Pegnitzerin im Erdbeben-Gebiet

Von Frank Heidler
Nur alle zehn Jahre schneit es in Kumamoto: Belinda Preißinger beim privaten Foto-Shooting im Schnee, hier im Suizenji-Park in Kumamoto. Ein japanischer Garten, der von Adeligen angelegt worden war.⋌ Foto: red Foto: red

Schon wieder ein Erdbeben in der japanischen Katastrophenregion Fukushima: Ein ganz besonderes Verständnis für die Menschen in und um die Katastrophenregion hat die seit fast fünf Jahren in Japan lebende Bronner Auswanderin Belinda „Billy“ Preißinger.

 
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Die ehemalige Pegnitzer Abiturientin wohnt zwar rund 1000 Kilometer südlich des jetzigen Erdbebenzentrum, in der 726.000-Einwohnerstadt Kumamoto. Die junge Frau hat aber heuer im Frühjahr selbst unter den gravierenden Folgen eines Erdbebens leiden müssen: „Da ist schon viel von meinen Sachen kaputt gegangen.“ Das kleine Großstadtapartment der Ex-Bronnerin ist seitdem unbewohnbar.

Studium der Japanologie

„Billy“ Preißinger wurde evakuiert. Die 27-Jährige zog zu ihrem damaligen Freund und jetzigen Ehemann, einem Japaner. Seit ihrem Studium der Japanologie in Leipzig spricht sie selbst fließend japanisch. Doch auch beim Freund konnte das junge Paar nicht bleiben. Die Wasserversorgung im Großraum Kumamoto war komplett zusammengebrochen.

Erdbebensicheres Haus

Deshalb verbrachte das Paar einen dreiwöchigen „Abenteuerurlaub“ bei den Schwiegereltern, am Südzipfel von Kumamoto, auf dem Land. Diese hatten sich nicht nur ein erdbebensicheres Haus gebaut und betrieben Landwirtschaft. Über einen eigenen Brunnen und einen mit Wasser gefüllten Milchtank versorgten die Landwirte sich und die einquartierten Erdbebenflüchtlinge mit dem kostbaren Nass.

Wertvolles Wasser

Wie wertvoll Wasser ist, hat die in anderen Lebenslagen vor positiver Lebensenergie sprühende Preißinger am eigenen Leib leidvoll erfahren. „Kein Wasser heißt nicht nur keine Dusche, sondern auch keine Toilette.“ Nach dem Beben waren sie vier Stunden durch Kumamoto geirrt, auf der Suche nach einer Toilette. Aber vergebens. In der City findet man ja mal schlecht einen unbeobachteten Busch. „Das war das schlimmste Erlebnis in meinem Leben.“, sagt Billy Preißinger.

Jede Sekunde genießen

Manche Straßen sind immer noch komplett gesperrt. Dennoch lasse sich niemand unterkriegen. Aber auch die grundsätzliche Einstellung der Weitgereisten zum Leben wurde in nur wenigen Sekunden komplett „auf den Kopf“ gestellt. Ihre Empfehlung: Jede Sekunde zu genießen, die man „im normalen Alltag“ verbringen kann. Es gab aber auch viele positive Erlebnisse. Nach der Katastrophe wurde Essen ausgetauscht und Wasser geteilt. Noch immer, nach einem halben Jahr, gibt es in Kumamoto Nachbeben.

Erdbeben der Stufe vier

„Erst letzte Woche, bei der Feueralarmprobe im Rathaus, als alle draußen evakuiert waren, hatten wir plötzlich ein Erdbeben der Stufe vier.“ Selbst nach einem Jahr kann es noch Nachbeben geben. Billy Preißinger arbeitet im Rathaus. Sie ist eine von rund 2000 Beschäftigten. Da ein Teil der Belegschaft durch die Abteilungen rotiert, hat sie hier auch ihren Ehemann kennengelernt. „Rathäuser in Japan sind viel mehr serviceorientiert als in Deutschland“, glaubt sie. Besonderes Großstadtflair hat Kumamoto nicht. „Die Innenstadt ist etwa so groß wie in Bayreuth.“

Betreuung von Englischlehrern

Zu den Aufgaben von Billy Preißinger gehört die Betreuung von Englischlehrern, die jedes Jahr kommen und an den Schulen unterrichten. Außerdem kümmert sie sich um ausländische Einwohner, die kein Wort japanisch sprechen. Die blonde Wahl-Japanerin unterrichtet Deutsch und hält an den Grundschulen Vorträge über Deutschland.

Trotz der riesengroßen geographischen Distanz sieht Preißinger deutliche Bezüge zwischen Japan und Deutschland. „Das Denken der Leute ähnelt sehr dem deutschen Denken.“ Von fränkischer Gemütlichkeit sei in Kumamoto allerdings keine Spur. „Mir ist aufgefallen, das das Leben hier einfach schneller ist.“

Kinderschokolade und Überraschungseier

Zu Hause in Deutschland habe sie öfter mal einen Sofatag verbracht. In Japan sei daran gar nicht zu denken. Über das Skypen via PC hält sie die Verbindung zur Heimat „und zu meiner Mama“ aufrecht, lässt sich gelegentlich typisch deutsche Essensutensilien wie Maggi-Würfel oder Kinderschokolade und Überraschungseier schicken.

Schon als Kindergartenkind wollte die Bronnerin ins Ausland. Wegen der schönen Kimonos hat sie sich jahrelang Samurai-Filme angesehen. Inzwischen hat sie sogar die mehrjährige, nebenberufliche Ausbildung zur Kimono-Lehrerin und -Schneiderin fast abgeschlossen. Und betreibt Aikido, einen japanischen Kampfsport.

So rechte Vorweihnachtsstimmung kommt bei ihr im Moment nicht auf. Es ist mit gut 20 Grad zu warm. „Die Sommer sind sehr lang.“ Und bis zu 38 Grad heiß. Schnee fällt nur alle zehn Jahre im Winter.

Einen Adventssonntag mit der Familie vermisst die Bronnerin schon etwas. „Hier in Japan kümmern sich die wenigsten richtig um ihre Familie und das finde ich sehr schade.“

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