Hartmannbund fordert: Kliniken durch Gebühr für Notfälle entlasten – In der Region kein Bedarf Kliniken: Wird die Notaufnahme missbraucht?

Sarah Becker und Maria Timtschenko
Wird die Notaufnahme in Kliniken missbraucht? Diese Frage kommt regelmäßig auf. Und regelmäßig fordert auch jemand eine Gebühr. Archivfoto: dpa Foto: red

Eine Gebühr von 20 Euro für eine Behandlung in der Notaufnahme – das fordert der Ärzteverband Hartmannbund in Sachsen. Denn rund 20 bis 30 Prozent der Patienten sind in der Notaufnahme falsch, teilt das Klinikum Kulmbach mit: Da gibt es die, die sich für einen Notfall halten, aus Sicht eines Arztes aber keiner sind. „Wer mitten in der Nacht von einer Wespe gestochen wird, muss nicht direkt in die Notaufnahme fahren“, sagt eine Kulmbacher Notfallschwester. Und es gibt die, die sich nicht trauen, während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen. Aus Angst, ihren Job zu verlieren, warten sie bis zum Feierabend. In der Notaufnahme ist schließlich immer jemand da.

 
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Das Problem: Die Kosten für einen ambulanten Notfall – egal, ob er wirklich einer ist, oder nicht – liegen laut einer Studie der deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) im Schnitt bei 120 Euro. Eine Klinik bekommt für eine ambulante Behandlung in der Notaufnahme im Schnitt aber nur 32 Euro. Bei mehr als zehn Millionen ambulanten Patienten, die im Jahr in deutschen Krankenhäusern in der Notaufnahme behandelt werden, fehle den Kliniken ein hoher dreistelliger Millionenbetrag.

Zudem kämen in der Notaufnahme häufig Assistenzärzte zum Einsatz, sagt Wolfgang Gradel, stellvertretender Vorsitzender des Hartmannbunds in Bayern: Die jungen Mediziner behielten die Patienten oft über Nacht, um alle Eventualitäten auszuschließen. „Das ist eine finanzielle Katastrophe“, sagt Gradel.

Die naheliegende Lösung: Nicht jeder sollte wegen Kleinigkeiten ins Krankenhaus gehen. Daher fordert Thomas Lipp, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Hartmannbundes Sachsen, die Einführung einer Gebühr für Notfallpatienten. Die Inanspruchnahme des Kassenärztlichen Notdienstes solle pauschal zehn Euro kosten, das Aufsuchen der Notaufnahme 20 Euro. Einziehen sollen das Geld die Krankenkassen.

Die allerdings finden die Idee nicht gut. Als Lipp den Beschlussvorschlag im Frühjahr auf dem Deutschen Ärztetag einbrachte, reagierte der Spitzenverband Gesetzlicher Krankenkassen (GKV) empört. Sprecher Florian Lanz sagte: „Es ist ein Unding, dass hier vielen kranken Menschen pauschal Missbrauch vorgeworfen wird.“ Vielleicht liege der häufigere Gang in die Notaufnahme ja am unzureichenden Wochenenddienst der niedergelassenen Ärzte.

Auch die Sana-Klinik in Pegnitz hält nicht viel von einer Notfallgebühr. Geschäftsführerin Petra-Marié Rinsche sagt: „Für uns kommt in der Notfallambulanz die klinische Versorgung zuerst. Der Patient will Hilfe von uns. Wir hinterfragen nicht, ob er nicht auch hätte zum Hausarzt gehen können.“ Das Schmerzempfinden eines jeden sei anders. „Deswegen ist uns der Versorgungsauftrag das Allerwichtigste, erst danach machen wir uns Gedanken über die Finanzierung“, fügt Rinsche hinzu. Für die Kliniken in Kulmbach, Bayreuth und Auerbach stellt sich dieses Problem gar nicht erst. „Die Patienten, die außerhalb der Sprechzeiten von niedergelassenen Ärzten ins Krankenhaus kommen, kann ich an einer Hand abzählen“, sagt etwa Dr. Edmund Goß, Chefarzt in Auerbach. Das liege vor allem daran, dass die Klinik keine chirurgische Abteilung habe. Doch selbst wenn: Die aus ähnlichen Gründen eingeführte und wieder abgeschaffte Praxisgebühr habe auch nichts gebracht.

Um die Notaufnahme zu entlasten, gibt es den notärztlichen Bereitschaftsdienst. Wer die Nummer 116 117 wählt, erreicht seit April 2012 den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung. Bei lebensbedrohlichen Notfällen ist die Integrierte Rettungsleitstelle Bayreuth-Kulmbach (ILS) unter der Rufnummer 112 zuständig.

Weil viele Menschen aber einfach zu faul seien, sich nach dem nächstgelegenen Bereitschaftsarzt zu erkundigen, schlägt Wolfgang Gradel vom Bayerischen Hartmannbund vor, Notfallpraxen direkt neben dem Krankenhaus anzusiedeln. Die Bayreuther Notfallpraxis „Dokhaus“ befindet sich in der Spinnereistraße.

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