Der schärfste Kritiker: Wem bescheinigt der Sprecherrat des Aachner Friedenspreises eine Diffamierungskampagne? Und wen nennt das ehemalige Mitglied des Zentralrats der Juden einen nationalistischen Extremisten? Es ist der Journalist Benjamin Weinthal, der in der Zeitung "Jerusalem Post" einen kritischen Artikel über Bayreuth und die Preisverleihung an Code Pink veröffentlicht hatte. Er ruft aus Jerusalem an und sagt: „Es gehört zu meinem Beruf, Antisemitismus aufzudecken. Und dessen moderne Form ist in Deutschland sehr verbreitet.“ Der moderne Antisemitismus, das seien auch Boykottaufrufe gegen Israel, wie Code Pink sie unterstütze. „Und die scheinen ja wohl salonfähig geworden zu sein.“ Viele Experten würden Code Pink als antisemitisch einstufen – kein Wunder, wenn die Gruppe „die Hitler-Bewegung mit Israel vergleicht“. Was Universitätspräsident Leible jetzt sagt, nennt Weinthal „eine komische Ausrede“. Auch schon vor 2014 habe Code Pink Verschwörungstheorien verbreitet. „Wenn man Google bedienen kann, weiß man das.“ Und dass der Stadtrat Stefan Schlags (Grüne und Unabhängige) Code Pink vom Vorwurf des Antisemitismus freispricht, weil Jüdinnen zu deren Mitgliedern und Gründern gehören, sei „grüner Antisemitismus. Es gibt Juden, die Juden hassen. So wie es Schwule gibt, die Schwule hassen. Oder Frauen, die Frauen hassen.“
Die Organisation sei „mit Antisemitismus kontaminiert“, sagt Weinthal. Daran ändere auch der Brief nichts, den Code Pink-Mitbegründerin Medea Benjamin der Bayreuther Oberbürgermeisterin schrieb und in dem sie sich von jeglichem Antisemitismus distanziert. Weinthal sagt: Medea Benjamin stand dabei, als bei einer Konferenz in Teheran, Israel-Gegner skandierten: Israel has to go – Israel muss verschwinden. „Sie ging nicht weg. Sie lächelte.“ Der österreichische Nationalrat habe jetzt eine Veranstaltung mit einer Code Pink-Vertreterin abgesagt. „Dazu ist Österreich in der Lage – ein Land, das es bis heute nicht schafft, sich mit den Greueltaten an den Juden auseinanderzusetzen. Aber in Bayreuth redet man wochenlang. Das finde ich peinlich.“
Und das sagt Code Pink: Bayreuth peinlich? Das findet Elsa Rassbach überhaupt nicht. Im Gegenteil: Sie hat in diesen Tagen mit Vertretern aller Stadtratsfraktionen gesprochen. "Ich war überrascht von der Offenheit mit der mir die Stadträte begegnet sind." Sie hätten zugehört, als die Deutschland-Sprecherin von Code Pink den Standort ihrer Organisation beschrieb: Israelkritisch, aber nicht israelfeindlich. Gewaltlos, aber entschieden. Sie sagt: "Es wäre ein großer Fehler, Code Pink den Preis nicht zu geben." Denn dann hätten die gewonnen, die Code Pink Antisemitismus unterstellten, um die Organisation mundtot zu machen. Dann würde der Druck, der aus einem Antisemitismusvorwurf entsteht, einmal mehr wirksam. Dann entstünde in der Öffentlichkeit der Eindruck, Code Pink werde "abgestraft".
"Es wäre gut für die Demokratie, wenn sich eine Stadt selbst entscheidet", sagt Elsa Rassbach. Sich nicht dem Druck ihrer Meinung nach unbewiesener und unhaltbarer Vorwürfe beugt. Und sich auch nicht von einer kleinen Gruppen von Bundestagsabgeordneten vorschreiben lasse, wer in dieser Stadt reden darf. Damit reagiert Rassbach auf den Appell der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe an die Stadt, den Wilhelmine-Preis nicht an Code Pink zu vergeben. Deutschland, sagt Elsa Rassbach, hat gerade wegen seiner Geschichte eine besondere Berechtigung, internationales Recht einzufordern und Menschenrechtsverletzungen anzuprangern. Und dabei mache es keinen Unterschied, ob die in den USA, in Israel oder sonst irgendwo auf der Welt stattfänden.
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