Verwilderte Katzen werden zum Problem

Von Moritz Kircher
Cornelia Tröber und Reiner Hauenstein (mit Rocky) von der Tierhilfe Weidenberg: Der Verein fängt jedes Jahr rund 70 verwilderte Katzen ein und lässt sie katrieren. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Rocky ist neun Wochen alt. Die kleine Hauskatze ist noch etwas dürr, aber sonst putzmunter. Vor wenigen Tagen haben die Leute der Tierhilfe Weidenberg Rocky in Löschwitz bei Kemnath abgeholt. Dort hauste der Kater in einem Holzstapel. Pro Jahr fängt die Tierhilfe im Großraum östlich von Bayreuth rund 70 verwilderte Katzen ein. Manche sind so schwach und krank, dass sie noch auf dem Weg zum Tierarzt sterben. Aus Sicht der Tierschützer gäbe es eine einfache Lösung, um das Problem  in den Griff zu bekommen: eine Kastrationspflicht für Hauskatzen. Aber die Staatsregierung will das nicht.

 
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In Löschwitz hatte eine Familie die Tierhilfe gerufen, als sie Rocky mit anderen Katzen hinter dem Haus entdeckte - Alltag für die Weidenberger Tierschützer. Der Vereinsvorsitzende Harald Hahnefeld berichtet von einem verlassenen Bauernhof, auf dem er und seine Mitstreiter in einem Vierteljahr mal 32 Katzen eingefangen haben. Sie kommen dann zum Tierarzt, werden untersucht, behandelt und - ganz wichtig - kastriert.

Tierhilfe gibt jedes Jahr 10000 Euro für den Tierarzt aus

Hahnefeld schätzt, dass sein Verein jedes Jahr rund 10000 Euro für tierärztliche Behandlungen verwilderter Katzen ausgibt. Die Tierhilfe lässt jedes Tier, das sie einfängt, kastrieren. Für eine Katze kostet das rund 100 Euro. Ein Kater kostet 50. Dabei gibt es nach Ansicht der Tierhilfe eine ganz einfache Lösung für das Problem, dass sich verwilderte Hauskatzen unkontrolliert vermehren: eine Kastrationspflicht für jede frei laufende Hauskatze. Tierschutzorganisationen in Bayern forderten das seit Jahren. Zahlreiche Initiativen im Landtag seien aber an der CSU-Mehrheit gescheitert. "Bayern ist da ganz weit hintendran", sagt Tierhilfe-Vorstandsmitglied Reiner Hauenstein.

Das Tierschutzgesetz überlässt es den Bundesländern, eine Pflicht zur Kastration einzuführen. Andere Bundesländer haben entsprechende Gesetze gemacht. Bayern bisher noch nicht. Im Freistaat ist das Umweltministerium für den Tierschutz zuständig. Dort heißt es auf Kurier-Anfrage, dass Impfungen und Kastration zu einer "verantwortungsbewussten und tierschutzgerechten Katzenhaltung gehören". Die Staatsregierung hat die Verantwortung dafür an die Landratsämter delegiert. "Vor Ort kann am besten beurteilt werden, ob Maßnahmen wie die Kastration oder das Verbot unkontrollierten freien Auslaufs erforderlich sind", teilt ein Sprecher des Ministeriums schriftlich mit.

Auch Jäger fordern eine Kastrationspflicht

Dabei sind "gerade verwilderte Katzen ein echtes Problem", sagt Adolf Reinel. Auch Jäger sprechen sich für eine Pflicht zur Kastration aus. Der Vorsitzende des Jägervereins Bayreuth berichtet: "Gerade in der Ferienzeit tauchen in meinem Revier immer wieder neue Katzen auf, die relativ schnell verwildern." Die fingen dann nicht nur Mäuse, sondern auch Rebhühner oder Fasane, "die fast ausgestorben sind", sagt Reinel. Er versucht, die Katzen so oft es geht lebend zu fangen. Manchmal bleibe ihm aber nichts anderes übrig, als eine Katze zu schießen.

Würde aus Sicht der Jäger eine Kastrationspflicht helfen? "Ja, auf jeden Fall", sagt Reinel. Katzen hätten zwar auch natürliche Feinde wie den Fuchs oder den Uhu. "Aber sie vermehren sich trotzdem sehr stark." Nach Angaben der Tierhilfe Weidenberg kann eine Katze im Jahr acht bis zehn Junge zur Welt bringen.

Kastrationspflicht für Streuner muss auch durchgesetzt werden

"Ein massives Problem", sagt Jürgen Greim vom Bayreuther Verein Menschen für Tierrechte. "Es ist eine Katastrophe, wie die verwilderten Katzen da draußen rumlaufen." Sie seien oft krank, hätten Parasiten. Eine Kastrationspflicht nennt Greim einen Anfang, wenngleich das Problem damit nicht gelöst sei. Die Pflicht müsste auch überprüft werden. "Wer kontrolliert das?", fragt Greim. Er befürchtet, dass sich der Freistaat die Kosten dafür sparen will. Er kenne Bauernhöfe, "da interessiert sich kein Mensch dafür, ob die Katzen kastriert sind".

Der Bayerische Bauernverband spricht sich gegen eine Kastrationspflicht für Hauskatzen aus. "Auf vielen Bauernhöfen leben Katzen und leisten ihren Beitrag zur Schädlingsbekämpfung im landwirtschaftlichen Betrieb", teilt ein Sprecher auf Anfrage des Kuriers mit. Mit einer Kastration könne zwar einer unkontrollierten Vermehrung und der Ausbreitung gesundheitlicher Probleme entgegen gewirkt werden. "Eine gesetzliche Pflicht zur Kastration von Katzen erachten wir jedoch als unverhältnismäßig."

Tierschützer wollen demnächst wieder einen neuen Anlauf starten

Mit diesen Argumenten wollen sich die Weidenberger Tierschützer nicht zufrieden geben. Demnächst soll es wieder eine Unterschriftenliste und eine Petition an den Landtag geben, an der der Verein mitwirken will. Harald Hahnefeld sagt, dass die verwilderten Katzen ein unsichtbares Problem seien, weil die Tiere scheu sind und sich vor Menschen versteckten. Er warnt jedoch: "Je länger man wartet, desto schlimmer wird das."

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