Krisengespräch im Zigarettenwerk: Transfergesellschaft soll Mitarbeitern neue Chancen geben BAT: "Mitarbeiter brauchen Perspektive“

Von Frank Schmälzle
Krisengespräch bei der BAT: Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Arbeitsministerin Emilia Müller, Markus Schmitz Bundesagentur für Arbeit und Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe stimmen die nächsten Schritte ab. Der erste: Für die Beschäftigten soll eine Transfergesellschaft eingerichtet werden. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Eine Transfergesellschaft soll die 950 Beschäftigten, die ab Ende des Jahres 2017 ihren Arbeitsplatz bei der BAT in Bayreuth verlieren, auffangen und für neue Jobs qualifizieren. Und: Der Freistaat Bayern werde bei der Suche nach neuen Unternehmen helfen, die das freiwerdende Werk an der Weiherstraße nutzen sollen. Das sind die Ergebnisse eines Krisentreffens am Freitag im BAT-Werk. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten will sehr bald Ergebnisse sehen. "Sonst kracht's hier."

 
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Knapp zwei Stunden haben sie verhandelt. Geschäftsleitung, Mitarbeitervertreter und Politik. Es ist die ganz große Besetzung, denn es ist die ganz große Katastrophe für Bayreuth und die Region: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist gekommen, Arbeitsministerin Emilia Müller und Gesundheitsministerin Melanie Huml auch. Die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Anette Kramme, der Chef der bayerischen Arbeitsagenturen, Markus Schmitz, und Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe.

Qualifizieren und Zeit gewinnen

Draußen vor dem Haupteingang der BAT gibt es eine improvisierte Pressekonferenz. „Die Mitarbeiter brauchen jetzt eine Perspektive“, sagt Aigner. Und die könne eine Transfergesellschaft bieten. Sie soll BAT-Mitarbeiter für andere Jobs fit machen. Und für die nächsten zweieinhalb Jahre wären die Mitarbeiter, deren Namen auf der BAT-Kündigungsliste stehen, abgesichert. Ende 2017 will das Unternehmen die Zigarettenherstellung dicht machen. Danach kämen zwölf Monate in der Transfergesellschaft.

Und danach? Für Aigner ist es eher ein „bis dahin“. Bis dahin sollen neue Unternehmen in die Hallen der BAT einziehen, sollen neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist die Hoffnung der Wirtschaftsministerin. Der Freistaat werde helfen - auch über seine Vermittlungsagentur Invest in Bavaria. Ganz unvorbereitet trifft die Ministerin die Entscheidung des Tabak-Konzerns nicht. Ja, sagt sie. Es hat in den vergangenen Wochen Gespräche mit Vertretern der oberfränkischen Wirtschaftskammern und der Stadt Bayreuth gegeben. Da sind Forderungen und Wünsche laut geworden. Einer davon: Die Stadt wolle als Ausgleich für die fast vollständige Produktionsstillegung bei der BAT einen ordentlichen Zuschuss des Freistaates zur Sanierung der Stadthalle. „Das wird man alles prüfen müssen“, sagt die Wirtschaftsministerin. In der kommenden Woche wird Aigner das bayerische Kabinett über die Lage in Bayreuth informieren.

Das sagen die Bayreuther zum Stellenabbau bei BAT:

Betriebsrat erinnert die BAT an ihre Verantwortung

In der kommenden Woche geschieht noch mehr. Für Dienstag hat Betriebsrats-Chef Paul Walberer die BAT-Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Er will hören, was die Mitarbeiter jetzt brauchen und wollen. „Die Transfergesellschaft ist eine unserer zentralen Forderungen“, sagt Walberer. Nicht nur für zwölf Monate - solange zahlt die öffentliche Hand 67 Prozent der letzten Nettolöhne der Mitarbeiter, das Unternehmen trägt die Sozialabgaben. „Wir wollen mehr haben, die Transfergesellschaft muss gerade im Hinblick auf die vielen älteren Kollegen länger laufen.“ Die Transfergesellschaft gebe den Beschäftigten Zeit, sich zu fangen, sich zu festigen und sich für andere Arbeitsplätze zu qualifizieren. Geld dafür sei vorhanden. „Unser Unternehmen ist gesund. Die BAT hat eine Verpflichtung, für ihre Mitarbeiter zu sorgen.“ Auch über einen Sozialplan, auch über Abfindungen und eine Vorruhestandsregelung.

Beschäftigte kämpfen weiter

Die Mitarbeiter sind an diesem Freitag, trotz der Schock-Nachricht einen Tag zuvor, in großer Zahl zur Arbeit gekommen. „Der Produktionsausstoß wird heute sicher keinen Rekord brechen“, sagt Walberer. „Heute geht es darum, dass die Kollegen miteinander reden.“ Das sei besser, als sie ein verlängertes Wochenende grübeln zu lassen. „Sie sollen sich nicht allein gelassen fühlen“, sagt der Betriebsrats-Chef. „Auf uns Betriebsräte und Gewerkschafter ruhen jetzt viele Hoffnungen.“ Auch andere wollen dazu beitragen, dass die Beschäftigten nicht in ein Loch fallen. Die Arbeitsagentur wird ein eigenes Büro bei der BAT eröffnen.

Die Versichertengemeinschaft muss Millionen aufbringen

Doch Walberer weiß sehr genau, wer im Bayreuther BAT-Werk arbeitet. Ein Großteil der Belegschaft arbeite schon lange hier, habe „sehr spezifische Aufgaben“, sagt Walberer. Erledige Arbeiten, die es in anderen Unternehmen gar nicht gibt. Anette Kramme, Bayreuther SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, wird deutlicher: „Viele haben zwar eine Ausbildung, aber sie sind durch die lange Zeit bei der BAT dequalifiziert.“ Die Transfergesellschaft werde der Versichertengemeinschaft Millionen kosten - die BAT will Kramme nicht ungeschoren davonkommen lassen. „Ich habe die Erwartung, dass das Unternehmen hinreichend Geld für die Qualifizierung und Bildung seiner Mitarbeiter zur Verfügung stellt.“

Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe sagt: Sie hoffe, dass möglichst viele von Kündigungen betroffene BAT-Mitarbeiter in anderen Bereichen Arbeitsplätze finden. Aber: „Industriearbeitsplätze gibt es in Bayreuth eher wenige.“ Verwaltungsmitarbeiter hätten derzeit wohl eine bessere Ausgangsposition. Sorgen macht sie sich auch um die Frauen, die etwa ein Drittel der Belegschaft in der Produktion ausmachen. „Sie sind nicht selten seit 20,30 Jahren hier beschäftigt und können nach der langen Zeit nicht einfach in den Beruf zurück, den sie einmal gelernt haben.“ Umso wichtiger sei es nun, dass die Transfergesellschaft kommt. Wenn man denn etwas Positives sehen wolle: Die über 30 Auszubildenden sollen ihre Lehre abschließen können. Bei der BAT in Bayreuth, in der Hamburger Unternehmenszentrale oder bei anderen Firmen.

Die Verkündung im Wortlaut:

Schnelle Ergebnisse - "sonst kracht's hier"

Zeit ist für Michael Grundl jetzt ein Kriterium. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten drückt aufs Tempo: Bis Ende August sollen die Gespräche mit dem BAT-Management über die Transfergesellschaft und die andere Absicherungsmaßnahmen für die Mitarbeiter abgeschlossen sein. Sonst werde die Gewerkschaft zu Aktionen aufrufen. Grundl: „Um es mal klar zu sagen: Wenn bis Ende August keine Ergebnisse vorliegen, dann kracht’s hier.“

Info: Am Donnerstag hatte die BAT bekannt gegeben, dass sie die Produktion am Standort Bayreuth weitgehend stilllegen wird. Ab Ende 2017 werden schrittweise 950 Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren. Das Unternehmen begründet das mit der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Betriebsrat und Gewerkschaft kritisieren die Entscheidung scharf: Das Bayreuther Werk sei hochprofitabel.

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