Plakataktion war "freie Meinungsäußerung"

Von Kerstin Fritzsche
Nicht nur in Bayreuth, sondern in gut zwei Dutzend Städten deutschlandweit hat die AfD-nahe Gruppierung "Ein Prozent für unser Land" am 19. Juni als Gegen-Aktion zur Menschenkette gegen Rassismus mit subtilen Plakaten Stellung gegen "die Gefahren der Masseneinwanderung" bezogen, wie es auf deren Website hieß. Archivfoto: Frank Schmälzle Foto: red

Am Sonntag vergangene Woche (19.) fand in der Innenstadt von Bayreuth eine Menschenkette gegen Rassismus statt, als Teil einer bundesweiten Aktion. Am Rande wurde die Demonstration durch latent rassistische Plakate gestört. Die Polizei hatte geprüft, ob sie Ermittlungen einleiten kann. Bei der Täterschaft gab es von Anfang an einen konkreten Verdacht, denn auch in anderen Städten hatte es bereits in der Woche davor solche Aktionen gegeben.

 
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"Wir haben lang und sorgfältig geprüft, aber wir konnten keine Ermittlungen einleiten", so Polizei-Sprecher Jürgen Stadter auf Anfrage. "Die Sache ist inhaltlich nicht strafrechtlich relevant. Und Sachbeschädigung ist es auch nicht, da die Klebebänder und Schilder ja ohne Probleme wieder entfernt werden konnten."

Subtile Botschaften

Unbekannte hatten am 19. oder in der Nacht davor Wagner-Figuren und Stein-Figuren in der Stadt, beispielsweise der Ludwig-II.-Büste vor der Villa Wahnfried, selbstgemalte Papp-Plakate umgehängt und die Augen mit braunem Paket-Klebeband verklebt.

Es fanden sich unterschiedliche Sprüche auf den Schildern. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie als latent ausländerfeindlich gelesen werden konnten. Aber eben: konnten. Die Botschaften waren so subtil, dass sie "in den Bereich der freien Meinungsäußerung fallen", so Stadter. Bis Montag war noch überlegt worden, ob man die Sache an die Staatsanwaltschaft geben kann, das ist jetzt aber nicht der Fall, es gäbe keinen Grund für weitere Ermittlungen.

Journalistische Zitate ins falsche Licht gerückt

Auf einem Plakat, das ein Mini-Wagner am Annecy-Platz um den Hals trug, stand beispielsweise "Blind in den Untergang?" und darunter ein Teil-Zitat des türkischstämmigen Journalisten Deniz Yücel, jetzt Türkei-Korrespondent für die "Welt", 2011 zur Zeit des Zitats noch Redakteur der taz: "Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite."

Das Zitat war damit auf den Bayreuther Plakaten in falschen Zusammenhang gesetzt worden, denn Yücel hatte den Satz gegen Rassismus und ausländerfeindliche Ressentiments in einer Kolumne geschrieben. Hintergrund waren Thilo Sarrazins Thesen, die Deutschen seien genetisch bedingt schlauer als Ausländer, bekämen aber eben leider zu wenig Kinder. Ein entsprechendes Buch ("Deutschland schafft sich ab") war damals relativ frisch auf dem Markt.

Auch Yücel hatte kurz überlegt, ob er sich gegen die Instrumentalisierung seines Textes für den gegenteiligen Zweck wehren soll, dann aber davon abgesehen.

Zwei Dutzend Städte betroffen

Schon am 19. vermutete die Polizei direkt, es könne sich um eine Aktion der Reichsbürger handeln. Das schien tatsächlich in die richtige Richtung zu gehen. Denn am Tag darauf lasen Statements im Internet sich fast wie ein Bekenntnis zu den Taten. Zumindest hieß die AfD-nahe Gruppierung "Ein Prozent für unser Land" die Aktion gut und teilte sie zahlreich. Auf der Website der Gruppierung war in einem Beitrag dann eindeutig zu lesen, dass die Gruppe hinter der Aktion steckt. Ähnliche Plakatierungen unter dem Namen "Heimat im Blindflug" hatten in der Woche zuvor bereits in Dresden, DessauLeipzig, Saarbrücken, Düsseldorf, Görlitz, Rostock und anderen Städten stattgefunden, weitere folgten in der Woche danach.

Glaubt man den Angaben, dann waren rund zwei Dutzend Städte betroffen. "Orte und Denkmäler nach Symbolkraft" seien dabei ausgesucht worden, man sei mit zahlreichen Leuten ins Gespräch gekommen.

Wer ist "Ein Prozent für unser Land"?

Wer steckt hinter "Ein Prozent"? Zu der Gruppe gehören unter anderem der Bayreuther Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider, der jetzt für die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt, der als intellektueller AfD-Vordenker bezeichnete Götz Kubitschek, der außerdem Inhaber des rechtskonservativen Verlags Sezession ist, Jürgen Elsässer vom rechten Magazin "Compact" und andere prominente Köpfe von AfD und der Identitären Bewegung. Die Gruppe versteht sich als "Netzwerk für Patrioten", das wie Greenpeace als Plattform agieren will. "Ein Prozent der Bevölkerung, also 800.000 Bürger, sind erforderlich, um mehr Schlagkraft als die SPD zu haben" - so begründet "Ein Prozent für unser Land" das Vorhaben.

Gegen "Masseneinwanderung"

Gegründet wurde die Plattform im November 2015. Die Mitglieder verstehen sich als Widerstandsbewegung gegen die jetzige parlamentarische Demokratie, mit deren Asyl-Politik sie nicht einverstanden sind. Ende Januar hat die Gruppierung eine Verfassungsbeschwerde gegen "die Masseneinwanderung" eingereicht.

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