Er bestreitet Tötungsvorsatz und behauptet, das verletzte Opfer habe Hilfe abgelehnt Baustellenmord: Angeklagter sagt aus

Von Manfred Scherer
Der Angeklagte Adrian O. (2. v l), links daneben sein polnischer Verteidiger Jacek Franek, dazu die Dolmetscherin Barbara Sabarth und ganz rechts der deutsche Verteidiger Wolfgang Schwemmer. Foto: Manfred Scherer Foto: red

Im Prozess um den Baustellenmord hat der angeklagte Bauarbeiter sein Schweigen gebrochen. Er gibt zu, seinen älteren Kollegen geprügelt und gepfählt zu haben. Aber er bestreitet, ihn vorsätzlich getötet zu haben. Dies hatte er schon bei der Polizei gesagt. Dort   hatte er ein ganz besonderes Tatmotiv angegeben, das er jetzt vor Gericht nicht nannte. Etwa aus Scham?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Am 9. Februar spät abends gab es bei der Bayreuther Polizei Großalarm: In einem Rohbau in der Rathstraße war die Leiche des 43-jährigen Roman Z. gefunden worden. Der Bauarbeiter aus Polen, der hier zusammen mit anderen mit der Sanierung eines Altbaus beschäftigt gewesen war, lag zugedeckt und verblutet auf einer Matratze im ersten Stock. Er war brutal verprügelt und, wie mehrfach berichtet, gepfählt worden.

Eine lange Nacht-Vernehmung

Als Verdächtigen ermittelte die Polizei den heute 27-jährigen Adrian O., einen Landsmann des Toten. Drei Kriminalbeamte sichteten ihn bei der Fahndung am Bahnhofsvorplatz. O. hatte ein Fernbusticket in der Tasche. Eine junge Kriminalhauptkommissarin und einer der erfahrensten Mordermittler der Bayreuther Kripo vernahmen den Verdächtigen – von Mitternacht bis am Morgen des 10. Februar um 6.45 Uhr.

Der Tatvorwurf verschärft sich im Lauf des Verfahrens

Die Ermittlungen der Kripo mündeten in einen Haftbefehl, der zunächst auf Totschlag lautete. Doch danach verschärfte die Staatsanwaltschaft und auch das Landgericht bei der Zulassung der Anklage den Vorwurf: Mord. Wie berichtet, soll Adrian O. sein Opfer brutal misshandelt und getötet haben, ja sogar die Tat gefilmt haben. Den Umstand, dass er sein Opfer grün und blau und blutig prügelte, es zudem pfählte und es verbluten ließ, wertet die Anklagebehörde als Mord aus Grausamkeit und niederen Beweggründen.

"Ich wollte ihm eine Lektion erteilen"

Für diese Annahme sprechen die Verletzungen, die an der Leiche festgestellt wurden. Ein Gutachter hat zudem festgestellt, dass Roman Z. unter extremen Schmerzen verblutet sei.

Mord – weil Adrian O. ihn wissentlich verbluten ließ? Der Angeklagte, der die ersten drei Prozesstage geschwiegen hatte, sagte am Freitag endlich aus. Ja, er habe Roman Z. geprügelt. Ja, er habe mit ihm gestritten. Ja, er habe ihn gepfählt. Nein, er habe ihn nicht umbringen wollen: „Ich wollte ihm eine Lektion erteilen.“ Adrian O. erklärt vor Gericht die Hintergründe so: Roman Z. sei ein Trinker gewesen. Betrunken sei er ein unangenehmer Mensch gewesen. Er habe ihn und seine Freundin übel beleidigt. Er beschreibt Roman Z. fast als einen Sadisten, der ihn getriezt und gequält habe. Roman Z., der als eine Art Bauleiter auf der Baustelle das sagen gehabt habe, habe ihn beim Chef schlecht gemacht und ihn gar wegen eines Ladendiebstahls bei der Polizei verraten.

Opfer wollte keine Hilfe - nur Bier und Zigarette

Und deshalb sei es am Tattag, den 8. Februar, zum Streit gekommen. Er selbst und auch Roman Z. seien betrunken gewesen. Der Streit wurde zur Schubserei, dann zu Prügelei, die nach den Worten des Angeklagten ausgeartet sei. Unvermittelt beschreibt der Angeklagte, wie er Roman Z. mit einem Stück Holz gepfählt habe: „Aber ich habe nicht sehr viel Kraft aufgewendet.“ Danach habe er ihm auf die Matratze geholfen, ihn zugedeckt. Mit der Zeit habe er Bedenken bekommen, ob Roman Z. nicht doch Hilfe brauche. „Ich fragte ihn, ob ich eine ich Ambulanz holen soll. Er sagte, dass alles in Ordnung ist mit ihm. Ich müsse nirgends anrufen. Er wollte ein Bier und eine Zigarette.“

Am Tatort wischte jemand mit Wasser Blut weg

Erst am Morgend danach will Adrian O. festgestellt haben, dass Roman Z. kalt und tot war. Er telefonierte mit Arbeitskollegen, bekam von ihnen 50 Euro und angeblich den Tipp: „Hau ab.“ Die ersten Polizisten, die danach den Tatort betraten, stellten fest, dass im Haus mit Wasser gewischt worden war – um die vielen Blutspritzer notdürftig abzuwaschen?

Eine Tat als Retourkutsche?

Bei der ersten langen Nacht-Vernehmung berichtete Adrian O., warum er wirklich auf Roman Z. losgegangen war. Die junge Hauptkommissarin sagt aus, sie habe bei dem Beschuldigten zunächst keine Regung erkennen können. Adrian O. habe in der Nacht-Vernehmung die Tat zwar gestanden, aber auch da den Tötungsvorsatz bestritten. Sie habe erst spät „Schweißperlen auf der Stirn“ des Beschuldigten und Nervosität wahrgenommen, als Adrian O. stotternd berichtete, dass er zuvor mehrfach von Roman Z. sexuell missbraucht worden sei. Die zwei Männer hatten demnach in dem Rohbau genächtigt und Adrian O. will in mehreren Fällen aufgewacht sein, weil der Ältere ihn sexuell bedrängt habe. Der Beschuldigte behauptete, Roman Z. habe ihn mehrmals mit einem Bratenwender vergewaltigt und soll einen solchen Übergriff auch für die Tatnacht mit den Worten angekündigt haben: „Du wirst schon sehen, was heute Nacht wieder passiert.“ Da habe er die angeklagte Tat begangen und will dabei Roman Z. als „Schwulen“ beschimpft und gesagt haben: „Jetzt wirst du mal sehen, wie das ist.“ Die Schilderung der Vergewaltigung des Roman O. – diese Tat rief stark blutende innere Verletzungen hervor – beendete Adrian O. mit den Worten: „Wie lange muss ich noch davon erzählen?“ Die junge Kriminalbeamtin berichtete: „Ich hatte den Eindruck, dass ihm das extrem unangenehm war.“ Bei den vielen Telefonaten mit seinen Kollegen danach habe Roman Z. nicht von den Hintergründen gesprochen – aus Angst, dass „das alles in Polen bekannt wird.“

Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. Erst am Mittwoch will der Angeklagte Fragen zu seiner Tatversion beantworten.

Bilder