BAT: "Ein Erdbeben in Bayreuth"

Von Frank Schmälzle
 Foto: red

950 Arbeitsplätze – weg: Bis Mitte 2018 legt British American Tobacco (BAT) nahezu die gesamte Produktion am Standort Bayreuth still. Das haben die Mitarbeiter gestern bei einer Versammlung auf dem Werksgelände erfahren. Sie gingen mit versteinerten Gesichtern.

 
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Die Zigarettenherstellung am Standort Bayreuth wird Ende des Jahres 2017 eingestellt. Ein halbes Jahr später ist dann auch mit der Produktion von Halbfertigwaren für den Export Schluss.

Es ist ein Schock. Paul Walberer steht draußen vor dem Haupteingang der BAT. Die Arme über der Brust verschränkt, er ist bleich. „Das ist ein Erdbeben in Bayreuth“, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Und: „Wir hatten von Anfang an keine Chance.“ Dass alle Hilfsangebote, all die Bereitschaft zum Verzicht nichts bewirkt haben und dass Stellen in einem Ausmaß abgebaut werden, wie es weder die Mitarbeiter noch der Betriebsrat erwartet hatten, das haue ihn fast um, sagt er. Die Mitarbeiter wären zu Einschnitten bereit gewesen, die Stadt und das Land Bayern wollten helfen. „Aber was wir anzubieten hatten, war nicht im Entferntesten das, was das Konzernmanagement wollte.“

"Früher hießt es: Einmal BAT, immer BAT"

Die meisten seiner Kollegen sind schon lange im Werk beschäftigt. „Wir haben eine hoch qualifizierte Belegschaft“, sagt Walberer. Und sie alle hätten sich auf BAT verlassen. „Früher hieß es mal: Einmal BAT, immer BAT“, Walberer lächelt bitter. „Das zählt nun nicht mehr.“

370 Arbeitsplätze sollen in Bayreuth bleiben. In der Tabakaufbereitung und in der Feinschnittherstellung. Im Flavouring, wo Geschmackszusätze entstehen. In der Qualitätssicherung und im Forschungs- und Entwicklungszentrum, in dem Produkte für die gesamte europäische Produktion geplant und getestet werden. Walberer hat das Vertrauen in die Zusagen seines Unternehmens verloren. Er sagt: „Das ist eine Beruhigungspille. Ich glaube hier nicht mehr an eine Zukunft.“ Was die BAT da macht, sagt der Betriebsrats-Chef, ist unnötig. „Wir sind nach wie vor der produktivste Standort und wir schreiben schwarze Zahlen.“

Schwarze Zahlen? „Kein Standort schreibt schwarze Zahlen. So denken wir nicht“, sagt Ralf Wittenberg, Sprecher der deutschen BAT-Geschäftsführung, vor der Presse. Was zählt ist das Gesamtergebnis der Werke in der BAT-Region Europa. Wittenberg versucht zu erklären, er versucht den Spagat. Er spricht von einem „erheblichen Stellenabbau, Das war für alle ein harter Schlag.“ Die Zahl der BAT-Mitarbeiter in Deutschland schrumpft mit dem Streichen von 950 Stellen in Bayreuth auf die Hälfte zusammen. Das sei schmerzlich, sagt Wittenberg, aber unvermeidlich.

Weil die BAT zu viel Produktionskapazität für einen schrumpfenden Markt habe. 2015 habe das Unternehmen in Europa 23 Milliarden Zigaretten weniger verkauft worden als noch vier Jahre zuvor. „Das ist das Volumen eines großen Werks.“ Deshalb hat die BAT seit 2015 ihre Produktionsstandorte überprüft. Und schließt jetzt ihre weltweit größte Fertigungsstätte in Bayreuth. Dass sich die BAT einen Teil ihrer Überkapazitäten selbst geschaffen hat, will Wittenberg so nicht bestätigen. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen ein Werk in Kroatien gekauft. Die Bayreuther Produktion wird jetzt in Werke in Polen und Rumänien, in Ungarn und eben in Kroatien verlagert. Damit deren Auslastung stimmt. „In Kroatien haben wir eine Firma gekauft, mit der wir unsere Marktposition gestärkt haben. Dazu gehörte ein Werk, das die Produktionskapazität erhöht hat.“ Nach diesem Deal sei die konzerninterne Prüfung der Standorte zunächst auf Eis gelegt worden.

Die Entscheidung im O-Ton:

Wie geht es jetzt weiter?

Mit den Folgen dieser Prüfung müssen jetzt 950 Mitarbeiter des Bayreuther Werks leben. Wie? Das weiß noch niemand. „So schnell wie möglich“ sollen die Beschäftigten wissen, wie es weitergeht, sagt Wittenberg. Fakten hat er nicht: Es sei noch zu früh, darüber zu reden, wie viel Geld in einem Sozialplan für die Beschäftigten, die eine Kündigung bekommen, stecken wird. Noch zu früh, um über Vorruhestandsregelungen oder Qualifizierungsmaßnahmen zu reden, die die Chancen der Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt steigern könnten.

„Die BAT wird eine Menge Geld auf den Tisch legen müssen“, sagt Michael Grundl, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Oberfranken. Das Unternehmen könne es sich leisten. „Hier wird eine Menge Geld verdient.“ Im vergangenen Jahr lag der Konzerngewinn bei 5,4 Milliarden Euro. „Wir werden die BAT fordern.“ Am Dienstag sollen die Gespräche zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und Mitarbeitern beginnen. Am Ende soll ein Forderungskatalog an das Unternehmen dabei herauskommen. Grundl sagt: „Nichts kann den Verlust des Arbeitsplatzes wirklich ausgleichen.“ Aber die Mitarbeiter bräuchten eine Perspektive.

Kämpfen will auch Betriebsrats-Chef Walberer – den Stolz will er sich und seinen Kollegen nicht nehmen lassen: „Wir werden uns hoch erhobenen Hauptes den Aufgaben stellen, die jetzt kommen.“

Es gab Tränen bei der Mitarbeiterversammlung, sagt Betriebsseelsorger Eckhard Schneider. „Viel Trauer und viel Betroffenheit.“ Schneider kennt eine Familie, die gerade ein Haus gebaut hat. Sie und er arbeiten beide bei der BAT und verlieren jetzt wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz. „Ich kann mir vorstellen, was jetzt in ihnen vor sich geht. Was hier abläuft, ist eine Konzernentscheidung. Da geht es nicht um Menschen. Das macht mich sprachlos.“

Info: Die Fabrik der BAT an der Weiherstraße soll nicht abgerissen werden. Die Maschinen werden entweder verschrottet oder sie kommen in anderen Werken zum Einsatz. Mit der Stadt sei das Unternehmen in Gesprächen, sagt BAT-Chef Ralf Wittenberg. Die BAT hatte im vergangenen Jahr 15 Millionen Euro Gewerbesteuer an die Stadt überwiesen. Die Gewerbesteuer bemisst sich auch an der Zahl der
Mitarbeiter.

 

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