinde"
Die Freien Wähler und die CSU sind enttäuscht von dem für sie ernüchternden Ergebnis. FW-Gemeinderat Peter Rösch sagt offen: "Ich befürchte, dass dieses Ergebnis der Gemeindeentwicklung schadet." Der Bürger habe entschieden, "wer mitgestalten will, muss auch zur Wahl gehen". Von den Befürwortern hätte er sich da mehr versprochen, so Rösch. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger, die sich gegen das Baugebiet ausgesprochen haben, das mit dem nötigen Weitblick getan haben. Wir haben nun einmal so viele Möglichkeiten nicht in Neudrossenfeld, allein die Bundesstraße und der Main stellen Begrenzungen dar." Natürlich wollten auch die Freien Wähler eine Lösung, die von allen angenommen werde. "Aber im Fall von Dreschenau haben wir eine Chance vertan." Neben Bauplätzen brauche Neudrossenfeld Mietwohnungen. Wo die künftig entstehen sollten, wisse er nicht, sagt Rösch.
"Nicht viele Grundstücke im Angebot"
Ähnlich sieht das CSU-Gemeinderat Georg Waldmann: "Das Ergebnis ist des Bürgers Wille und das akzeptiere ich, auch wenn ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht hätte." Familien wollten keine Baulücken, sondern suchen nach attraktiven Siedlungsgebieten. "Und so viele davon haben wir nicht." An den bisherigen habe sich aus guten Gründen wenig getan. Nord- und Südwestlage oder eine steile Hanglage wolle niemand. "Ich hoffe, dass wir neue Flächen finden, aber so schnell wird das nicht gehen. Schließlich sollte ein Baugebiet in greifbarer Nähe zu Neudrossenfeld liegen und möglichst eine gute Verkehrsanbindung haben."
Zahlen und Fakten:
Beim ersten Bürgerentscheid in der Gemeinde Neudrossenfeld haben 1563 Männer und Frauen ihre Stimme abgegeben. 948 stimmten mit Ja (60,7 Prozent), 615 mit Nein (39,3 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 50,69 Prozent. In den sechs Wahllokalen wurde wie folgt gewählt (vorläufiges Endergebnis):
Rathaus: Ja-Stimmen: 362 (62,09 Prozent), Nein-Stimmen: 221 (37,91 Prozent), ungültige Stimmen: sechs
Waldau: Ja-Stimmen: 53 (59,55 Prozent), Nein-Stimmen: 36 (40,45 Prozent), ungültige Stimmen: keine
Langenstadt: Ja-Stimmen: 58 (49,57 Prozent), Nein-Stimmen: 59 (50,43 Prozent), ungültige Stimmen: keine
Pechgraben: Ja-Stimmen: 52 (52,00 Prozent), Nein-Stimmen: 48 (48,00 Prozent), ungültige Stimmen: keine
Brücklein: Ja-Stimmen: 97 (61,78 Prozent), Nein-Stimmen: 60 (38,22 Prozent), ungültige Stimmen: keine
Altdrossenfeld: Ja-Stimmen: 127 (67,91 Prozent), Nein-Stimmen: 60 (32,09), ungültige Stimmen: keine
Briefwahl: Ja-Stimmen: 199 (60,30 Prozent), Nein-Stimmen: 131 (39,70), ungültige Stimmen: zehn
Interview mit Manfred Miosga, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität Bayreuth
Warum polarisieren Projekte wie das bei Dreschenau geplante so stark?
Miosga: Weil es um eine Ortserweiterung außerhalb der geschlossenen Bebauung geht. Die Kritik entzündet sich hier an dem Landschaftsverbrauch. Es handelt sich um einen sensiblen Bereich in den Mainauen. Eine Bebebauung würde die Landschaft stark verändern. Das Vorhaben ist auch aus fachlichen Gründen strittig. Denn im Landesentwicklungsplan ist ausdrücklich von einem Anbindungsgebot die Rede, um der Zersiedelung von Landschaften vorzubeugen. Unsere Welt verändert sich dynamisch, darum will man wenigstens, dass im eigenen persönlichen Umfeld alles bleibt, wie es ist. Zugleich ist das Vertrauen in staatliche und politische Institutionen brüchig. Man ist sich nicht mehr sicher, ob diese tatsächlich das Gemeinwohl im Blick haben. Aus einer generellen Skepsis kann Protest werden, der sich dann gegen Windräder, Verkehrsprojekte und eben auch gegen Baugebiete richtet und die Dorfgemeinschaft spaltet.
Wie kann sich eine ländliche Gemeinde entwickeln, ohne zu viele Flächen zu verbrauchen und ohne ihren Charakter zu verlieren?
Miosga: Das ist in der Tat eine spannende Frage. Häufig sind ja Grundstücke vorhanden, die im Ort liegen, aber für die Kinder oder als Altersvorsorge freigehalten werden. Es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten, an diese heranzukommen. Wenn Flächenfraß verhindert werden soll, dann helfen nur mühsame Einzelgespräche und geduldige Verhandlungen, um die Grundstückseigentümer zur überzeugen. Hier ist ein professionelles Management nötig. Die Personalkosten dafür sind nicht zu hoch, wenn man sie mit den Kosten für die Erschließung neuer Bauplätze vergleicht. Ich halte es für einen Trugschluss zu meinen, man müsste Familien mindestens ein 1000 Quadratmeter Grundstück anbieten. Biografien funktionieren heutzutage anders, man will trotz Immobilie mobil bleiben. Alles auf eine Zielgruppe zuzuspitzen, ist der falsche Ansatz. Baugebiete, in denen Fertighäuser von der Stange stehen, stiften keine Identität.
Ist das ein Trend, dass Bürger bei der Bauleitplanung ein Wort mitreden wollen?
Misoga: Für mich ist das eine klassische plebiszitäre Entscheidung. Wer den Argumenten der Bürger nicht traut, hat ein Problem mit der Demokratie. Die Bürger sind nicht doof, aber es kann natürlich lästig sein, sie erst überzeugen zu müssen. Das ist auch sinnvoll, denn sie sind der Souverän. Im Grunde müsste eine Gemeinde eher eine Beteiligungsoffensive starten und die Bürger so früh wie möglich miteinbeziehen. Schließlich geht es um die Frage: Wie wollen wir leben? Darüber lässt sich durchaus produktiv diskutieren.
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