29 junge Flüchtlinge machen Kunst

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Bis vor kurzem interessierte sich Millad Sediqi noch nicht für Malerei. Der 21-jährige Afghane wollte Apotheker werden. Doch der Krieg in Afghanistan kam dazwischen, so dass er das Studium im 8. Semester abbrach. In Oberfranken fängt er wieder ganz von vorne an.

 
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"Die Situation war schlecht dort", sagt er in einfachem Deutsch. Daher hofft er, in der Bundesrepublik Deutsch lernen, weiter studieren zu können und eine Arbeit zu finden. Seine Eltern, ein Ingenieur und eine Lehrerin, und seine Schwestern musste er in Afghanistan zurückgelassen.

Noch ist der höfliche Flüchtling, der schnell lernt, weit weg von seinem Ziel, als Apotheker hinter einer Ladentheke zu stehen. Noch besucht er die Integrationsklasse, spielt mit Farbverläufen und hilft beim Übersetzen.

Kunst als Therapie?

Das Malen bringt ihm und anderen Asylsuchenden aus Wirsberg und Kulmbach heute Marion Kotyba, Mitglied im Verein Focus Europa, bei. Die Kursleitern spricht mit ihnen über Lieblingsfarben und die Wirkung von Farbtönen. "Für die Männer ist die künstlerische Betätigung eine willkommene Abwechslung", sagt Marion Kotyba und ist sich nicht sicher, ob sie auch eine therapeutische Wirkung hat. "Das kann sein und ist sicherlich vom Typ abhängig. Und ich frage nicht nach." Wer etwas über seine Erlebnisse sagen will, soll dies aus freien Stücken tun.

Der Vorsitzende von Focus Europa, Lutz-Benno Kracke aus Neudrossenfeld, hatte die Idee zu dem künstlerischen Austausch mit den Flüchtlingen. "Die jungen Männer im Alter von 18 bis 22 Jahren sprechen schon erstaunlich gut Deutsch", sagt Kracke. Weil sie nicht arbeiten dürften, hätten sie wenig zu tun. "Über die Kunst verständigten sie sich auf eigene Weise - auch ohne Worte. Kunst kann vieles ausdrücken und mit Kunst kann man Traumata verarbeiten." Um die Finanzierung zu sichern, holte sich der Verein, der sonst europaweit die Begegnung zwischen Künstlern fördert, das Landratsamt Kulmbach ins Boot.

Künstlerisch arbeiten und sich kennen lernen

Dort gibt es ein Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement (KoBe). Mit Leiterin Heike Söllner entwickelte Kracke das Projekt "lingART for refugees". Ehrenamtliche und Asylsuchende arbeiten gemeinsam auf der Basis von Kunst zusammen. Und nebenbei lernen sie die deutsche Sprache. "Wir haben fünf verschiedene Workshops: Malerei, Aquarell, Töpferei, Kalligrafie und Schnitzen", beschreibt Heike Söllner die Kurse, die jeweils freitags und samstags von 9.30 Uhr bis 16 Uhr in der Friedrich-von-Ellrodt-Schule angeboten werden. Zwei Kurse laufen parallel ab, das letzte Mal am 6. Mai.

Sprachpaten helfen bei der Verständigung

Mittlerweile haben sich 29 Asylsuchende und 16 Sprachpaten aus den Helferkreisen in den Kommunen gemeldet. Sie kommen aus Marktleugast, Himmelkron, Neuenmarkt, Wirsberg, Mainleus, Fölschnitz und Kulmbach. Oder wie Sprachpatin Sibylle Huth aus Bindlach. Die frühere Lehrerin wurde von einer Freundin auf das Projekt aufmerksam gemacht. Und so wurde sie neugierig. "Ich habe in Bayreuth einen Malkurs belegt", erzählt sie. "Das kann ich jetzt hier fortsetzen."

Berufswunsch: Mechaniker oder Arzt

Einer ihrer Schützlinge ist Haschem Kaschmiry. Seit acht Monaten lebt der 17-Jährige in Kulmbach in der Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge. Der Afghane zeichnet lieber anstatt zu Malen. Konzentriert arbeitet er an einem reich verzierten Ornament. Nach der Berufsschule würde er gerne eine Lehre als Mechaniker machen. "Erst muss ich Deutsch und Computer lernen", sagt er. Sein großer Traum: Ein Medizinstudium. Viele Hoffnungen verbinden die jungen Männer mit Deutschland. Einem Land, von dem sie annehmen, das seine Menschen sie freundlich empfangen und ihnen helfen.

Für ihre Tandempartner im Kunstprojekt gilt das uneingeschränkt. Genauso für die übrigen beteiligten Künstler Helga Hopfe, Katja Schafarik, Andrea Wunderlich und Roland Friedrich. Der Kunstpädagoge, Autor und Fotograf leitet einen Schnitzkurs mit zwölf Teilnehmern. Der Künstler bringt ihnen kleinere Schnitzarbeiten mit dem Handschnitzmesser bei. "Wir haben einen Brieföffner aus Lindenholz angefertigt", erklärt der freischaffende Künstler. Roland Friedrich empfindet das schöpferische Arbeiten in der Gruppe als Bereicherung. "Die sprachliche Barriere spielt keine Rolle. Es ist ein Zusammenwirken von Herz zu Herz."

Info: Zum Abschluss werden die besten Werke ausgestellt: Sonntag, 5. Juni, 14 Uhr im Eishaus hinter dem Bräuwerck in Neudrossenfeld.

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