Krankenhaus lenkt ein Sexvorwürfe: Oberarzt siegt vor Gericht

Von Frank Schmälzle
Der ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses, Manfred Wolfersdorf, hat einem 57-jährigen Oberarzt der Forensik untersagt, die Krankenpfelgeschule der Klinik zu betreten und Kontakt mit den Schülern aufzunehmen. Das Arbeitsgericht hat dieses Verbot aufgehoben. Foto: Lammel Foto: red

Ab Montag darf er wieder arbeiten. Das Bezirkskrankenhaus muss alle gegen ihn verhängten Verbote zurücknehmen. Und die Angelegenheit verschwindet aus seiner Personalakte. Der 57-jährige Oberarzt, der sich dem Vorwurf ausgesetzt sah, er habe einen Schüler der BKH-Krankenpflegeschule sexuell belästigt (der Kurier berichtete), hat vor dem Arbeitsgericht einen Sieg errungen.

 
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Plötzlich ist keine Rede mehr von sexueller Belästigung: Der Anwalt des Bezirkskrankenhauses, Volker Hampel, vermeidet vor Gericht den Eindruck, die Klinikleitung lege dem Oberarzt zur Last, er habe einen Schüler angemacht. Diesen Vorwurf habe es nie gegeben, sagt Hampel, und es gehe auch nicht um die sexuellen Neigungen des Arztes. „Die Frage ist vielmehr: Gab es einen Kontakt zwischen einem Lehrer und einem Schüler, der die Grenze überschreitet? Zum Beispiel im Hinblick auf eine Bevorzugung gegenüber anderen Schülern?“ Arzt und Schüler waren bei Facebook befreundet, kommunizierten dort.

Er darf wieder arbeiten

Hampel lenkt aber doch ein: Am Montag kann der Arzt seinen Dienst wieder antreten. Man werde ihm ungehinderten Zugang zu seinem Arbeitsplatz in der Forensik geben. Das war in den vergangenen Wochen anders. Die Klinikleitung hatte dem 57-Jährigen den Zutritt zu seinem Büro verweigert. Sein Türchip war deaktiviert worden, Sicherheitsleute schickten ihn weg.

Doch nicht nur sein Büro darf der Arzt bald wieder betreten. Richter Glaser entspricht dem Eilantrag des Arztes auch in einem weiteren Punkt: Er hat wieder Zugang zur Krankenpflegeschule, kann mit den Schülern reden. Das hatte ihm der ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses, Prof. Manfred Wolfersdorf, verboten. Aus Fürsorgepflicht gegenüber den Schülern und weil der Oberarzt angeblich Selbstmordgedanken geäußert habe.

Für Richter Glaser überwiegen andere Aspekte. Mit jedem Tag, den der Oberarzt die Krankenpflegeschule nicht betreten darf, wird es schlimmer. Mit jedem Tag leidet sein Ruf, verliert er an Reputation. Also weg mit den Verboten, die dem Arzt den Kontakt zu den Schülern und das Betreten der Schule untersagen.

Die schlimmen Vorwürfe

Das war geschehen: Am 11. August wurde der Oberarzt ins Dienstzimmer des Klinik-Vorstands Bruno Harmuth gerufen. Anwesend auch: der Chefarzt der Forensik, Klaus Leipziger. Dort, sagt der Arzt, habe man ihm schwerwiegende Vorhaltungen gemacht. Er belästige einen Schüler der Krankenpflegeschule sexuell. Er könne nun entweder selbst fristlos kündigen oder die Klinikleitung werde die Staatsanwaltschaft einschalten.

Für den Rechtsanwalt des Arztes, Wolfgang Nicklas, ist das mindestens versuchte Nötigung: Für die Vorwürfe gebe es keinerlei Beweise. Sie beruhten ausschließlich auf ungesicherten Aussagen Dritter. Mit dem angeblichen Belästigungsopfer habe die Klinikleitung bis heute nicht gesprochen. Alle Nachfragen, die unter anderem der Personalrat angestellt hatte, hätten ein ganz anderes Bild ergeben: Niemand belaste den Arzt, der latente homosexuelle Neigungen hat. Dem Arzt eine fristlose Kündigung nahezulegen sei ebenso verfehlt, wie ihm ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in Aussicht zu stellen. Denn damit unterstelle man dem Mediziner strafbares Verhalten.

Der Arzt selbst räumt einen Facebook-Kontakt zu einem Schüler ein. Dabei sei es in einer Äußerung auch um seine Homosexualität, die er nie ausgelebt habe, gegangen. Von Belästigung sei diese Unterhaltung allerdings meilenweit entfernt gewesen.

Was Richter Glaser von dem Vorgehen der Klinikleitung hält, sagt er an einer Stelle der Verhandlung sehr deutlich: „Wir haben keinen handfesten Vorwurf gegen den Arzt auf dem Tisch. Wir haben nichts. Gar nichts.“ Tatsächlich aber habe die Klinikleitung dem Arzt schon im allerersten Gespräch anheim gestellt, die Klinik von sich aus und sofort zu verlassen. „Wenn man an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert ist, thematisiert man das nicht im ersten Gespräch“, sagt der Richter. „Dann setzt man sich nochmals in Ruhe zusammen und stellt dem Mitarbeiter nicht gleich den Stuhl vor die Tür. Und genau das ist gemacht worden.“

Jetzt ist nur eine Eilentscheidung gefallen, weil der Arzt und sein Rechtsanwalt einstweilige Verfügungen beantragt hatten. Die grundlegende Frage, ob das Bezirkskrankenhaus bei der Aufarbeitung der Vorwürfe gegen den Arzt versagt, wird in einem Hauptsacheverfahren am 28. Oktober entschieden.

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