Viel sagen, um sich rauszureden: Im Fall von Mario F. verstricken sich zwei LKA-Beamte in Widersprüche V-Mann-Führer im Kreuzverhör

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Hauptkommissar Norbert K. vom LKA in Nürnberg ist ein gut aussehender Mann. Der 49-Jährige trägt für das mit Spannung erwartete Wiedersehen mit seinem Ex-V-Mann Mario F. ein elegantes blaues Sakko, eine akkurat gebügelte graue Hose, eine sorgfältig geknotete blaue Krawatte, eine schwarze Brille. Im V-Mann-Prozess am Landgericht Würzburg macht er dennoch keine gutes Figur.

 
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Norbert K. ist der Hauptbeschuldigte von mehreren LKA-Beamten, gegen die im Zuge des Falls von Mario F. und der daraus entstandenen V-Mann-Affäre im Landeskriminalamt unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt wird.

Der Vorsitzende Richter ist in Hochform

Seine Zeugenaussage beginnt Norbert K. mit dem Hinweis, dass er als Beschuldigter keine Aussage machen wolle. Doch dann dauert seine Aussage von 9 bis 12.45 Uhr. Dazu kommt es, weil der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer, Konrad Döpfner, an diesem 9. Verhandlungstag des V-Mann-Prozesses, in Hochform ist. Dem Zeugen erklärt, dass er nicht pauschal die Aussage verweigern kann und die Möglichkeit der Verweigerung bei jeder Frage erneut geprüft werden muss. Und wesentlich dafür sorgt, dass Norbert K.’s nach vielen Fragen und Vorhalten aus Akten und bisherigen Beweisergebnissen viel sagt und doch versucht sich rauszureden. Und man diese Aussage stellen könnte unter die Überschrift: „Mein Name ist Norbert, ich weiß von nichts.“.

Es geht um mehr als nur um zehn Gramm Drogen

In dem Prozess geht es rechtlich „nur“ um fast zehn Gramm Crystal-Speed, die Mario F. am 23. November 2011 bei Waldsassen in der Unterhose nach Deutschland einschmuggelte. Unter anderem dafür wurde er im Sommer 2013 in Würzburg zu fast sieben Jahren verurteilt. Der Waldsassen-Fall wurde vom Bundesgerichtshof zur Neuverhandlung nach Würzburg zurückgegeben. Und vor dieser Neuverhandlung wurde die LKA-Affäre öffentlich. Die legt, kurz gesagt, nahe, dass Mario F. im Sommer 2013 in einem möglicherweise vom LKA unzulässig beeinflussten Prozess schuldig gesprochen wurde. Weil Norbert K. und weitere Beamte laut der Ermittlungen der Kripo Nürnberg wissentlich einen kriminellen V-Mann bei den „Bandido“-Rockern in Regensburg führte und diese Mitwisserschaft vertuschten, als im ersten Verfahren gegen Mario F. LKA-Machenschaften aufzufliegen drohten. Es geht also um weit mehr als zehn Gramm Crystal, es geht um ein Tribunal gegen das LKA.

Norbert K. braucht sich nicht selbst belasten

Mario F. behauptet: Norbert K. habe von seinen Straftaten gewusst, sie gedeckt und ihn sogar aus dem Knast geholt – auch im Fall des Waldsassener Drogenschmuggels. Auch im Fall von gestohlenen Baggern, die ein „Bandido“-Trupp aus Dänemark holte. Norbert K. sagt zu den Baggern: „Keine Aussage“. Er braucht sich nicht selbst belasten – er steht nämlich in Verdacht, von diesem Diebstahl so frühzeitig erfahren zu haben, dass er der Mittäterschaft dringend verdächtig ist. Zum Waldsassen-Fall sagt Norbert K.: Er habe er von der Drogenbeschaffung nicht vorab gewusst. Dass das Rauschgift für den damaligen „Bandido“-Präsidenten Ralf K. war, habe er erst an dem Tag der Festnahme erfahren. Als er und der V-Mann-Führer Nr. 2, Hauptkommissar Dieter W. (54), Mario F. in Waldsassen abholten.

Geheimbericht: Drogendeal sollte V-Mann „stärken“

Während Norbert K. behauptet, Mario F. habe in einem Nebensatz vom „Bandido“-Präsidenten Ralf K. als Empfänger des Crystal berichtet, bestreitet V-Mann-Führer Nr. 2 dies als Zeuge: „Definitiv nicht.“ Dieter W. sagt auch, die am Tag danach erfolgte Observation der Übertrittsparty von „Bandido“-Boss Ralf K. zu den „Hells Angels“ – sei gemacht worden, um Informationen zu gewinnen. Und widerspricht damit der vorangegangenen Behauptung von Norbert K., die Observation habe allein dem Schutz des V-Manns gegolten.

Der Richter spricht von "Wischi-Waschi"-Aussagen

Das ist nur ein Beispiel, warum der Gerichtsvorsitzende Konrad Döpfner von „Wischi-Waschi“-Aussagen spricht. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Norbert K. am Tag der Observation einen bis zu diesem Prozess geheim gehaltenen Bericht geschrieben hatte, in dem Mario F.’s Angaben, das Crystal sei für den „Bandido“-Boss Ralf K. bestimmt gewesen und er, Mario F. wolle mit der Besorgung in Tschechien „seine Rolle“ als V-Mann „bei den Bandidos stärken“, wiedergegeben sind.

Die Zeugen bestreiten Verrat an der Würzburger Kripo

In einem anderen Fall bestreiten beide LKAler, die Würzburger Kripo zugunsten von Mario F. getäuscht zu haben: Der hatte damals seine Tochter im Raum Kitzingen mit Drogen beliefert. Mario F. geriet ins Visier der Polizei, ein Würzburger Drogenfahnder stellte fest, dass Mario F. als V-Mann intern ausgeschrieben war – man sollte sich an Norbert K. wenden. Das tat der Kriminaler damals und nur kurz darauf hörten die Würzburger in einem abgehörten Telefonat, wie Mario F. seine Tochter warnte: „Wir werden abgehört.“ Der Würzburger Kriminaler war sich als Zeuge vor Gericht sicher: Mario F. war von Norbert K. gewarnt worden. Der stritt dies am Donnerstag ab, ebenso wie Dieter W.

Ein Fall von Gedächtnisverlust

Dieter W. litt zudem an Gedächtnisverlust. Dass er der einzige LKA-Zeuge gewesen war, der im ersten Prozess bestätigt hatte, dass man frühzeitig vom Baggerdiebstahl in Dänemark gewusst habe, bestritt er – und blieb dabei, obwohl ihm die Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer und Norman Jakob als Zeugen für seine Ursprungsaussage Gegenteiliges vorhielten. Dieter W. blieb auch dabei, als Verteidiger Alexander Schmidtgall ihm eine entsprechende dienstliche Stellungsnahme des damaligen Gerichtsvorsitzenden vorhielt.

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.

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