Warum es letztlich zur Beurlaubung kam, darüber schweigt der DVV. Julia Frauendorf, im Vorstand für den Sport verantwortlich, sagte lediglich: „Es war keine Kurzschlussreaktion auf einzelne Vorkommnisse – es hat seine Historie.“ Dazu gehört der Fall Kim Behrens/Cinja Tillmann.
Die Aussortierte fährt Erfolge ein
Das Duo verklagte den Verband, nachdem es von Hildebrand bei Turnieren trotz einer guten Weltranglistenposition immer wieder ausgebootet worden war. Am Ende gewann der Verband den Rechtsstreit zwar, die Nominierungspraxis aber blieb fragwürdig – auch weil ausgerechnet Behrens/Tillmann, denen der Sportdirektor die nötige Klasse abgesprochen hatte, bei der EM 2020 Silber holten. Mittlerweile spielt Cinja Tillmann an der Seite von Svenja Müller. Das Duo gewann im Juni WM-Bronze in Rom. „Wir haben ihr riesiges Potenzial gesehen“, sagte Hildebrand, „ aber dass sie schaffen, es so schnell abzurufen, hat uns überrascht.“ Was er früher über Tillmann gedacht hatte? Vergessen!
Zugleich betrieb Hildebrand seine diskussionswürdige Personalpolitik weiter. Die Stuttgarterin Chantal Laboureur, einstige Weltranglisten-Erste und weiterhin eine der besten deutschen Abwehrspielerinnen, genießt auch diese Saison nicht die Privilegien eines Nationalteams – sie trainiert mit ihrer Partnerin Svenja Schulz nicht in Hamburg. Dafür verschaffte Hildebrand dem allein aus PR-Gründen zusammengestellten Team Louisa Lippmann/Kira Walkenhorst eine Wildcard für die EM in München, bei der die Deutschen komplett leer ausgingen. Eine Woche zuvor hatte das Elite-16-Turnier in Hamburg stattgefunden, auch dort wollte Hildebrand dem Star-Duo ins Feld verhelfen, scheiterte aber am Veto von Athletenvertreterin Victoria Bieneck und Julia Frauendorf. Darüber soll es zu einem Disput gekommen sein, am Ende stand der Abschied. Erst von Hildebrand, dann von Wagner.
In Paris wird unter dem Eiffelturm gespielt
Der notorisch klamme Verband, dessen Hallenteams die Olympiaqualifikation für Tokio 2021 verpasst hatten, muss sich nun im Sand völlig neu aufstellen. Vielversprechender ist da fraglos die Perspektive von Wagner. Es wäre keine Überraschung, würde der „Goldschmied“ schnell ein neues Projekt finden – er hätte ja nun Zeit, um das künftige Team Louisa Lippmann/Laura Ludwig (derzeit in der Babypause) auf die Sommerspiele 2024 vorzubereiten. Dann wird in Paris unter dem Eiffelturm gespielt. Es wäre kein schlechter Ort für den nächsten unvergesslichen Coup.