Die Geschichte des SOS-Kinderdorfs Oberpfalz ist auch die von Bürgermeister Heinz Lorenz – 50. Geburtstag SOS-Kinderdorf: Ersatz für die Familie

Von Udo Fürst
SOS-Kinderdorf Immenreuth Foto: red

Mit einem bunten Fest feierte das SOS-Kinderdorf Oberpfalz am Samstag seinen 50.Geburtstag. Festreden, Musik der Kinder und Jugendlichen sowie eine große Auswahl an verschiedenen Stationen auf dem Gelände – es war mit Ausnahme des wechselhaften Wetters ein fröhlicher Festtag. Dabei sind die Geschichten der Kinder meistens tragisch.

 
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Kinderdorfleiter Holger Hassel begrüßte viel Prominenz: Von Sozialministerin Emilia Müller über den SOS-Kinderdorf-Ehrenpräsidenten Helmut Kutin bis hin zu Regierungspräsident Axel Bartelt, Landrat Wolfgang Lippert und den Landtagsabgeordneten Tobias Reiß.

Bürgermeister Lorenz erzählt seine Geschichte

Kaum jemand könnte die vorbildliche Arbeit im SOS-Kinderdorf besser beurteilen als Immenreuths Bürgermeister Heinz Lorenz. Er kam im Alter von vier Jahren ins Kinderdorf, zusammen mit seinen fünf Schwestern, und fand dort eine neue Heimat. Häusliche Gewalt war bis dahin an der Tagesordnung in seiner Familie. Kindesmisshandlung. „Ich habe als der einzige Junge, der erwünschte Stammhalter, keine Schläge bekommen, wenn ich etwas aus dem Kühlschrank genommen habe, meine Schwestern schon“, erzählte Lorenz vor zwei Jahren in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Also habe er ihnen immer Essen besorgt. „Raus kam die Sache dann, als meine Schwestern statt im Sport-T-Shirt im Pulli zum Turnunterricht kamen. Die Lehrerin fragte nach, meine Schwester zog den Pulli aus und die Lehrerin sah die Misshandlungen. Sie meldete es. Da schon eine Strafakte vorhanden war, wurden wir unter Polizeischutz rausgeholt, meinen Eltern wurde das Sorgerecht entzogen.“

Liebevoller Umgang

Im Kinderdorf habe er sofort den liebevollen Umgang gespürt. „Wir hatten Glück. Unsere Kinderdorfmutter hat es als Berufung gesehen, nicht als Job. Sie war 28, als sie uns bekam, hat sich nur um uns gekümmert, nie einen Partner gehabt. Ich fühlte mich so sicher und geborgen, dass ich mein anderes Leben komplett ausgeblendet habe. Nie habe ich in die Akte vom Jugendamt geschaut, in der steht, was genau mit mir passiert ist. Mein Leben ist das im Kinderdorf gewesen, meine Mutter ist meine Kinderdorfmutter. Inzwischen hat sie 13 Enkelkinder.“

Kinder ins Dorfleben integrieren

Heinz Lorenz‘ Geschichte könnte als Musterbeispiel dafür gelten, welch segensreiche Einrichtung die Kinderdörfer sind. Kein Wunder, dass der 43-Jährige das SOS-Kinderdorf noch heute aufmerksam begleitet und unterstützt, wo immer es nötig und möglich ist. Ein Augenmerk legt er darauf, die Kinder ins Immenreuther Dorfleben zu integrieren. „Ich war damals das einzige Kind im Kinderdorf, das im Verein war.“

Vor einiger Zeit kamen Wandergesellen ins Kinderdorf. Schreiner, Schmiede und Schneider, die mit den Kindern einen Spielplatz bauten. „Das hat mir selbst immer am besten gefallen: Wenn man etwas selbst errichtet und am Ende bleibt es auch noch stehen“, sagte Heinz Lorenz, das einstige Kinderdorfkind und heutige Bürgermeister. Das Kinderdorf sei heute bestens integriert im Ort und ein wunderbares Zuhause für die Kinder, die hier viel Zuneigung bekämen.

Vorbildliche Arbeit

Die Festredner am Samstag waren allesamt voll des Lobes für die Einrichtung. In seiner launigen Rede unter dem Motto „Jedes Kind sollte ein Mensch sein“ freute sich SOS-Ehrenpräsident Helmut Kutin über den Festtag, dankte den Kinderdorfmitarbeitern für ihre vorbildliche Arbeit und den singenden und musizierenden Kindern für ihren Mut und ihre Kreativität.

Regierungspräsident Axel Bartelt bezeichnete die Kinderdorfmütter als die wahren Helden unserer Gesellschaft, Landrat Wolfgang Lippert meinte, die Kinder seien hier absolut richtig und bestens aufgehoben. Ministerin Emilia Müller schließlich dankte den Müttern für ihren Einsatz und dem Kinderdorf für die Aufnahme unbegleiteter junger Flüchtlinge. „Diese Jugendlichen haben Schlimmes erlebt, sind traumatisiert und finden hier immer jemand, der für sie da ist.“ Der Freistaat habe in den beiden vergangenen Jahren fast eine Milliarde Euro für die „Unbegleiteten“ ausgegeben. „Das war gut angelegtes Geld“, sagte Müller. Kinderdorfleiter Holger Hassel meinte, der Rückhalt von allen Seiten tue gut und sei außerordentlich wichtig für den Alltag.

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