Kurier blickt in die Akten der Behörde Biogasanlage Heinersreuth: Landratsamt wehrt sich gegen Mauschelei-Vorwürfe

Von Heike Hampl

Fünf Aktenordner dokumentieren den Weg zur größten Biogasanlage des Landkreises. Es sind fünf Aktenordner, die das Bayreuther Landratsamt für den Kurier öffnet - um zu zeigen, dass es die Biogasanlage nicht deswegen genehmigt hat, weil die Betreiber gute Kontakte zu Politik und Behörden pflegen.

 
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Der Hintergrund: Im Juni haben sechs Landwirte den Bau der Biogasanlage beim Landratsamt beantragt. Im November bekamen sie die Genehmigung. Das scheint recht schnell gegangen zu sein für ein so großes Projekt. Und obwohl das Landratsamt erst im November grünes Licht für die Anlage gegeben hat, begann der Bau der Biogasanlage dank einer vorzeitigen Baugenehmigung bereits im September. Mit dem Vermerk: „Der Betrieb der Anlage ist nicht zulässig.“ Es ging bei der vorläufigen Genehmigung nur um Bauarbeiten, die nichts mit dem Betrieb zu tun haben. Die sechs Landwirte wollten mit dem Bau unbedingt anfangen, ihnen sitzt die Zeit im Nacken. Es geht ums Geld: Einspeisevergütungen, Lieferverträge. Der Bau verzögert sich wegen der Witterung. Es gab Probleme mit dem Bebauungsplan, die Höhe der Fahrsilos entsprach nicht den Vorgaben. Die Bauherren mussten eine Ausnahme beantragen – das alles braucht Zeit. Zeit, die sie nicht haben. Nach verbotener Sonntagsarbeit im Oktober geriet die Baustelle weiter in Verruf. 

Die Betreiber: Einer der sechs Betreiber ist Wilhelm Fischer, Ehemann der CSU-Landtagsabgeordneten Gudrun Brendel-Fischer. Er führt das Geschäft gemeinsam mit Gerhard Potzel, dem Bruder des Leitenden Oberstaatsanwaltes in Bayreuth, Herbert Potzel. Helmut Parchent aus Lahm investiert auch in die Anlage, er sitzt für die Freien Wähler im Eckersdorfer Gemeinderat und betreibt eine Erdaushubdeponie. Zuletzt war er in Kritik geraten, weil er Erde aus der Heinersreuther Baustelle annahm, obwohl die Witterung es nicht zuließ. Das Ingenieurbüro von Manfred Gebhardt plant die Anlage mit, er sitzt für die CSU im Heinersreuther Gemeinderat.

Hat es mit den Namen zu tun, dass alles so schnell ging? „Nein“, sagt Umweltschutzingenieur Georg Sendelweck vom Landratsamt. „Das erste Gespräch fand bereits im Dezember 2012 statt. Der Antrag war gut vorbereitet, nur deswegen ging es zügig.“ Das Landratsamt wusste vom Zeitdruck der Betreiber. „Wenn etwas fehlte, haben die Antragsteller alle Unterlagen schnell nachgereicht. Und wenn alles da ist, haben wir keinen Grund, die Entscheidung zu verschleppen.“

Das Verfahren: Bevor das Landratsamt das Großprojekt genehmigte, hörte es Fachstellen dazu an. Denn für den Bau dieser großen Biogasanlage brauchte es ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren. Die Gemeinde bezieht Stellung, das städtische Amt für Umweltschutz, das Gewerbeaufsichtsamt, das Veterinäramt, das Staatliche Bauamt, der Kreisbrandrat und einige mehr. Erst wenn alle Stellungnahmen beim Landratsamt liegen, gibt es einen Endbescheid. Einwände und Gutachten prüft die Behörde davor.

Die Öffentlichkeit: Ein Heinersreuther Bürger beschwerte sich beim Landratsamt darüber, dass die Pläne für die Biogasanlage nicht öffentlich ausgelegt worden seien. Dieser Vorwurf erwies sich als ungerechtfertigt. „Alle Gutachten lagen in der Gemeinde aus, sie waren für jeden einsehbar“, sagt Sendelweck vom Landratsamt. Angesichts der Baustelle fühlen sich viele Bürger überrumpelt, die Dimension der neuen Biogasanlage überrascht sie.

Die Politik: Der Heinersreuther Gemeinderat stand hinter dem Projekt. Lokalpolitiker aller Parteien sprachen sich im Grundsatz für die Biogasanlage aus, sie änderten gemeinsam den Flächennutzungsplan, damit die Anlage zulässig ist. „Ich bin nicht gegen Atomkraft auf die Straße gegangen, um dann gegen erneuerbare Energien zu agieren“, sagt Bürgermeister Hans Dötsch (SPD). Isabel Fischer (CSU), Herbert Potzel (CSU) und Manfred Gebhardt (CSU) durften bei Biogas-Angelegenheiten nicht abstimmen, weil sie oder ihre Verwandten daran beteiligt sind. Nur eine stimmte gegen die Biogasanlage: die Zweite Bürgermeisterin Elisabeth Linhardt (SPD).

Die Kritik: Maismonokultur, Vergärung von Lebensmitteln, mehr Verkehr auf der B 85, mehr Lärm. „Ich konnte nicht aus Überzeugung zustimmen“, sagt Gemeinderätin Elisabeth Linhardt. Mit ihrer Kritik an der Biogasanlage ist sie nicht alleine. Volkmar Klatt, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Heinersreuth, hat Bedenken. In einem Kurier-Interview sagte er: „Wenn Gülle, die sowieso anfällt, vergoren wird, finde ich das völlig okay. Aber Feldfrüchte extra anzubauen und vergären zu lassen, ist zweifelhaft.“

Der Lieferverkehr: Die Anwohner der B 85 fürchten, dass der Lieferverkehr der belasteten Straße den Rest gibt. Im Lärmgutachten, das ein unabhängiger Gutachter aus Schwäbisch-Hall erstellt hat, ist von 2100 Liefervorgängen die Rede. Hin- und Rückfahrten werden auf das gesamte Jahr gerechnet. Das ergibt zwölf Fahrten pro Tag. „Natürlich wird es in den zwei, drei Wochen Erntezeit rund gehen“, sagt Harald Fick, der im Landratsamt den Fachbereich Umwelt leitet. „Aber wir müssen die Liefervorgänge vorschriftsmäßig auf das ganze Jahr rechnen.“ Lieferverkehr in der Nacht wird erlaubt sein. An zehn Tagen pro Jahr. Anzumelden ist das nicht, die Betreiber müssen es nur im Betriebstagebuch dokumentieren. Außer der Lieferungen aus dem Schlachthof, wird der Verkehr von der B 85 kommen, rund ein Drittel aus Richtung Bayreuth.

Die Dimension: Die Anlage braucht im Jahr 18 600 Tonnen Rohstoff. Aus dem Bayreuther Schlachthof kommen 2000 Tonnen Mageninhalt von Kühen, keine Schlachtabfälle. Noch einmal so viel machen Rindergülle und Mist aus. Der Rest ist Mais, Gras und Getreide. Als einzige Anlage im Landkreis ist sie so groß, dass sie unter die Störfallverordnung fällt. Theoretisch kann sie mehr als zehn Tonnen explosives Biogas fassen. Das heißt, dass die Betreiber Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, um Störfälle zu vermeiden. Insgesamt investieren die sechs Betreiber mehr als drei Millionen Euro. Den Strom kauft die BEW, er wird auch nach Heinersreuth geliefert. Damit steigt in Heinersreuth der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen von bisher 27 auf 54 Prozent.

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