Fall Janina: Ortstermin im Dunkeln

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Grablichter und Kerzen stehen am 13. Januar 2016 in Oberaurach, Ortsteil Unterschleichach, in der Nähe des Ortes, an dem in der Silvesternacht ein elfjähriges Mädchen durch einen Kopfschuss getötet worden war. Foto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Im Fall um die in der Neujahrsnacht in Unterschleichach getötete elfjährige Janina wird es einen Ortstermin im Dunkeln geben. Das Landgericht Bamberg, vor dem sich der 54-jährige Todesschütze Roland E. wegen Mordes verantworten muss, will sich den Tatort am heutigen Mittwochabend noch genauer anschauen.

 
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Die elfjährige Janina musste in der Neujahrsnacht sterben, weil sich Rudolf E. durch den Krach gestört fühlte, den das Mädchen mit ihrer Freundin und deren Familie auf der Wiese neben seinem Haus am Ortsrand von Unterschleichach veranstaltete. Aus Wut und Frust habe er seinen Revolver aus dem Keller geholt, sei nach oben gegangen, um sein Haus herum und habe in Richtung der Feiernden geschossen, so die Anklage.

"Aus Blödsinn" geschossen

E. räumt zwar ein, geschossen zu haben, verneint jedoch, gezielt auf Menschen geschossen zu haben. Erklären, warum er überhaupt geschossen hat, kann er bis heute nicht. Den ermittelnden Beamten hatte er erklärt, er habe „aus Blödsinn“ geschossen.

Am frühen Morgen des Neujahrstages 2016 kam ein Anruf aus dem Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt.  Die Polizei solle kommen, ein junges Mädchen sei verstorben, Todesursache unklar. Die Beamten befragten noch im Krankenhaus die Mutter und deren Freundin, bei deren Tochter Janina Silvester gefeiert hatte.

Keine Aufsichtspflichtverletzung

Eine Aufsichtspflichtverletzung sei nicht gegeben gewesen, denn es ist normal, dass Kinder in dem Alter mit ihren Freundinnen feiern. „Ich kann mir nur vorstellen, dass irgendein Arschloch mein Kind mit einem Feuerwerkskörper am Kopf getroffen hat“, sagte die Mutter in ihrer Trauer damals der Polizei. Das war falsch.

Aber die Ärzte schwiegen zunächst, auch der Polizei gegenüber beriefen sie sich auf ihre Schweigepflicht. Erst nach „mehrmaligen Anläufen“ rückten die Ärzte mit Details heraus. Es dauerte zwei Stunden, bis die Aufnahmen von Janinas Kopf bei der Polizei waren.

Erfahrener Ermittler erkennt schnell, was los ist

Aber ein erfahrener Ermittler (60) hatte schon im Krankenhaus im Kopf des Mädchens einen „Einschusskanal“ erkannt, kreisrund, groß wie ein Loch im Papier, das man abheftet. Als der Polizist diesen Einschusskanal sah, informierte er sofort die Mordkommission.

Gleichzeitig informierte der Beamte das rechtsmedizinische Institut in Würzburg, wo Janinas Leichnam noch am gleichen Tag obduziert wurde. „Schneller hätte man es nicht abwickeln können.“ Wichtig war zu wissen, was im Kopf des Mädchens steckte. Die Ermittler wollten erfahren, „wonach suchen wir überhaupt?“. Als sie die Aufnahmen der Ärzte sahen, war klar: es war ein Geschoss eines Kleinkalibergewehres.

Roland E. steht verschlafen in der Tür

Vier Polizisten durchkämmten seit dem frühen Neujahrsmorgen den kleinen Ort. Sie klingelten bei den Anwohnern. 8.30 Uhr, bei Roland E. öffnete niemand. Erst als eine Polizistin um 10.45 Uhr das zweite Mal klingelte, öffnete Roland E. Nach mehrmaligem Klingeln stand er völlig verschlafen in der Tür.

Alleine im Haus? Ja. Was er in der Nacht gemacht habe? Er sei JVA-Mitarbeiter,  habe Nachtschicht gehabt, sei müde gewesen, sei kurz vor Mitternacht eingeschlafen. Er habe nichts mitbekommen, gesehen habe er auch niemanden. Die Polizistin wundert sich noch heute, dass E. sie nicht gefragt hat, was überhaupt passiert sein könnte. Im Gegensatz zu den anderen Nachbarn, die sie mit Fragen löchern.

Angeblich seit 15 Jahren nicht geschossen

Weil Roland E. sich im Laufe der Ermittlungen in Widersprüche verwickelte, kamen die Beamten auf ihn. Er gab an, seit 15 Jahren nicht mehr geschossen zu haben – aber der Revolver war am Neujahrstag komplett eingeölt. Er hatte gesagt, er habe die ganze Nacht geschlafen, Nachbarn aber hatten gesehen, dass sein Rollladen sich in der Neujahrsnacht bewegte.

Als E. in seiner Arbeitsstelle zehn Tage nach der Tat in der Justizvollzugsanstalt Ebrach verhaftet wurde, leugnete er nicht. Der Beamte, der ihn verhaftete, beschrieb ihn als fast kalt, ohne menschliche Regung. Auf keinen Fall sei er geschockt gewesen. Er habe keine einzige Frage gestellt. Für ihn sei das klar gewesen, was ab jetzt passieren würde. Als ob er darauf gewartet habe.

Angeklagter folgt dem Prozess ohne Regung

Auch dem Prozess folgt E. fast regungslos. Zu Beginn nimmt er seine Mütze ab, hinter der er sich vor den Fotografen versteckt. Er vermeidet jeglichen Blickkontakt mit der Mutter von Janina, die nur knapp anderthalb Meter von ihm entfernt sitzt. Ein Urteil könnte bereits in der nächsten Woche fallen.

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