Der Mittelpunkt von Warmensteinach

Von Andreas Gewinner
Peter Heser steht vor seinem Unternehmen auf dem geografischen Mittelpunkt von Warmensteinach. Anhand dieses Ortes lässt sich nicht nur eine interrssante Unternehmensgeschichte erzählen. Sondern auch viel über den Tourismus im Ort. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Peter Heser hat ein besonderes „stilles Örtchen“. Denn der 50.Breitengrad verläuft genau durch seine Toilette. Aber dass der geografische Mittelpunkt der Gemeinde Warmensteinach auch bei ihm zu finden ist, auf dem Hof seines Busbetriebs, diese Information war neu für ihn. Der Kurier stellt in seiner Serie „Mittelpunkte“ diesen Ort und die damit verbundene Geschichte vor.

 
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Der Mittelpunkt von Warmensteinach, ermittelt vom Vermessungsamt, das ist exakt die nördliche Ecke der Betonfläche der Tankstelle vor dem Busbetrieb. Direkt daneben steht die Hausnummer 174, 1946 aus einer Werkstatt entstanden. „Da, wo jetzt meine Küche ist, wurden früher Autos repariert“, so Heser.

Die Geschichte vom Mittelpunkt Warmensteinachs ist auch eine Unternehmens- und Familiengeschichte, die letztlich auch die Entwicklung des Tourismus im oberen Steinachtal erzählt.

Wurzeln liegen in Neubau

Die Wurzeln von Heserbus liegen in Neubau, wo ab 1931 Firmengründer Josef Heser mit einem Opel P 4 Urlauber vom Bahnhof Fichtelberg zum Gasthaus Specht fuhr. Doch für die Ansiedlung eines Busunternehmens war kein Platz in Neubau, und so wich man an den heutigen Ort aus. Im Krieg fuhr Josef Heser eine Buslinie zwischen Eger und Marienbad. Als er sich nach dem Krieg den ersten neuen Mercedesbus in Stuttgart abholen wollte, musste er die Reifen selbst mitbringen.

Doch was folgte, waren goldene Zeiten für ein Busunternehmen. Der Tourismus florierte, aber viele Urlauber kamen noch nicht im eigenen Auto, waren für Ausflüge auf die Heserbusse angewiesen. Gegenüber dem Betrieb war damals das Verkehrsamt der Gemeinde - besetzt von Hesermitarbeitern. Sie vermittelten Zimmer - und Busausflüge. Als Kompensation zahlte die Gemeinde 60 Mark im Jahr fürs Telefon. In den 50er Jahren kam die Tankstelle dazu. Hesers Mutter konnte vom Haus aus sehen, ob ein Kunde vorgefahren war.

Der erste Alt-68er

Aber zurück zu Peter Heser. „Ich bin der erste echte Alt-68er“ von Warmensteinach“, sagt der 48-Jährige. Damit meint er aber nicht seine politische Heimat, die bei den Freien Wählern liegt. Sondern die Tatsache, dass er am 15. Januar 1968 geboren ist. Er erinnert sich an eine „ganz normale Jugend“ mit mehr Schnee als früher, mit dem Bau von Schneeiglus auf dem Hof.

Doch 1972 schlägt das Schicksal zu: Heser Eltern sterben bei einem Flugzeugabsturz in Spanien, Heser ist mit vier Jahren Vollwaise. Sein Onkel Alfred Heser vom benachbarten Autohaus springt ein, managt jahrelang zwei Betriebe. Heser lernt Automechaniker im elterlichen Betrieb, macht seinen Meister. 1988 ruft die Bundeswehr. Und zwei Jahre später ein weiteres Mal. Heser wird Teil der „Alarmreserve“. Es ist die Zeit, als die Welt den Atem anhält, als Saddam Hussein Kuweit besetzt hatte. Eine halbe Million Soldaten vieler Nationen vertreiben schleißlich den Diktator wieder, deutsche Soldaten sind nicht darunter. Aus dieser Zeit hängt heute noch ein langer Bundeswehrmantel im Keller von Peter Heser. Ein Granitkeller mit eigener Geschichte: Tonnengewölbe mit Eisenträgern. „Das sind Reichsbahnschienen“, weiß Heser.

Reibungsthema Bus und Bahn

Der Bus und die Bahn - das sorgte auch früher schon für Reibereien. Zum Schutz des Bahnverkehrs hatte die Buslinie Halteverbot zwischen Warmensteinach und Bayreuth. Als Josef Heser doch mal in Mengersreuth anhielt, um Arbeiter aussteigen zu lassen, brachte ihm das eine unfreiwillige Reise nach Frankfurt in die Bundesbahnzentrale ein. Heser musste Abbitte leisten und eine Unterlassungserklärung abgeben.

2010 kaufte Heser das Mehlmeisler Unternehmen Pöllmann, übernahm nicht nur Busse und Mitarbeiter, sondern bekam auch neue Linien bis in die Oberpfalz hinzu. Heute arbeiten 20 Menschen bei Heserbus, darunter auch Peter Hesers Frau und Schwester, 15 Busse gehören zum Fuhrpark. Die Hälfte des Geschäfts kommt vom Linien- und Schulbusverkehr, „Das liefert den Grundumsatz“, die andere Hälfte steuert der nationale und internationale Reiseverkehr bei: Gruppen, Vereinsausflüge, eigenes Programm. Vom Fernbusgeschäft lässt Heser die Finger, die Margen sind zu gering. Der regionale Ausflugsverkehr mit Fichtelgebirgsurlaubern spielt heute keine Rolle mehr, abgesehen von einer kurzen Blüte nach dem Fall der Grenze zur Tschechoslowakei: „Die Leute waren überzeugt, dass sie drüben nur das Auto geklaut bekommen und sind lieber mit dem Bus nach Prag oder in die Bäder gefahren.“

Ernüchternde Lokalpolitik

Politisch ist Heser als Gemeinderat aktiv. Eine ernüchternde Erfahrung: „Ich musste feststellen, wie wenig man bewirken kann und wie lange alles dauert.“ Der Gestaltungsspielraum ist geschrumpft: „Früher hieß es: Wer bestellt, bezahlt. Heute bestellt der Staat und die Kommunen müssen zahlen.“ Vor einigen Jahren kandidierte Heser für den bayerischen Landtag. Werbeträger waren dabei auch Heserbusse mit einem überlebensgroßen Konterfei Hesers. Das hatte Folgen: Bürgermeister aus Kommunen, in denen die LinIenbusse mit dem überlebensgroßen Peter Heser unterwegs waren, beschwerten sich, die Werbung musste entfernt werden.

Peter Hesers Sohn (18) ist in einem Punkt schon in die Fußstapfen von Vater und Großvater getreten: Er hat Automechaniker gelernt. „Aber jetzt will er erst mal Panzer fahren.“ Peter Heser sieht es gelassen: „Ich bin jetzt 48. Es reicht, wenn er wieder auftaucht, wenn ich 60 bin.“

Daten aus Warmensteinach: Einwohner: 2279, Fläche: 26,73 Quadratkilometer, höchster Punkt: 947 Meter Warmensteinacher Forst Nord, niedrigster Punkt: 488 Meter bei Neuwerk.

Im nächsten Serienteil geht es um Fichtelberg.

Bisher erschienen:

Auftaktstück: Immer auf der Suche nach der Mitte

Bindlach

Emtmannsberg

Creußen

Bischofsgrün

Bad Berneck

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