Reha-Kliniken: "Alles ist möglich"

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Die Höhenklinik in Bischofsgrün: Nocht ist nicht entschieden, ob sie bleibt, mit der Klinik Herzoghöhe Bayreuth zusammengelegt wird oder ob beide bleiben können. Foto: Harbach Foto: red

Alles Klinik oder was? Höhenklinik oder Herzoghöhe oder doch beide? Alles ist möglich, entschieden ist noch nichts. Die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern ist unter Druck von Bürgermeistern, Politikern und Mitarbeitern. Aber der Rechnungshof ist unerbittlich.

 
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 „Es ist wirklich nichts entschieden.“ Aber für Werner Krempl (58), Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV), rückt der Tag der Entscheidung näher. Am 23. März soll im Vorstand das Schicksal der beiden Kliniken in der Region besiegelt werden, oder wenigstens das Schicksal von einer. Der Bundesrechnungshof hatte im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass die DRV Nordbayern 400 Betten zu viel hat. Zeitgleich überlegte man in Bayreuth, eine neue, 55 Millionen Euro teure Klinik zu bauen, weil die Herzoghöhe baulich ausgedient hatte. Grund genug für Deutschlands oberste Rechnungsprüfer, der DRV eine Hausaufgabe zu geben: Sie sollte sich die Planungen nochmal überlegen. Und prüfen, ob es nicht besser wäre, die beiden Einrichtungen zusammenzulegen. „Aber selbst das ist noch nicht entschieden“, sagt Krempl. Es sei „theoretisch denkbar“, die beiden Kliniken „wie auch immer“ zu behalten. Also sie an den jeweiligen Standorten in Bischofsgrün oder in Bayreuth so umzugestalten, dass sich beide Häuser tragen könnten.

Im Januar fiel im Gesundheits-Ausschuss des Bayerischen Landtages ein Beschluss, in dem sich die Mitglieder parteienübergreifend dafür aussprachen, beide Standorte zu behalten. Und das einstimmig. Nicht klar ist, welcher Eindruck dieser Beschluss aus München auf die Mitglieder des Vorstands in Bayreuth macht.

Zählt nur die Wirtschaftlichkeit?

Dort sitzen zwölf Entscheider, sechs Versicherten- und sechs Arbeitnehmer-Vertreter. Und zwei aus der DRV-Geschäftsführung, allerdings ohne Stimmrecht. Doch dem Entscheidungsgremium sind alle Hände gebunden. Denn auch wenn ein Signal aus dem bayerischen Landtag kommt, maßgebend ist das Bundesrecht. Und auch wenn es jetzt vielen kurzfristig als die bessere Lösung erscheint, alle zwei Kliniken zu retten, ob das auf Dauer auch so sein wird, ist unsicher. Im Moment wird im Vorstandszimmer der DRV „intensiv diskutiert“.

Die Frage ist, wo die Vorstände die Schwerpunkte setzen: bei der Wirtschaftlichkeit, bei der Reha, bei den Mitarbeitern oder bei den Strukturdaten an den beiden Standorten.

Geht es nach dem Bundesrechnungshof, zählt nur die Wirtschaftlichkeit. Der zählt die Betten in den acht Kliniken der DRV Nordbayern, kommt auf insgesamt 1330 und sieht: Es sind 400 zu viele. Die geplanten Neubau-Maßnahmen in Bayreuth waren nur ein willkommener Anlass, den Rotstift anzusetzen.

Aspekte wie sogenannte weiche Faktoren beachten die Rechnungsprüfer nicht. „Regionale Struktur-Politik sieht das Soziale Gesetzbuch nicht vor“, sagt Krempl. Und wenn die Entscheider in Bayreuth sich danach richten würden, wäre das ein Rechtsfehler. „Wir dürfen unsere Entscheidung nicht da richten.“ Aber mitschwingen darf es schon.

Denn der Druck auf die DRV ist in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen, davon sprechen auch andere Mitarbeiter.

Die Stadt Bayreuth hat ein fast unmoralisches Angebot vorgelegt, ein freies Grundstück neben der Lohengrin-Therme angeboten, tolle Lage, Ärzte, Parkplätze – alles da. Am 19. Februar werden mehr als 4000 Unterschriften aus dem Bischofsgrüner Raum an den Vorstand der DRV übergeben. Ihr Ziel: Erhalt der Arbeitsplätze und der Höhenklinik. Auch das wird der DRV-Vorstand nicht übergehen können, räumt Krempl ein.

„Alle setzen ihre Möglichkeiten ein, sich für ihre Kommunen einzusetzen“, sagt er. Für Bayreuth sei das Angebot eine „Win-Win-Situation“. Andererseits müsse die Rentenversicherung „Umstände berücksichtigten, die auch für sie günstig sind“. Aber das werde „nicht das einzige und nicht das Ausschlaggebende“ sein.

Das „Ausschlaggebende“ steckt irgendwo im Getriebe der Entscheidungsfindung: Krempl spricht von „drei Grundzielen“: eine optimale Patienten-Versorgung mit bestmöglicher Reha. Die dürfe „nicht absacken“. Zweitens müssten die Interessen aller Mitarbeiter gewahrt werden. Selbst wenn es zu einer Zusammenlegung käme, betrage die Übergangszeit acht bis neun Jahre. Und „es wird keinem gekündigt“, sagt Krempl. „Im Gegenteil, wir brauchen unsere Leute.“ Das Personalkonzept zeige schon jetzt, dass die DRV weniger Mitarbeiter habe als sie mit einer neuen Klinik brauche. „Wir werden das so steuern, dass wir auf keinen Fall jemanden auf die Straße setzen.“ Bei all dem Druck im Moment aber werde leider vergessen, dass selbst eine Zusammenlegung „nicht morgen geht“.

Drittens muss der Vorstand – der Rechnungshof lässt grüßen – eine wirtschaftliche Leistung erbringen. „Egal an welcher Schrauben man dreht, es wird eine andere locker“, sagt Krempl. Und dass der Bundesrechnungshof seine Forderungen abschwächt? „Da hab ich die Hoffnungen verloren.“

60 Millionen Euro, 400 Mitarbeiter, eine Entscheidung

Der Bundesrechnungshof ist richterlich unabhängig. Er richtet sich bei seinen „Empfehlungen“ für die Rentenversicherung, die im Rechnungsprüfungs-Ausschuss des Bundestages verhandelt werden, streng nach dem Sozialgesetzbuch, § 30: Dort stehen klar die Aufgaben eines Rentenversicherers. Deswegen darf die DRV keine Wellness-Angebote machen. Und schaut neidisch nach Weißenstadt, wo für 60,2 Millionen Euro ein privates Kurzentrum entsteht.

Der Rechnungshof hat allerdings keine Möglichkeit, gegen die Entscheidung des DRV-Vorstandes vorzugehen. Aber machtlos ist er nicht: Er kann die Entscheidung dennoch kippen – auf politischem Weg. Angebliche Steuersünder können öffentlich diskriminiert werden. Bei der Entscheidung am 23. März geht es um etwa 400 Mitarbeiter in beiden Kliniken und um eine Investitions-Summe von ca. 60 Millionen Euro.

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