Wilhelmine-Preis: Rat in der Zwickmühle

Von Andrea Pauly und Michael Weiser
Der Markgräfin-Wilhelmine-Preis sollte in diesem Jahr an Code Pink gehen. Foto: Archiv/Lammel Foto: red

Fragen an die Oberbürgermeisterin und Sorgen um den Ruf der Stadt: Die Frage, ob die Stadt den Markgräfin-Wilhelmine-Preis an die Bürgerrechtsgruppe Code Pink verleihen soll oder nicht, hat im Stadtrat zu lebhaften Diskussionen geführt. Heftige Kritik übten die Stadträte an der Informationspolitik von Brigitte Merk-Erbe.

 
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Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe hatte dringend angeregt, von einer Verleihung des Markgräfin-Wilhelmine-Preises an Code Pink abzusehen, und ihre Entscheidung in einer Pressemitteilung kommuniziert. Die Oberbürgermeisterin ließ darin mitteilen, dass Code-Pink-Mitbegründerin Medea Benjamin bei einer Konferenz in Teheran gesprochen habe. An dieser Konferenz sollen auch Holocaustleugner teilgenommen haben. Merk-Erbe berief sich auf einen Bericht in der „Jerusalem Post“. Diese Berichte ließen Code Pink in einem zweifelhaften Licht dastehen, hatte Merk-Erbe mitgeteilt.

Sie begründete ihre Forderung nach einer Absage außerdem mit dem Respekt, den die Stadt Holocaust-Opfern und Menschen jüdischen Glaubens entgegenbringe. Sie habe in den vergangenen Tagen viele Gespräche geführt. „Der Preis will ein Zeichen setzen für Weltoffenheit und Toleranz. Ich habe Zweifel, ob das erreicht wird. Die Stadt Bayreuth hat vor dem Hintergrund ihrer Geschichte vor der jüdischen Gemeinde vor Ort und vor dem Staat Israel eine ganz besondere Verantwortung.“

Räte wollen mehr Infos

Mit ihrem Vorschlag ist Merk-Erbe im Stadtrat am Montagabend gescheitert. Stattdessen haben die Stadträte einstimmig beschlossen, die Entscheidung für oder wider Code Pink auf Eis zu legen: Sie fordern mehr Informationen und wollen weitere Gespräche führen. Die Sorge, dass Bayreuth mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden könnte, zeigte sich in der Debatte ebenso wie die Angst, sich zu blamieren. „Wir müssen enorm abwägen, was wir machen“, sagte der zweite Bürgermeister Thomas Ebersberger (CSU). „Wir können in Bayreuth nicht alles sagen, was woanders eine Selbstverständlichkeit wäre“, sagte er. Bayreuth hatte wegen der Festspiele zu Adolf Hitlers bevorzugten Aufenthaltsorten gezählt. Mitglieder der Familie Wagner wiederum zählten zu Hitlers frühen und engen Vertrauten.

Die Universität hatte Code Pink im Mai 2014 vorgeschlagen und der Stadtrat stimmte zu. Karsten Schieseck (BG) übte Selbstkritik: „Wir haben uns vorher nicht genug Gedanken gemacht.“  Der Stadtrat könne den Wilhelmine-Preis nicht vergeben, wenn der Vorwurf des Antisemitismus im Raum stehe. Das sah auch Thomas Hacker (FDP) so. Wenn sich die Vorwürfe gegen Code Pink als wahr herausstellten, stehe es der Stadt nicht an, einen Preis für Humanität zu verleihen. 

„Ich halte es für einen schlechten Reflex, dass jemand einen Preis nicht bekommt, weil er etwas gegen Israel gesagt haben könnte“, sagte Thomas Bauske von der SPD. „Man darf einen Regierungschef kritisieren, ohne als Antisemit angesehen zu werden“, stimmte sein Fraktionskollege Halil Tasdelen zu. „Soweit müssen wir im 21. Jahrhundert doch sein.“

"Konflikte gehören dazu"

Stefan Schlags (Die Grünen/Unabhängigen) zweifelt daran, dass Code Pink antisemitisch sei. „Sie legen den Finger in die Wunde. Damit eckt man an. Aber Konflikte gehören zu Toleranz dazu.“ Durch die Diskussion werde Code Pink übelst diskreditiert. „Sie ist in kürzester Zeit von einer zu ehrenden zu einer geächteten Organisation geworden.“  Er schlug vor, eine Vertreterin von Code Pink, die sich ohnehin spontan auf den Weg nach Bayreuth gemacht hatte, in die Sitzung einzuladen und anzuhören. Dieser Vorschlag fand aber keine Mehrheit. In einer Mitteilung an den „Kurier“ hat Schlags seine Position mittlerweile unterstrichen: „Wenn die eingeladene Delegation von Code Pink zu mehr als der Hälfte aus jüdischen Frauen besteht, ist der Vorwurf des Antisemitismus nicht nur absurd, sondern auch persönlich verletzend.“

„Wir müssen uns fragen, ob es der richtige Weg ist, einen Preis ausloben zu lassen und danach nicht dazu zu stehen, wen man ausgewählt hat“, sagte Wolfgang Gruber (FDP/Die Unabhängigen). Code Pink habe auch schon von anderen Städte Preise bekommen. „Ein sensibler Umgang mit der Geschichte gibt uns nicht das Recht zur Vorverurteilung.“ 

„Wir können nur das Falsche machen“, sagte Christoph Rabenstein (SPD). „Es gibt keine richtige Lösung mehr.“ Er warnt jedoch davor, den Preis sofort zurückzunehmen. „Dann stellen wir die Organisation in eine Ecke, die sie sicher nicht verdient hat.“ Er erwartet eine „große Welle“ an Aufmerksamkeit weit über die Grenzen der Stadt hinaus und fordert Gespräche mit den Vertretern der Organisation. „Damit nehmen wir auch Sprengstoff raus.“  Christa Müller-Feuerstein sah ebenfalls „eine riesige Außenwirkung“. Karsten Schieseck (BG) mahnte zur Eile. „Es ist wichtig, dass wir sehr schnell Stellung beziehen.“

Kritik an Merk-Erbe

Deutliche Kritik gab es an der Informationspraxis von Brigitte Merk-Erbe: Sie hatte ihre Pressemitteilung aussenden lassen, noch bevor es ein Gespräch mit den Fraktionen gegeben hatte. „Es wäre klüger gewesen, die Informationen zu einem früheren Zeitpunkt intern zu kommunizieren“, sagte Stefan Specht (CSU); „Sie hätten nicht alleine mit Ihrer Meinung vorpreschen, sondern vorher das Meinungsbild des Stadtrats einholen sollen.“ Iris Jahn (Junges Bayreuth) kritisierte: „Diese Entscheidung ist zu schnell gefallen.“

Merk-Erbe hatte zu dem eine Stellungnahme von Code Pink-Mitbegründerin Medea Benjamin erst zur Sitzung verteilen lassen. Das Schreiben war erst am Freitagabend im Rathaus per E-Mail eingegangen. Als „eine Katastrophe und einen Affront“ bezeichnete Thomas Bauske von der SPD diese Verzögerung.

In der Diskussion forderten einige Stadträte, den Preis abzuschaffen, darunter Wolfgang Gruber, Christa Müller-Feuerstein und Stefan Schlags. „Das war eine Totgeburt, die sowieso zu viel Geld kostet“, sagte Schlags. 40 000 Euro gibt die Stadt dafür aus. Davon entfallen jedoch nur 10.000 Euro auf das Preisgeld, der Rest fällt für Reisekosten und den Empfang an.

Universitäts-Präsident Stefan Leible sagte, dass die Universität den Stadträten für Informationen zur Verfügung stehe. Er werde jede Entscheidung des Stadtrates respektieren und habe mit der Oberbürgermeisterin vereinbart, die Angelegenheit nicht zu kommentieren. 

 

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