Behindertenhilfe kann weitergehen: Erstes Bayreuther Schutzschirmverfahren geht erfolgreich zu Ende Sanierung in fünfeinhalb Monaten

Von Frank Schmälzle
Die Frühförderung wird fortgesetzt. Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse der Sanierung. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

So ganz können Diakonie-Chef Franz Sedlak, Sanierungsberater Stefan Ettelt und Sachwalter Nils Freudenberg den Stolz nicht verbergen. Fünfeinhalb Monate hat es gedauert, bis die Krise der gemeinnützigen GmbH Hilfe für das behinderte Kind abgearbeitet war. Rekordverdächtig schnell. Eine Krise, die auch die Diakonie Bayreuth, das Mutter-Unternehmen der gGmbH, ins Trudeln hätte bringen können. Hier die Gründe, warum es am Ende gut ausging:

 
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Es war das erste Schutzschirmverfahren vor dem Amtsgericht Bayreuth - ein Verfahren, in dem sich angeschlagene Unternehmen mit Hilfe eines Sanierungsberaters und eines Sachwalters am eigenen Schopf aus der Misere ziehen. Und damit ein Insolvenzverfahren vermeiden. Es war nicht nur schnell. Es war vor allem erfolgreich. Voraussichtlich Mitte Februar wird das Amtsgericht das Verfahren abschließen. Dann soll die Krise vorbei sein. Und Ruhe einkehren. Nach Monaten, in denen Eltern um die Betreuung ihrer behinderten Kinder bangten. Nach Monaten, in denen Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangten (der Kurier berichtete).

Keine weiteren Kündigungen, keine Einschnitte bei den Leistungen

Franz Sedlak lässt sich nicht gern in die Karten schauen. Bei einer Pressekonferenz im Arvena-Kongresshotel am Dienstagnachmittag deutet der Geschäftsführer der Diakonie nur an, was sich geändert hat. Die Abläufe in der gemeinnützigen GmbH, die das Heilpädagogische Zentrum, die Dr. Kurt-Blaser-Schule und die Frühförderung für Kinder mit Behinderung betreibt, haben sich verändert. Verbessert. Die Auslastung der Frühförderung wurde optimiert - als im Sommer vergangenen Jahres die Blase platzte, erschien sogar eine Schließung möglich. Die Abrechnung der Leistungen geht jetzt schneller. Die Verwaltung arbeitet effizienter. Der Betrieb orientiert sich stärker an den finanziellen Vorgaben der Kostenträger. Nur zwei von 206 Mitarbeitern der gGmbH haben ihren Job verloren. Sedlak sagt: Das waren die großen Brocken. Und: "Wir werden keine weiteren Kündigungen aussprechen. Wir werden die Leistungen für die uns anvertrauten Kinder nicht einschränken." Allein im Heilpädagogischen Zentrum werden 220 Kinder betreut.

Warum der Geschäftsführer die Notbremse zog

Im Sommer 2015 hatte Sedlak die Notbremse gezogen. In den Jahren zuvor hatte die Diakonie ihrer Tochtergesellschaft insgesamt 1,6 Millionen Euro zugeschoben, sonst wäre die gGmbH schon viel eher vor der Pleite gestanden. Dann kam die nächste Lücke: 300000 Euro fehlten der gemeinnützigen Gesellschaft im Jahr 2015. Bis 2020, das haben Gutachter hochgerechnet, wäre die Deckungslücke auf zwei Millionen Euro angestiegen. Ein Alarmsignal - auch für die gesamte Diakonie in Bayreuth. Der Sozialverband beschäftigt insgesamt mehr als 1800 Menschen, betreibt mehr als 45 Einrichtungen. Deshalb also die Sanierung, deshalb das Schutzschirmverfahren.

4,5 Millionen Euro an Forderungen standen für die gGmbH zu Buche, als das Verfahren begann, sagt Sachwalter Freudenberg. Dass es jetzt trotzdem gut ausgeht, dass die Gläubiger für  ein solches Verfahren ungewöhnlich satte 69 Prozent von ihren Forderungen bekommen, hat vor allem einen Grund: Die Diakonie hat 1,1 Millionen Euro in ihr vor der Pleite stehendes Tochterunternehmen gesteckt. Über die Hälfte davon reicht sie durch, dieser Sanierungsanteil stammt von der Evangelischen Landeskirche und dem Diakonischen Werk Bayern.

Der Verein Hilfe für das behinderte Kind ist raus

Die gemeinnützige GmbH ist also gerettet. Aber sie ist anders. Der Verein Hilfe für das behinderte Kind war neben der Diakonie Bayreuth Gesellschafter. Jetzt ist der Verein raus. Es ging nicht mehr,m sagt Sanierungsberater Stefan Ettelt. Der gegenseitige Vertrauensverlust sei nicht zu kitten gewesen. Ein Gesellschafter wollte Geld ausgeben, der andere sparen. Deshalb die Trennung. Ettelt sagt: "Wir standen vor der Aufgabe, eine für die Zukunft verlässliche Gesellschaft zu gestalten. Nicht nur finanziell, sondern auch in der Gesellschafterstruktur." Das sei allerdings kein endgültiges Zerwürfnis. Verein und Diakonie wollen in der Behindertenhilfe weiter zusammenarbeiten. Projektideen gebe es, Konkretes noch nicht.

"Wir haben die Vergangenheit aufgearbeitet"

Für die Diakonie hat die Tatsache, dass sie jetzt alleinigen Gesellschafter der gGmbH Hilfe für das behinderte Kind ist, einen handfesten wirtschaftlichen Vorteil, sagt Ettelt: Sie wird die gGmbH nicht mehr mit Gesellschafterdarlehen am Leben halten müssen - so wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Und Sedlak sagt: "Wir haben die Vergangenheit aufgearbeitet. Und können jetzt einen wesentlichen Teil der Aufgaben der Diakonie Bayreuth fortführen."

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