Das ganze Stiftungs- und Festspielkonstrukt ist komplizierter als ein Schweizer Uhrwerk. Und funktioniert längst nicht so gut. Weil es so viele Rädchen gibt, die sich da drehen, weil aber längst nicht alle ineinandergreifen.
Heute gilt’s nicht der Kunst, es sprechen die Paragraphen: Die Klage des Wieland-Stamms gegen die Richard-Wagner-Stiftung wird im Landgericht in Bayreuth verhandelt. Es geht um den Mietvertrag des Festspielhauses, durch den die Familie ihren Einfluss auf die Festspiele verliert. Anwalt Gregor Gysi sieht gute Chancen auf Erfolg. War der berüchtigte Vertrag von vornherein unwirksam?
Das ganze Stiftungs- und Festspielkonstrukt ist komplizierter als ein Schweizer Uhrwerk. Und funktioniert längst nicht so gut. Weil es so viele Rädchen gibt, die sich da drehen, weil aber längst nicht alle ineinandergreifen.
Kurz gesagt ist es so: Für das Bayreuther Festspielhaus gilt seit zweieinhalb Jahren ein neuer, langfristiger Mietvertrag, der den Einfluss der Familie entscheidend beschneidet. Dieser Vertrag sichert das Festspielhaus bis zum Jahre 2040 der Bayreuther Festspiele GmbH. Was seitdem für Ärger sorgt.
Von diesem Vertrag hatten Bund und Freistaat die Finanzierungszusage von 30 Millionen Euro für den ersten Abschnitt der Sanierung des Festspielhauses abhängig gemacht. Ergebnis ist die Umwandlung des Familien-Unternehmens in eine Art Staatsschauspiel.
Weil aber Bund und Freistaat Bayern nunmehr beinahe allein über die Festspielleitung entscheiden können, haben die Erben Wieland Wagners geklagt. Und verhandelt wird am heutigen Mittwoch am Landgericht in Bayreuth. „Stadt und Familie sind draußen“, sagt Daphne Wagner. „Und so geht’s doch nicht.“ Zusammen mit den anderen Wieland-Erben Nike und Wolf Siegfried Wagner zieht sie nun vors Landgericht Bayreuth – mit Gregor Gysi als prominentem Anwalt.
„Es geht um das Recht, dass die Mehrheit der Mitglieder der Familie Wagner einen verbindlichen Vorschlag für die Leitung der Festspiele unterbreiten darf“, sagt Gysi. „Das ist ausgehebelt worden.“ Darum soll es in der heutigen Verhandlung gehen – ein Gütetermin, ein letztes Treffen sozusagen vor dem gerichtlichen Streit.
Beim Telefonat mit dem Kurier ist Gysi bester Laune – wegen eines gravierenden Fehlers, den die Gegenseite gemacht habe. Unter dem Mietvertrag fehle eine Unterschrift. Nach Mitteilung des Landgerichts in der Ladung sei der Vertrag damit „schwebend unwirksam“. Was den Vertrag ebenso torpedieren könnte: Das Gericht sieht darin offenbar ein so genanntes Insichgeschäft. So nennt man es, wenn jemand ein Geschäft mit sich selbst abschließt. In diesem Fall: Die Stiftung mit Bund und Freistaat als dominierenden Mitgliedern vermietete das Festspielhaus an die Festspiele-GmbH – wiederum mit Bund und Freistaat als den großen Spielern. „Die haben wechselseitig unterschrieben“, sagt Gysi. Die bayerische Stiftungsaufsicht hingegen hatte den Mietvertrag seinerzeit für zulässig erklärt.
Toni Schmid, der den Freistaat in diversen Gremien vertritt, wollte keinen Kommentar abgeben. „Ich bin kein Jurist“, sagt der Ministerialdirigent im Kunstministerium, „da wäre alles Kaffeesatzleserei.“
So oder so dürfte die Angelegenheit mit dem heutigen Termin in Bayreuth nicht ausgestanden sein. Daphne Wagner geht es mit dem Gang vor Gericht auch um ein Signal – dass die Satzung der Richard-Wagner-Stiftung reformiert werden muss. „Es geht uns um eine Neuregelung. Es passiert ja sonst nichts.“ Die Sache sei mit ihrer Cousine Katharina Wagner, der Festspielleiterin abgesprochen, „wir befinden uns in gutem Einvernehmen“.
Ein Umbau der Stiftung und Korrekturen an der Satzung gilt seit langem als unumgänglich. „Die stiftung, Wahnfried, die Stadt, alle haben sie kein Geld“, sagt Daphne Wagner. „So funktioniert das nicht.“ Die Macken der Stiftungssatzung machen tatsächlich das Richard-Wagner-Museum zum prekären Unterfangen, mit zu geringer finanzieller und personeller Ausstattung. Eigentlich sieht die Stiftungssatzung noch nicht einmal ein Museum vor. Die Unklarheiten bei der Finanzierung gefährden auch die Ausrichtung einer Ausstellung 2017 über Wieland Wagner. Im Oktober wollen sich die mutmaßlichen Geldgeber, darunter Freistaat und Bund, nochmals zusammensetzen. Den 50. Todestag des Regisseurs von Neubayreuth wird die Familie am 17. Oktober nach einer Kranzniederlegung in Haus Wahnfried feierlich begehen. Von besonderen Aktivitäten der Stadt ist nichts bekannt. Eine Enthaltung, die die CSU-Fraktion im Stadtrat zu einer Anfrage veranlasst hat.