In der Integrierten Leitstelle liefen am Absturztag alle Fäden zusammen F-16-Absturz: Zwei Männer gegen die Zeit

Von Sarah Bernhard
Ohne sie wären am vergangenen Dienstag alle aufgeschmissen gewesen: Volker Haueis (links) koordinierte am Absturztag der F-16 die Einsatzkräfte, Martin Kraus übernahm die Kommunikation mit den Amerikanern. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Volker Haueis und Martin Kraus arbeiten in der Integrierten Leitstelle (ILS) Bayreuth/Kulmbach. Sie waren also mit die Ersten, die vom abgestürzten Militärjet bei Engelmannsreuth erfuhren. Und mussten nicht nur die Einsatzkräfte koordinieren, sondern auch der Air Force in Spangdahlem die Nachricht überbringen, dass sie künftig einen Flieger weniger haben wird.

 
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Die Alarmierung

Vier Minuten. So lange dauert es bei einem MANV, einem „Massenanfall von Verletzten“ Stufe 2, alle nötigen Einsatzkräfte zu alarmieren. Es ist fast die höchste Einsatzstufe, „nur bei B-Atom wäre noch mehr gekommen“, sagt Volker Haueis. 200 Rettungskräfte und 400 Feuerwehrmänner machen sich auf seinen Wink hin auf den Weg nach Engelmannsreuth. „Wir wussten weder, was für ein Flugzeug es ist, noch, wie viele Menschen beteiligt sind“, sagt Haueis. In solchen Fällen gelte: Besser zu viel als zu wenig.

Der Anruf

Kurze Zeit später meldet sich der Pilot. Er beantwortet bereitwillig Martin Kraus’ Fragen, auch die nach Waffen (keine an Bord) und gefährlichen Stoffen (Kerosin und Hydrazin). Außerdem bittet er Kraus, in Spangdahlem Bescheid zu geben, dass es ihm gut gehe. „Die wussten vermutlich noch nichts von dem Absturz, sonst wäre der Offizier nicht so überrascht gewesen.“

Die Verständigung

„Der Pilot hat klares Englisch gesprochen, das war kein Problem“, sagt Kraus. Durchschnittlich zweimal pro Woche rufe jemand an, der kein Deutsch spreche: Panne auf der A 9, Bauchschmerzen in der Erstaufnahmeeinrichtung, kranker Festspielgast. Englisch gehe gut, für andere Sprachen werde Hilfe angefordert, sagt Leitstellenleiter Markus Ruckdeschel. Türkisch könne die Leitstelle der Berufsfeuerwehr Berlin, Polnisch die Grenzpolizei.

Die Entscheidung

Am Ende des Gesprächs fordert Kraus den Piloten auf, sich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Der gehorcht. „Die werden mit zigfacher Erdbeschleunigung aus dem Flugzeug katapultiert“, sagt Ruckdeschel. Dafür seien weder Organe noch Wirbelsäule ausgelegt. „Auf Rettungskräfte aus Grafenwöhr zu warten, wäre grob fahrlässig gewesen.“

Das „Gerangel“

Ein Kompetenzgerangel habe es nie gegeben, sagt Ruckdeschel. „Schon um zehn Uhr war klar, dass der Jet in der Oberpfalz abgestürzt ist.“ Die Koordination an die ILS Nordoberpfalz zu übergeben, hätte aber viel zu lange gedauert: 25 Minuten wird Haueis am Abend brauchen, um der Nachtschicht zu erklären, was passiert ist. Im laufenden Einsatz am Morgen genau 25 Minuten zu viel. Und auch im Nachhinein sind sich die ILS Leiter aus Bayreuth und Weiden einig: "Die Entscheidung war goldrichtig."

Der Nachmittag

Haueis und Kraus müssen nicht nur den Einsatz in Engelmannsreuth koordinieren. Sie müssen auch die abgesagten regulären Termine neu vergeben. „Einem Dialysepatienten ist es egal, ob ein Flugzeug runtergefallen ist, dem ist wichtig, dass er ans Dialysegerät kommt“, sagt Haueis. Und sie müssen darauf achten, dass auch überall anders genügend Einsatzkräfte sind. Bis zum Schichtende um 18.30 Uhr werden Haueis, Kraus und ihre Kollegen noch 83 weitere Rettungsdiensteinsätze, drei Feuerwehreinsätze und 229 sonstige Anfragen bearbeitet haben. „War ich froh, als meine Schicht zu Ende war“, sagt Haueis. „Das können Sie mir glauben.“

Dort, wo der Pilot beim Versuch durchzustarten die Reservetanks abgeworfen hat, wurde Ende vergangener Woche der Boden abgetragen. Die Tanks waren in einem Maisfeld sowie in einem Wald nahe des Rußweihers gefunden worden. Wie Heinz Giehl von der Abteilung Wasserrecht des Landratsamtes Neustadt/Waldnaab mitteilt, konnten die Arbeiten rechtzeitig vor dem Regen abgeschlossen werden, so dass es nicht zu Auswaschungen kam.

Die belastete Erde wurde in Containern auf das Gelände des Truppenübungsplatzes gebracht, wo sie untersucht wird. Gefüllt waren die Zusatztanks mit JP-8, dem gängigsten US-Turbinenkraftstoff, der auf Kerosin basiert.

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