Bereitschaft: Haus- und Fachärzte uneins

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Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege im Landtag (Mitte), besucht die Gemeinschaftspraxis von Volker Seitter (rechts) und Anja Tischer in Thurnau. Links im Bild: Maria-Luise Rasch, Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Kulmbach. Foto: Ute Eschenbacher Foto: red

Nachwuchsprobleme bei den Hausärzten, Neuorganisation der Bereitschaftsdienste und zu wenig Personal in den Pflegeheimen: Die Landärzte und Verantwortliche im Pflegebereich bewerten die Zukunftsaussichten als nicht gerade als rosig.

 
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Maria-Luise Rasch, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Kulmbach, bezeichnete die Versorgung mit Hausärzten im Landkreis als "relativ gut". Jedoch liege das Durchschnittsalter bei rund 56 Jahren, so dass dringend jüngere Kollegen gebraucht werden, die Arztsitze auf dem Land übernehmen. Das Klinikum biete sich als Weiterbildungszentrum ein und fördere Medizinstudenten. "Auf dem Land kommen bisher trotzdem zu wenig an."

Allgemeinärzte immer älter

Dr. Volker Seitter, Facharzt für Allgemeinmediziner und Chirotherapie und Mitglied im Klinikum Zweckverband, sagte, in Thurnau gebe es vier niedergelassene Allgemeinärzte, zwei davon seien jedoch bereits 72 Jahre alt. Mit seiner Kollegin Anja Tischer, Allgemeinärztin und Vorsitzende des Hausärzteverein Kulmbach Stadt und Land, führt Seitter noch eine weitere Praxis in Untersteinach. "Wir übernehmen zunehmend die Aufgaben von Fachärzten, weil die Patienten keine Termine bekommen", stellte Seitter fest. Erfreulich sei, das die Studenten vermehrt in Allgemeinarztpraxen ihr praktisches Jahr ableisten wollten. "Sie sind nicht mehr nur an der Klinik interessiert, sondern auch an der Basisarbeit." Der erste ordentliche Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Nürnberg-Erlangen sei ein Segen für die Region.

Dass es solche Lehrstühle an allen bayerischen Universitäten geben sollte, dafür setzt sich Kathrin Sonnenholzner ein, SPD-Gesundheitspolitikerin und Landtagsabgeordnete. Die Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege und stellvertretende Vorsitzende Landesgesundheitsrat Bayern ist selbst Ärztin und kam auf Einladung von Landtagsvizepräsidentin Inge Aures zu dem Gespräch mit Vertretern von Ärzten und Pflegeberufen in den Landkreis Kulmbach.

Medizinstudium: Auswahlverfahren überdenken

"Wir müssen uns aber auch fragen: Bilden wird die richtigen aus?", sagte Sonnenholzner. "Muss es ein Abitur von 1,0 sein?" Sie findet es "idiotisch" über unterschiedliche Notendurchschnitte für Allgemeinmediziner und andere Fachrichtungen zu diskutieren. "Bei der Auswahl sollte es vielmehr um soziale Kompetenzen gehen." Auch Weiterbildungsverbünde seien nicht der Königsweg. Vielmehr müsste sich etwas an den familienunfreundlichen Arbeitsbedingungen ändern. "Wir sollten einfach eine ehrliche Debatte führen", forderte Sonnenholzner. Dazu gehöre auch, dass es sinnvoll sei, dort Arztsitze abzubauen, wo es eine Überversorgung gibt, wie im Großraum München.

Unzufriedenheit über Bereitschaftsdienst

Als "unbefriedigend" bezeichnete Seitter die Situation beim ärztlichen Bereitschaftsdienst. Wenn er Dienst habe und nach Enchenreuth müsse, sei er mindestens zwei Stunden unterwegs. Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVB) ist der Versorgungsauftrag erfüllt: Jeder Patient könne innerhalb von 30 Minuten ärztlich versorgt werden. Um die Ärzte zu entlasten arbeitet der Bund an einer Reform des Bereitschaftsdienst. Das neue Krankenhausstrukturgesetz sieht vor, dass sich die Ärtze Bereitschaftspraxen an Kliniken einrichten oder die Notfallambulanzen in den vertragsärztlichen Notfalldienst einbinden. Die KVB will 110 Bereitschaftspraxen einrichten. "Wir könnten die Krankenhäuser sogar massiv entlasten", sagte Seitter. "Aber nicht auf unsere eigenen Kosten." In Bayreuth gibt es etwa mit dem Dokhaus bereits eine solche Notfallpraxis.

Versorgungszentren kein adäquater Ersatz

Im Landkreis war eine freiwillige Lösung gescheitert. "Die Mehrzahl der Kollegen war dagegen, weil sie eine Bereitschaftspraxis selbst gemeinsam finanzieren müssten", erklärte Anja Tischer. Das sei vor allem für die Kulmbacher Ärzte unattraktiv, deren eigene Praxis womöglich nur 500 Meter vom Klinikum entfernt sei. "Trotzdem ist das die Zukunft und wird so kommen müssen." Ein weiteres Problem sei die Konkurrenzsituation: In medizinischen Versorgungszentren an Kliniken könnten Fachärzte ambulante Leistungen anbieten, die Patienten allerdings ebenso stationär behandeln. Einen adäquaten Ersatz für die ambulante Medizin sieht sie darin nicht. Zumal die Klinikärzte in der Regel nicht die Massen an Patienten bewältigen könnten wie dies Allgemeinärzte gewohnt seien.

Beruf leidet unter schlechtem Ansehen

Einen Einblick in die Situation der Altenpflege gaben Peter Konrad, AWO-Geschäftsführer Pflege, und Matthias Hoderlein, Heimleiter des AWO-Seniorenheims in der Kirschenallee. "2030 werden wir 3,4 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland haben", sagte Konrad. Doch bereits jetzt würden 500.000 Pflegekräfte fehlen. Im Süden könnten Betten teils nicht mehr belegt werden, weil das Pflegepersonal für die Patienten fehle. Neben dem Personalmangel hätten die Heime mit einer teils überbordenden Bürokratie und sinkenden Pflegesätzen der Bezirke zu kämpfen. Die SPD war mit ihrem Vorschlag, das schwedische Modell mit nur einer kurzen Phase der Dokumentation in Bayern einzuführen, gescheitert. Skeptisch betrachten Konrad und Hoderlein die Reform der Ausbildung im Pflegebereich. "Die Altenhilfe hat sowieso ein negativ behaftetes Berufsbild", sagte Konrad. "Die meisten werden dann in die Kliniken abwandern, ist unsere Befürchtung."

Geschenke für Springerinnen

Auch die Nachtwache sei immer schwerer zu organisieren, berichtete Hoderlein. "Wenn Leute krank sind und im Urlaub, wissen wir um 11 Uhr manchmal nicht, wer um 13.30 Uhr kommt." Inzwischen verteile er kleine Geschenke an die Frauen, die sich bereit erklärten, einzuspringen. Die Nachtwache habe er auch schon selbst übernommen. Für 82 Patienten seien drei Nachtwachen vorgesehen. Eine dürfe höchstens 40 Patienten betreuen. Um nicht eine zusätzliche Pflegerin einstellen zu müssen, würde eine aus der Tagesschicht abgezogen. "Das führt im schlimmsten Fall zu Umverlagerungen von Tätigkeiten in die Nacht."

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