Thema Bezirkskrankenhaus: Sex und Lügen

Von Frank Schmälzle

Irgendwann in diesem Wust aus Tratsch, Anschuldigungen und Halbwahrheiten hat der betroffene Oberarzt am Bezirkskrankenhaus einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Es gibt zwei Vorwürfe, von denen man sich nie mehr ganz reinwaschen kann, so haltlos sie auch sein mögen: Antisemitismus und sexuelle Belästigung.“ Seit über einem Monat kämpft er gegen das Gerücht an, er habe einen Schüler der BRK-Krankenpflegeschule sexuell belästigt. Bis heute liegt kein einziger stichhaltiger Beweis gegen ihn vor.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das hat in dieser Woche das Verfahren vor dem Arbeitsgericht, mit dem sich der Arzt das Recht erstritten hat, ab Montag wieder arbeiten zu können, nochmals bestätigt. Nur: Er ist längst ein gebrochener Mann. Sein gesamtes Leben gleitet ihm aus den Händen. Es gibt Anlass, sich um ihn Sorgen zu machen.

Wie die Leitung des Bezirkskrankenhauses mit ihm und mit der Sache umgeht, ist schwer zu verstehen. Gerade hochqualifizierte Psychologen und Psychiater, die es unzweifelhaft am BKH gibt, müssten wissen, was ein solcher Vorwurf in einem Menschen auslöst.

Gerade Experten, die jeden Tag mit Menschen in Ausnahmesituationen zu tun haben, sollten wissen, was jetzt notwendig ist, um ihm zu helfen. Stattdessen aber wurde er ausgesperrt und alleingelassen. Ob die Klinik-Verantwortlichen ihm eine Kündigung oder eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung nahegelegt oder nur als Möglichkeiten aufgezeigt haben, spielt am Ende keine Rolle. Druck war das in jedem Fall. Sie haben nicht nur eine Fürsorgepflicht für die Schüler der Krankenpflegeschule, auf die sie sich berufen. (Übrigens: Das sind keine Kinder, das sind erwachsene Männer.) Sie haben auch eine solche Pflicht gegenüber dem so schwer beschuldigten Arzt. Das gilt in diesen 
Tagen mehr denn je, denn die Verzweiflung des Oberarztes ist groß.

Man habe sensibel vorgehen wollen, sagen die Klinikmanager. Man habe einem möglichst kleinen Personenkreis Kenntnis von den Vorwürfen 
geben wollen. Das ist gründlich danebengegangen. Eine einfache Frage bleibt offen: Warum hat die Klinikleitung nicht alle Beteiligten an einen Tisch geholt? Den Arzt, das angebliche Belästigungsopfer und den willigen Informanten – einen Jugendvertreter, der sich inzwischen wohl selbst fragen wird, ob er sich fair und angemessen verhalten hat. Dann wäre die Diskretion gewahrt worden. Dann hätte die Klinikleitung belastbare Aussagen 
gehabt. Oder eben nicht. Dann wäre die zweifellos schwierige Angelegenheit nicht derart eskaliert.

Es ist hoffentlich noch nicht zu spät. Am Montag wird der Oberarzt nach für ihn schlimmen Wochen seinen Dienst wieder antreten. Das wäre ein guter Zeitpunkt für ein solch klärendes Gespräch, wenn auch wohl nur im Beisein der Anwälte beider Seiten. Und wenn es notwendig sein sollte, wäre es auch ein guter Zeitpunkt für eine ehrliche Entschuldigung der Verantwortlichen des Bezirkskrankenhauses.