Nico Elgert (20) ist Erschrecker, Schreiner, Metaller, Elektriker: Er arbeitet in der Geisterbahn Beruf: Erschrecker in der Geisterbahn

Von Susanne Will

„Junger Mann zum Mitreisen gesucht“: Die Menschen, die sich an solche Schilder an Schaustellerbuden erinnern können, sind vermutlich noch zum Sound von „Abba“ Autoscooter gefahren. Die Schilder sind auf modernen Volksfesten verschwunden. Die Männer gibt es aber immer noch. Nico Elgert ist er von ihnen. Für den 20-Jährigen war früh klar: Ich will mitfahren, ich will auf Volksfesten arbeiten. Bei den Fellerhoffs, die gerade in Bayreuth die Geisterbahn betreiben, hat er das gefunden, was ihm früher fehlte: eine Familie.

 
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Die Fellerhoffs fahren seit sieben Generationen quer durch Deutschland, machen Stopp auf den Volksfestplätzen zwischen Nordsee und Alpen. Chef ist Hermann Fellerhoff Junior. Vier Jahre ist es her, als Nico Elgert vor ihm stand. Der damals 16-Jährige ging noch zur Schule, aber er fühlte schon mal vor: „Der wollte am liebsten gleich mitfahren.“ Fellerhoff riet zum Praktikum. Schrauben, Hämmern, Lackieren, Schleppen, die Knochenarbeit dämpfte die Lust an Nicos Traumjob nicht.

Einschusslöcher auf den Wangen

Vier Jahre später: Nico Elgert sitzt auf den Stufen zum Wohnwagen der Fellerhoffs auf der Rückseite seines Arbeitsplatzes. Aus der Geisterbahn sind schrille Schreie erschreckter Kunden zu hören, unterbrochen vom Erschrecker-Gebrüll seiner Kollegen. Nico Elgert trägt Arbeitsklamotten: ein mit Blutspritzern besprenkeltes Oberhemd, eine Hose, die nach Altkleidercontainer aussieht, er ist als Grusel-Clown geschminkt. Er fragt höflich, ob er sich eine Zigarette anzünden darf. Wenn er an der Kippe zieht, wölben sich die aufgemalten Einschusslöcher auf seinen Wangen nach innen.

Vor einem wie ihm warnen die Mütter

„Ich komme aus einer Familie mit wenig Geld“, fängt er an zu erzählen. Mit seiner Mutter und vier Geschwistern ist er in Hückeswagen aufgewachsen, einem Örtchen im Bergischen Land. „Wenn bei uns Kirmes war, habe ich beim Auf- und Abbau geholfen und so ein wenig dazuverdient.“

"Man muss was im Köpfchen haben"

Nico Elgert ist ein smarter Bursche und einer von denen, vor denen Mütter warnen. Und dazu gerne auch sämtliche Vorurteile herziehen: Männer ohne Ausbildung, gescheiterte Existenzen, sie brechen Herzen, weil sie weiterziehen. Nico Elgert kennt die Vorurteile und erzählt sehr offen. Ja, auch er sei in die Förderschule gegangen, „mir liegt die körperliche Arbeit mehr“. Es fällt auf, wie gewählt sich Nico Elgert ausdrückt, nicht nur, wenn er über seinen Job erzählt. „Eine vielseitigere Arbeit kann ich mir nicht vorstellen: Ich arbeite mit Metall, bin an einem Tag Schreiner, am anderen Elektriker. Und dafür muss man was im Köpfchen haben.“ Es klingt stolz.

Ganz der Papa

Als er mit 18 den Schulabschluss in der Tasche hatte, zog er sofort los zu den Fellerhoffs. „Meine Mama fand das nicht gut, das sei eben kein Beruf“, erzählt er, „für mich ist das auch kein Beruf – es ist ein Leben.“ Viele seiner Klassenkameraden würden von Hartz IV leben, das käme für mich nicht in Frage“. Der längst von der Mutter getrennt lebende Vater hingegen habe ihn unterstützt, „Papa hat früher auch so etwas gemacht“.

Zu viert in einem Wohnwagen

Neben Metallarbeiter, Schreiner oder Elektriker ist Nico Elgert auch Erschrecker: Er geistert durch die Anlage und bringt die sich schon freudig-gruselnden Kunden zum entsetzten Kreischen, wenn er ihnen im Dunklen mit der fiesen Clowns-Maske einfach nur die Hand auf die Schultern legt. Die Schminke trägt er Tag für Tag, erst zuhause im Wohnwagen wäscht er sie ab. Den Wagen teilt er sich mit drei Arbeitskollegen, sie stammen aus Rumänien. „Früher waren es viele Polen, die mithalfen. Es scheint, als ob die Konjunktur in Polen wieder angezogen hat, jetzt verdingen sich eben Rumänen bei uns.“ Wenn es Sprachbarrieren gibt, hilft das Übersetzungsprogramm im Handy.

"Meine Familie"

8,50 Euro bekommt er, „ich bin damit sehr zufrieden“. Denn schließlich müsse er weder Strom, noch Wasser, noch Miete zahlen. „Das macht meine Familie, die Fellerhoffs.“ Er meint das so: Familie. „Die kümmern sich um mich. Auch, weil ich was Geld angeht, manchmal ein Knüselskopf bin“, sprich, weil er manchmal nicht gut mit Geld umgehen kann. „Die kümmern sich um mich“, wiederholt er. „Das hatte ich so nicht bei meiner Familie.“

Eine Frau von außen

Eine eigene Familie zu gründen ist schwierig. Ob er sich schon mal auf dem Rummelplatz verknallt habe? „Wer hat das nicht“, entgegnet er gewitzt. Die Gruselmaske sei da kein Hindernis, erzählt er, „ich muss einfach charmanter sein“. Jedoch: Er würde in jedem Fall weiterziehen, da haben die warnenden Mütter Recht. Eine Frau aus dem Stausteller-Gewerbe zu finden wäre eine Möglichkeit, doch nicht für Nico. „Ich brauche dann doch eine von außen, die wie ich auch das andere Leben kennt.“

Nach zwei Zigaretten muss Nico Elgert wieder arbeiten. Er verabschiedet sich, die Hand ist schwielig für einen 20-Jährigen. Er muss weitermachen, als Metaller, Schreiner, Elektriker und Erschrecker.

https://www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/volksfest-fahrgeschafte-im-kurier-check_476514

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