Oberbürgermeisterin wollte Vierjährige zum Sport motivieren Bayreuth: Stadtrat stoppt Sportprojekt für Kinder

Von Frank Schmälzle
Attacke: Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe wollte Kinder für Sport im Verein begeistern. Eine knappe Mehrheit im Stadtrat verhinderte dies. Foto: dpa Foto: red

Eine einzige Stimme hat gefehlt. Mit nur einer Stimme Mehrheit hat der Stadtrat bei den Haushaltsberatungen ein Projekt der Oberbürgermeisterin gekippt. Brigitte Merk-Erbe wollte Kinder in die Sportvereine bringen. Und scheiterte an der ätzenden Kritik der Skeptikern.

 
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25.000 Euro waren im Haushalt eingeplant. Die Rechnung dahinter ist einfach: Jedes Jahr feiern in Bayreuth etwa 500 Kinder ihren vierten Geburtstag. An diesem Tag sollte jedes Kind über die Kindergärten und Kindertagesstätten einen Gutschein über 50 Euro geschenkt bekommen. Anrechenbar auf den Mitgliedsbeitrag in einem Bayreuther Sportverein. Was die Oberbürgermeisterin damit wollte: Kinder zum Sport motivieren. Und die Vereine auf Dauer stärken. Sportamt und Stadtsportverband hatten Umfragen gestartet. Das Ergebnis: Mehr als 20 Bayreuther Sportvereine haben Angebote für Kinder ab vier Jahren oder planen zumindest, solche Angebote zu machen. Drei Jahre lang wollten die Oberbürgermeisterin und die Verwaltung das Projekt testen. Weil die Erfahrungen aus anderen Städten positiv sind.

Und trotzdem fand sich im Stadtrat keine Mehrheit für das Vorhaben "Sport im Elementarbereich". Hauptargument der Kritiker: Mit der Gieskanne erreicht man gar nichts. Das sagt Wolfgang Gruber, Stadtrat der DU und Vorstandsvorsitzender der SpVgg Oberfranken Bayreuth. Auch sein Verein war gefragt worden. Und man habe reflexartig geantwortet: Natürlich biete man Sport für Vierjährige an. Stimmt aber gar nicht, sagt Gruber. So sei das, wenn man den Eindruck erweckt, es gäbe etwas umsonst. Thomas Hacker sieht es von der anderen Seite: Nur Eltern, die sich ohnehin schon um Bewegung für ihre Kinder kümmern, würden von dem Angebot Gebrauch machen. Hacker nennt sie "Helicopter-Mamas und -Papas". Die, die es wirklich bräuchten, erreicht die Stadt mit den Gutscheinen nicht, meint der Fraktionsvorsitzende der FDP/DU. Und bemüht den Politiker-Sprech: "Aufsuchende Jugendarbeit brauchen wir auch im Sport."

Für Oberbürgermeisterin Merk-Erbe ist weder das eine noch das andere bewiesen. Wer sagt denn, dass nur ein bestimmtes Klientel die Gutscheine nutzen wird? Und wer sagt, dass Vereine nicht doch gute Angebote auch für Vierjährige machen? "Frühzeitige Bewegungsförderung und Teamfähigkeit sind wichtig", sagt Merk-Erbe. Das Projekt habe eine Chance verdient. Und bekommt sie doch nicht. Eine knappe Mehrheit im Stadtrat kippt die 25.000 Euro aus dem Haushalt.

Susanne Tittlbach ist Professorin an der Universität Bayreuth. Ihr Spezialgebiet: Sozial- und Gesundheitswissenschaften des Sports. "Dass sich Kinder mit vier Jahren auf eine Sportart in einem Verein festlegen sollen, ist sicher zu früh", sagt sie. Dass sie in diesem Alter Sport treiben, dass sie vielfältige Bewegungsmöglichkeiten angeboten bekommen, ist allerdings sehr sinnvoll. Solche Angebote gibt es - zum Beispiel die Kindersportschule der Turnerschaft oder auch die Ballsportschule in Weidenberg. Solche Angebote funktionieren sportartübergreifend.

Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen: Tatsächlich finden Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwierigen Verhältnissen seltener den Weg zum Sport im Verein. Deshalb sieht Susanne Tittlbach die Chance, das Sport-Projekt für die kleinen Bayreuther zu retten, in einer neuen Form der Kooperation. Zusammen können Vereine und Kindertagesstätten Kinder in Bewegung bringen. In den Kindergärten und Tagesstätten. "In der Lebenswirklichkeit der Kinder. Der Sport muss zu den Kindern kommen." Ihr Kollege Peter Kuhn, auch Sport-Professor an der Uni, macht genau das. Kampfkunst im Kinderhaus. "Das läuft sehr gut", sagt Tittlbach.

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