Verwaltung bereitet längere Schließzeiten vor Bayreuth: Für die Spielhallen fallen die Würfel

Von Frank Schmälzle
Sollen Spielhallen in Bayreuth über länger schließen müssen? Die Stadtverwaltung arbeitet an einer Verordnung, die das möglich machen soll. Und die auch einer Klage der Spielhallen-Betreiber standhält. Foto: Wittek Foto: red

Andy Meindl hält es für blanken Unsinn: „Das bringt gar nichts. Und kostet nur Arbeitsplätze.“ Was der Präsident des Bundesverbandes deutscher Automatenunternehmer Unsinn nennt, beschäftigt das Bayreuther Rathaus seit fünf Monaten: eine Verordnung, die die Spielhallen in der Stadt dazu verpflichten soll, über die gesetzlich vorgeschriebene Schließzeit von 3 bis 6 Uhr morgens weitere drei Stunden dicht zu machen. Im April soll der Entwurf dieser Verordnung, die die Spielsucht eindämmen soll, vorliegen. Meindl sagt: „Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

 
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"Ins Nirwana abgedriftet:" Eigentlich, sagt Beate Kuhn, habe die Verwaltung bereits im vergangenen Herbst einen Entwurf für die Bayreuther Schließzeit-Verordnung vorlegen wollen. Einfach ist das nicht, denn: Eine solche Verordnung muss vor Gericht Bestand haben. Die Stadt rechnet mit einer Normenkontrollklage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, wenn sie die Geschäftszeiten der Spielhallen über das gesetzliche Maß hinaus einschränken will. Das haben andere Städte so schon erlebt. Dass es allerdings so lange dauert, bis die Verwaltung liefert, wundert die SPD-Stadträtin, die zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Halil Tasdelen den Antrag gestellt hatte. „Das Thema scheint wohl ins Nirwana abgedriftet zu sein.“

Verwaltung muss neu rechnen: Ist es nicht, sagt der Rechtsreferent der Stadt, Ulrich Pfeifer. Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Als der Hauptausschuss des Stadtrates der Verwaltung im September den Auftrag gab, gab es in Bayreuth 31 Spielhallen. Damals kamen in Bayreuth auf 1000 Einwohner 4,88 Spielgeräte - weit mehr als im Durchschnitt: Bayernweit kommen auf 1000 Einwohner 3,11 Spielgeräte. Inzwischen sind zwei Spielhallen verschwunden, sagt Pfeifer. Jetzt muss neu gerechnet werden: Liegt Bayreuth bei der Automaten-Dichte immer noch deutlich über dem Landesdurchschnitt? Davon wird abhängen, ob eine Schließzeit-Verordnung vor Gericht hält.

Die Augsburger hatten Mut: So war das auch in Augsburg. Die Stadt Augsburg hatte den Mut, das zu tun, was die Mehrheit der Städte in Bayern nach einer Umfrage der Bayreuther Verwaltung offenbar scheut. Hatte den Mut, eine Schließzeit-Verordnung über die gesetzliche Regelung hinaus zu erlassen. Wohl wissend, dass sie sich damit eine Klage einhandelt. In Augsburg kamen statistisch gesehen 4,31 Spielgeräte auf 1000 Einwohner. Augsburg lag also über dem Landesdurchschnitt. Die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gaben der Stadt Recht. Seitdem sind die Spielhallen in Augsburg nicht nur während der gesetzlichen Schließzeit, sondern darüber hinaus von 6 bis 9 Uhr morgens geschlossen.

Die Spielhallenbetreiber haben Zweifel: Ob das was bringt? Andy Meindl hat Zweifel. „Unter dem Gesichtspunkt, die Spielsucht bekämpfen zu wollen, bringt eine Verlängerung der Schließzeit gar nichts“, sagt der Präsident der deutschen Automatenunternehmer. Denn: Spielen geht immer. Wenn nicht in Casinos und Spielhallen, dann eben im Internet. Oder in den Hinterzimmern, die keiner mehr auf dem Schirm zu haben scheint. „Und dort greift kein Regulativ.“ Gemeinsam mit der Politik habe die Branche in Bayern ein Sozialkonzept verabschiedet, sagt Meindl. Kunden, die auffallen, weil sie zu häufig oder zu lange spielen, werden in den Spielstätten angesprochen. Man bietet ihnen Hilfe an. Und: „Unsere Betriebe sind auch Treffpunkte“, sagt Meindl. „Da gibt es eine soziale Kontrolle unter den Kunden. 99 Prozent unserer Kunden haben kein Problem mit dem Spielen. Bei dem restlichen einen Prozent wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, statt diesen Menschen zu helfen.“ Wissenschaftliche Studien aus Skandinavien hätten gezeigt: Spielverbote bewirken nichts.

Die Kulmbacher sind besonders betroffen. Keine Studie ohne Gegenstudie. Der Kulmbacher Stadtrat Matthias Meußgeyer (SPD) sagt, ihm vorliegende wissenschaftliche Studien seien eindeutig: Wenn Glücksspiele leichter verfügbar sind, steigt die Anzahl der Spielsüchtigen. In Kulmbach sind Glücksspiele offenbar besonders leicht verfügbar. In Kulmbach kommen auf 1000 Einwohner 8,3 Spielgeräte. Das ist deutlich mehr als in Bayreuth und liegt noch deutlicher über dem Bayernschnitt. Trotzdem traut man sich auch in Kulmbach derzeit noch nicht, die Schließzeiten der Spielhallen per Verordnung zu verlängern. Einen Antrag der SPD-Fraktion hat der Stadtrat an die Verwaltung zurückverwiesen. Damit sie konkreten Folgen genauer erforscht.

Die Zahl der Hilfesuchenden steigt: Von konkreten Folgen kann Gunhild Scheidler berichten. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Spielsüchtigen, die sich an die Diakonie in Bayreuth wandten, von sechs Klienten pro Jahr auf 87 nach oben geschnellt. „Und das ist nur ein Ausschnitt der ganzen Wahrheit“, sagt die Beraterin. „Das sind nur die Spielsüchtigen, die Hilfe suchen.“ Warum die Zahlen bei der Diakonie so stark gestiegen sind? Weil das Beratungsangebot der Diakonie inzwischen bekannter ist, sagt Scheidler. Aber vor allem liegt es daran, dass mehr gespielt wird. Und deshalb mehr Menschen spielsüchtig werden.

Die Arbeitsplätze wackeln: Die Fachberaterin für Glückspielsucht hofft darauf, dass Hauptausschuss und Stadtrat den Mut zur richtigen Entscheidung haben. „Die Schließzeiten der Spielhallen zu verlängern, wäre ein Mosaikstein, um die Spielsucht nicht weiter ansteigen zu lassen.“ Und der Präsident der Automatenunternehmer? Meindl lässt sich alle Möglichkeiten offen. Ob der Verband gegen eine Verordnung der Stadt Bayreuth klagen wird, werde entschieden, wenn die schriftlich vorliegt. Bis dahin macht er ein anderes Szenario auf: In Bayern arbeiten 8000 Menschen in der Spielhallen-Branche. „Wenn man uns allenthalben drei Stunden wegnimmt, ist es ein einfaches Rechenexempel, wie viele Jobs künftig wegfallen würden.“ Mehr als tausend.

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